Kapitel 9

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"Ich hab dich lieb, das weißt du oder?"
Ich weiß Mum, ich dich auch, will ich antworten, aber aus meinem Mund kommen nur Schreie. Hilfeschreie aus purer Verzweiflung. Schmerzensschreie. Angstschreie. Aber keine klaren Worte, außer ein schrilles "Mum!", welches meine Stimmbänder verbrennt.

"Luna, wach auf! Komm schon, wach auf!" jemand rüttelt an meiner Schulter. Meine brennenden Augen öffnen sich schlagartig und ich sehe in Kilians Gesicht, der mich besorgt mustert.

"Es war nur ein Traum", versichert er mir mit mitleidiger Stimme und fährt mit seinen warmen Händen durch mein Haar. "Es ist alles gut, du bist in Sicherheit." Zitternd versuche ich Luft in meine Lungen zu ziehen. Nach einigen Atemzügen habe ich endlich das Gefühl der Sauerstoff kommt auch an. Mein Hals fühlt sich rau und trocken an, meine Wangen dagegen sind feucht von meinen Tränen. Wieso muss gerade er mich so sehen? Warum muss ich überhaupt hier sein? Wieso kann ich nicht endlich wieder zurück nach Köln. Weg von meinem Erzeuger und dessen neuer Familie. Wieso musste meine Mum sterben?

"Brauchst du was?", will Kilian wissen. Er trägt immer noch die Jogginghose und das lockere American Shirt von vorhin. Der Fernseher ist aus und auch sonst ist es relativ dunkel in dem Zimmer. Ich schüttel den Kopf und drehe mich von ihm weg. Er soll mich nicht so sehen. Niemand soll das. Nicht er, nicht Sabine und vor allem nicht mein Erzeuger.

"Soll ich hierbleiben?" erneut schüttel ich den Kopf. Ich will allein sein. Ich höre wie Kilian seufzt, aber dann doch langsam den Raum verlässt. Kurz bevor er weg ist flüstert er ein "Es tut mir leid" und ist dann verschwunden. Ich sehe ihm nach, bis er verschwunden ist und versuche stark zu sein. Aber ich kann nicht stark sein. Meine Mum ist tot. Ich werde sie nie wieder sehen. Ich frage mich was ihm leid tut. Er hat doch nichts getan, er hatte doch gar nichts mit irgendwas hier zu tun. Ich drehe mich zur Seite und schaue nach wie spät es ist. Mein Handy zeigt kurz vor fünf an. Da ich genau weiß, dass ich ewig brauchen werde, um wieder einzuschlafen, entsperre ich den Bildschirm und betrachte mein Hintergrundbild. Es ist ein Selfie von mir und meiner Mutter, welches wir ein paar Wochen vor dem Unfall am Rhein gemacht haben. Im Hintergrund ist der Kölner Dom und die Hohenzollernbrücke zu sehen. Wieder steigen mir Tränen auf. Wieso musste sie nur ohne mich gehen? 

In der Galerie schaue ich mir mehr Bilder an. Von meiner Mum, von Lexy, von mir. Als ich ein Bild betrachte, welches meine Mum an Karneval von mir gemacht hat, muss ich schlucken. Ich sehe so fröhlich aus. Und so unfassbar gesund. Ich klettere aus dem Bett, um mich in dem großen Spiegel an meinem Kleiderschrank zu beobachten. Meine Haare sehen stumpf aus, mein Körper schmaler. Ich war noch nie besonders schlank oder besonders dick. Ich war immer einfach was dazwischen und das hat mir eigentlich immer gefallen. Mir steht es einfach nicht so schlank zu sein wie Lexy. Es gefällt mir nicht was ich sehe. Schatz, du bist perfekt wie du bist, höre ich die Stimme meiner Mum in meinem Kopf. "Wieso hast du mich nicht mitgenommen?", flüstere ich und schließe meine verweinten Augen. Weil sie nicht gewollt hätte, dass ich sterbe, pflichte ich mir selbst bei. 

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Hallo meine Lieben! 

Nur ein sehr kurzes Kapitel, aber dafür gibt es in den nächsten Tagen bereits ein weiteres. Seid ihr bereit für Kilians Sicht? 

xoxo Luisa 

Jones - Luna und Kilian Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt