Kapitel 7 - Eine böse Überraschung

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LOKI LAUFEYSON

Der Tag war anstrengend gewesen. Wieder und wieder hatte ich meine Kräfte ausgetestet und war an Grenzen gegangen. Das zahlte sich jetzt aus. Meine Muskeln schmerzten, doch vor allem fühlte sich mein Kopf müde und ausgelaugt an.

Eine warme Dusche kam mir da nur willkommen. Unter dem heißen Wasser entspannten sich meine Muskeln und ich konnte für ein paar Minuten die Außenwelt vergessen. Meine Gedanken schweiften ein paar Tage zurück.

Verschwindet aus meinem Gemach! Verschwindet, bevor ich es mir anders überlege, hallte es in meinem Kopf wie ein nicht aufhörendes Echo. Bis jetzt wusste ich nicht, was dort in mich gefahren war.

Die Worte waren aus meinem Mund geschossen ohne einen klaren Gedanken und ich hatte sie schon bereut, bevor ich sie ausgesprochen hatte. Der schockierte Ausdruck auf dem Gesicht des Zimmermädchens wollte mir nicht mehr aus dem Kopf gehen. Wieso konnte ich sie nicht einfach vergessen? Sie hatte eine einmalige Nummer sein sollen wie die anderen Frauen davor, wieso also wollte mir dieses einfache, niedere Zimmermädchen nicht aus dem Kopf gehen?

In Gedanken trat ich aus der Dusche, wickelte mir schnell ein Handtuch um die Hüfte und ging aus dem Badezimmer in mein Gemach. Überrascht blieb ich stehen, als ich June sah, wie sie nichts ahnend durch mein Zimmer hüpfte und meine Regale von Staub befreite.

Als ich sie ansprach und sie sich daraufhin umdrehte, konnte ich an ihrem Blick erkennen, dass ihr gefiel, was sie sah. Fast drängte sich ein zufriedenes Grinsen auf mein Gesicht, was meine nächsten Worte jedoch zunichte machten.

Junes Wangen verfärbten sich Rot. Eigentlich wollte ich es nicht zugeben, doch insgeheim gefiel es mir, welche Wirkung ich auf sie hatte. In mir wuchs der Drang, sich ihr zu nähern.

Vielleicht war ihr unschuldiger, ängstlicher Blick aus ihren grün-gräulichen Augen, vielleicht aber auch ihr schneeweißes Kleid, welches ihre Figur unter sich verbarg, der ausschlaggebende Punkt, der mich June mit schnellen Schritten nähern ließ.

Meine Worte verunsicherten sie sichtlich mehr; June biss auf ihre Unterlippe und ihre Augen blinzelten nervös.

Die Stimme des Zimmermädchens erinnerte mich an die Nacht, als ich ihr meinen Namen entlockt hatte.
Mein Atem verschnellerte sich.

Ich wollte das nicht. Ich wollte nicht, dass sie eine solche Wirkung auf mich hatte.

Mein Herz pochte heftiger und ich krallte meine Fingernägel in die Handflächen. Der Schmerz linderte meine Wut auf sie und verhinderte, dass ich etwas Unüberlegtes tat oder sagte. Ihr fragender Blick verfolgte mich, als ich genauso schnell wie ich auf sie zugekommen war, wieder Abstand zwischen uns brachte.

Unter geschlossenen Augen konnte ich nur hervorpressen: "Beeilt Euch." Dann verschwand ich im Bad. Ich musste soviel Abstand zwischen uns bringen wie möglich, ansonsten würden meine Gefühle mich zu Taten bringen, die ich hinterher bereuen würde.

JUNE

June bemerkte an Lokis schnellerem Atem, dass ihre Worte etwas in ihm ausgelöst haben mussten. Umso verwunderter war sie, als der Prinz sich plötzlich von ihr entfernte und mit den Worten "Beeilt Euch" verschwand.

Sein sonderbares Verhalten verwirrte June immer mehr. Sie wusste schon gar nicht mehr, was sie von ihm denken sollte. Erst ließ er sich auf sie ein, dann war er das größte Arschloch und jetzt...war er eine Mischung aus beiden. Das Zimmermädchen wurde einfach nicht aus ihm schlau.

********************

Der nächste Morgen kam viel zu früh. Tilda und sie hatten noch bis spät in den Abend über Lokis neuliches Verhalten gerätselt. Ohne Aussichten auf Antworten.

In ihren Gedanken eingetaucht trugen sie ihre Füße zu Flur 1. Erst als June eine bestimmte Tür öffnete, schreckte sie aus ihrem Gedankenfluss auf und realisierte zu spät, dass es Lokis war. Doch jetzt gab es kein zurück mehr, denn sie stand schon mitten in der Tür. Der Anblick, der sich ihr bot, riss sie beinahe von den Füßen.

Loki saß aufrecht im Bett. Neben ihm räkelte sich eine hübsche, nackte Frau.

June hatte das Gefühl, in eine bodenlose Tiefe zu stürzen. Das überraschte Kreischen der Frau hörte sie nur noch wie durch Watte.

Lokis Augen blickten emotionslos zu ihr hinüber. Sie hätte sich zumindest irgendeine Regung in seinem Gesicht gewünscht. Ob Überraschung oder Zorn. Irgendwas. Stattdessen prangerte sein ausdrucksloses Gesicht vor ihr und hielt ihr ihre eigene Nichtigkeit vor Augen.

Ihre Füßen fanden wie von selbst aus dem Gemach und dem Palast. June fühlte sich einfach nur benutzt, als wäre sie für Loki nur ein Spielzeug gewesen, mit dem er kurzzeitig Vergnügen hatte und dann weggeschmissen wurde. Die Leere in ihr fraß sich wie ein dunkles Loch in ihr Herz.

Wie kann er mir das antun?

June war hin- und hergerissen. Beinahe alles von ihr wollte Loki los lassen und ihn am besten auf ewig vergessen. Nur ihr dummes, nerviges Herz klammerte sich unerbittlich an den ledrigen Geruch seiner Jacke, das Gefühl seiner Finger und Lippen auf ihrer Haut und diesen verlangenden Blick, den er ihr geschenkt hatte.

Am liebsten hätte sie geweint und ihn angeschrien, doch ihre Augen entließen keine Tränen. Nur ein erstickter Laut entkam ihrem Mund. June wollte ihn nie mehr sehen und sich einfach nur in ihrer Kammer einschließen...

Auch als sie Tilda und ein paar der anderen Zimmermädchen von den Geschehnissen erzählte, tauchten die Bilder von Loki und der Frau immer wieder in ihrem Kopf auf. Es schien fast, als würden sie sich über Junes Naivität lustig machen.

"Kannst du die Leiterin nicht fragen, ob sie dich versetzt oder umtauscht?", fragte Vodite, eine Freundin von June, die für den gleichen Flur wie Tilda zuständig war.
June zuckte nur mit den Schultern und antwortete schwach: "Das wäre eine Möglichkeit, dann muss ich ihn zumindest nicht jeden Tag sehen."

"Oder du zeigst ihm mal, wo der Hammer hängt! Du kannst nicht zulassen, wie er mit dir umgeht!", schaltete sich Tilda ein,  aufbrausend und selbstbewusst wie immer. June bewunderte sich wirklich für ihren Mut.

Sie selber war viel unsicherer bei diesem Gedanken und entgegnete: "Ich weiß nicht. Was soll ich denn überhaupt machen?"
"Ihm auf die nerven gehen! Ihn viel zu früh wecken! Uns wird schon etwas einfallen."
June war immer noch nicht überzeugt. Tildas letzter Plan hatte ihr im Nachhinein keine Freuden bereitet...
"Jetzt verkriech nicht wieder in dein stilles Kämmerlein, June", klagte Tilda ihre beste Freundin an, "Du musst dich gegen ihn wehren. So kann und darf nemand mit dir umgehen!"
"Aber er ist der Prinz...", murmelte June, eingeschüchtert von Tildas Äußerung.
"Na und! Dann stell dir vor, er wäre dein kleiner Bruder, den du anmeckern kannst so viel du willst. Und was soll er denn im schlimmsten Fall machen? Deinen Kopf abhacken?", regte sich ihre beste Freundin über Junes Untätigkeit auf. Aber für sie war das eben nicht so einfach wie Tilda es darstellte.

Schweren Herzens fasste June einen Entschluss: Tilda hatte Recht. Sie musste etwas tun, denn weiterhin das Spielzeug von Loki zu bleiben wollte sie nicht.



His deepest desire [Loki FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt