Erster Abend (Teil 1)

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Kapitel 6

Ezekiel

"Sie hat dir wirklich geglaubt, dass du die Treppe hinuntergefallen bist?", fragte er belustigt. "Damals war ich wirklich stolz darauf, dass sie es mir abgekauft hat, aber ich glaube, sie wusste, dass ich ihr die Wahrheit nie sagen würde und hat es deswegen einfach hingenommen.", antwortete Ash mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Er war schon seit längerem dazu übergegangen, sie in Gedanken Ash zu nennen. Zum einen klang dieser Spitzname viel mehr nach ihr und zum anderen war er kürzer. Es gefiel ihm einfach. "Du hättest ihr ja auch schlecht sagen können, dass du dir den Arm gebrochen hast, weil du Spionage gespielt hast, einer Person hinterhergejagt bist und dabei von einer Mauer gefallen bist.", dieser Kommentar kam von seinem Bruder Is. Es sollte ihn eigentlich wundern, dass Is sich sofort so gut mit Ash verstand, aber das tat es nicht. Auch er selbst fühlte sich, als würde er sie schon ewig kennen und er fühlte sich gut in ihrer Nähe. Es war vertraut. Auch wenn die Stimmung anfangs noch etwas angespannt gewesen war, sie verstanden sich auf Anhieb. Zuerst hatten sie sich gegenseitig Fragen über ihr bisheriges Leben gestellt, irgendwann waren sie aber dazu übergegangen peinliche Geschichten aus ihrer Kindheit zu erzählen. Und nicht nur er, für den es einfach war mit anderen zu sprechen und sich zu unterhalten, sondern auch Is, der manchmal ewig brauchte, um eine richtige Konversation mit anderen Personen führen zu können, lachten jetzt mit Ash.

Ash.

Dieses kleine Mädchen, dass ihre Partnerin sein würde. Sie war noch ziemlich jung, und auch wenn das nicht ungewöhnlich war, so fühlte es sich doch nicht normal an. Es war ungewohnt. Vor allem, wenn er bedachte, dass mit dem Einzug normalerweise auch der erste Sex miteinherging. Das war so ähnlich, wie mit der Hochzeit in den früheren Vorstellungen der Religion. Kein Sex vor der Ehe. Er selbst kannte das Prinzip der Ehe aus dem Geschichtsunterricht. Man schwor sich die Liebe und Treue bis zum Tod. Kein Wunder, dass die Ehen nicht lange hielten. Das derzeitige Konzept war in seinen Augen vielleicht nicht perfekt, aber deutlich besser als die Ehe. Der Einzug symbolisierte den Treueschwur der Partner und war auch oft die Zeit für den ersten Sex zusammen. Es war natürlich nicht verboten, schon vorher Sex zu haben, kaum jemand war mit 20 noch Jungfrau, aber die Partner hatten normalerweise beim Einzug den ersten Sex. Er erwartete das nicht von Ash, sie war noch so jung und sicher auch unerfahren und er glaubte auch nicht, dass sein Bruder das tat, aber er konnte nicht einschätzen, ob Ash es nicht erwartete. Es würde ihn nicht wundern, denn auch sie war mit diesen Vorstellungen und Idealen erzogen worden, sie könnte sich durchaus fürchten, dass die beiden über sie herfallen würden, sobald sie ins Bett ging. Es war nicht so, dass er das nicht wollte, denn allein bei dem Gedanken daran, spürte er, wie sein kleiner Freund in seiner Hose zuckte, aber sie hatten sich gerade erst kennengelernt und Ash war auch erst 15. Sein Blick huschte zu ihr und er musterte sie genau, konnte aber kein Anzeichen von Nervosität oder Angst sehen. Entweder sie erwartete es nicht oder sie hatte Erfahrung damit und fürchtete sich deswegen nicht. Bei dem Gedanken, ein anderer könnte sie gehabt haben, durchfuhr ihn ein Stich der Eifersucht. Er wusste rational, dass er kein Recht dazu hatte, denn auch für ihn wäre es bei weitem nicht das erste Mal, und dennoch. Der Gedanke, jemand anderer könnte sie entjungfert haben, machte ihn rasend. Er ließ seinen Blick erneut zu ihr wandern, er wusste nicht, zum wievielten Mal an diesem Tag und kam nicht umhin, ihre umwerfende Schönheit zu bestaunen. Er bemerkte nicht zum ersten Mal, wie sie gähnte, sie musste einen anstrengenden Tag gehabt haben. Auch Is schien es nicht entgangen zu sein, denn auch sein Bruder musterte sie kritisch. Wahrscheinlich suchte er nach weiteren Anzeichen für Müdigkeit. "Wir sollten langsam schlafen gehen, du hattest heute sicher einen anstrengenden Tag.", meinte er und sein Zwilling nickte sofort zustimmend und stand zur Unterstützung der Aussage auch gleich auf. Is saß noch immer am anderen Ende des Sofas, gegenüber von ihm und Ash. Er hingegen saß schon den ganzen Abend ziemlich nah bei ihr und auch wenn es sie am Anfang nervös gemacht hatte - das hatte er genau gesehen - war sie zunehmend entspannter geworden und störte sich nicht an seiner Nähe. Daran würde sie sich gewöhnen müssen, denn er war definitiv der Typ fürs Kuscheln, auch wenn er nicht so aussah. Er würde immer ihre Nähe suchen, ständig und überall. Is war da dann doch etwas konservativer und hielt sich damit eher zurück. Ash nickte nur zustimmend und als wollte sie es auch noch unterstreichen entkam ihr sofort das nächste Gähnen. Er erhob sich und streckte ihr die Hand hin, die sie sofort ergriff, um sich mit seiner Hilfe hochzuziehen. Es war das erste Mal, dass er sie berührte und er spürte sogleich kleine Stromschläge, die sich von seiner Hand in den gesamten restlichen Körper ausbreiteten. Das hatte er noch nie zuvor gespürt und er hoffte, dass es keiner der beiden mitbekommen hatte. Ash stand neben ihm, gut einen Kopf kleiner und sah eingeschüchtert zu ihm hoch, auch sie wirkte etwas durcheinander. Ob sie es auch gespürt hatte? Is unterbrach seine Gedanken, indem er sich zu Wort meldete. Er selbst hätte fast vergessen, dass sein Zwilling auch noch da war. "Wir wussten nicht, dass du bei uns einziehen wirst, also haben wir noch nichts hergerichtet. Du kannst in unserem Bett schlafen, bis wir ein Bett für dich besorgt haben." Schnell fügte er noch hinzu:"Wir können derweil auf der Couch schlafen." Er wollte nicht, dass sie dachte, dass sie im gleichen Bett schlafen würden, das letzte, was er wollte, war sie zu verschrecken. Is hatte nicht die ganze Wahrheit gesagt, eigentlich hatten sie mit Absicht nichts besorgt, weil sie immer davon ausgegangen waren, dass ihre Partnerin mit ihnen in einem Bett schlafen würde. Aber das konnten sie Ash schlecht sagen, also hatte Is sich wohl für die Version der Geschichte entschieden. Ihm soll es Recht sein, auch er hätte Ash den wahren Grund nie einfach so gesagt. Sie sollte sich nicht vor ihnen fürchten oder sich zu etwas gezwungen fühlen. Ash sah kurz zwischen ihm und seinem Bruder hin und her, bevor sie sich zu Wort meldete. Dafür, dass sie vorher noch so selbstbewusst und laut gewesen war, klang ihre Stimme nun ziemlich leise. "Das müsst ihr nicht. Mir macht das nichts aus, mit euch in einem Bett zu schlafen.", meinte sie und es wirkte fast, als wäre sie etwas verlegen. Er sah sie ungläubig und verwirrt an. Das hatte er jetzt nicht erwartet. Ob sie wirklich schon Erfahrung mit Sex hatte? Sie war zwar noch ziemlich jung dafür, aber sein konnte es natürlich. Durch ihr Aussehen hatte sie sicher genug Aufmerksamkeit bekommen, an Gelegenheiten hatte es ihr sicher nie gefehlt. Anders konnte er sich nämlich nicht erklären, wie sie so einfach vorschlug, mit zwei Männern nur leicht bekleidet in einem Bett zu schlafen. Es sei denn, sie war noch Kind genug, um die Andeutung von so einer Aussage noch nicht zu verstehen. Aber Ash wirkte nicht so naiv. "Wir schlafen oft am Sofa, das geht schon in Ordnung.", erklärte Is, aber sie schüttelte den Kopf. "Wirklich, ich habe kein Problem damit." Er fragte sich, ob das so eine gute Idee war. Das Bett war groß, aber auch wieder nicht so groß, denn sowohl er als auch Ismael waren eher breit. Ash hätte dort sicher Platz, aber nicht, ohne dass sie einen von ihnen dauernd Berührte. Und er war sich nicht sicher, ob er sich dabei unter Kontrolle halten konnte. Er wollte sie und dass sie erst 15 war schien sein Schwanz nicht zu verstehen. Mal davon abgesehen, dass er um seine Morgenlatte wusste. Aber wer wäre er, wenn er dem nicht zustimmen würde. Sie wäre bekleidet, er wäre soweit bekleidet, was sollte da schon schief gehen? Also nickte er. "Okay." Sofort spürte er den erstaunten und auch warnenden Blick von Is in seinem Rücken, beschloss aber ihn zu ignorieren. Er konnte seine Aussage sowieso nicht zurücknehmen. Is schien das auch zu bemerken, denn er deutete mit der Hand in Richtung der Treppe und zeigte Ash so, dass sie ihm folgen sollte. Diese folgte seiner stummen Aufforderung sofort und auch er setzte sich in Bewegung. Is ging vor zu der Glastreppe, die sie in den oberen Stock führen würde. Generell bestand ziemlich viel in ihrem Haus aus Glas, der Boden, die Wände, die Treppe. Das lag zum einen daran, dass Glas als wichtiges Baumaterial galt und zum anderen daran, dass man zwar von innen nach draußen sehen konnte, aber nicht umgekehrt. DIe Scheiben waren verspiegelt. Das Gleiche galt für den Boden, sie konnten zwar hinaussehen, aber niemand konnte von unten herein sehen. Im ersten Stock war der Boden in beide Seiten blickdicht, sodass man nicht in die darüber beziehungsweise darunter liegenden Räume sehen konnte. Ähnlich verhielt es sich auch mit Wänden, die die Räume voneinander abtrennten. Die Treppe war etwas, das er selbst unbedingt hatte haben wollen. Die meisten zweistöckigen Häuser hatten einen kleinen Aufzug oder eine andere automatische Transportmöglichkeit, doch er mochte die Treppe lieber. Und auch wenn Is sich oft darüber beschwerte, wusste er, das Is sie auch mochte. Sie bestand auch Glasstufen, die an der Wand befestigt worden waren und so eine Treppe formten. Das nahm wenig Platz vom Raum weg und war dadurch weitaus besser, als ein Stiegenhaus - etwas, das nicht nur alt sondern auch noch hässlich war. Die Treppe endete direkt im Schlafzimmer, doch Is führte sie weiter durch das Zimmer, zu der Wand mit den Türen, durch die man ins Bad und ins Ankleidezimmer kam. "Du kannst dich im Bad frisch machen. Wir holen dir in der Zwischenzeit eine Bettdecke und ein Kopfkissen aus dem Lagerraum. Wir sind gleich wieder da."



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