Kapitel 27 - Ein Tropfen Heilung

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JUNE
Eine warme Brise streichelte Junes Körper und drückte ihr rosiges, federleichtes Kleid eng an ihre Oberschenkel. Die Sonne warf ihr rotes Licht auf die Bucht vor der goldenen Stadt, wo die Wellen schäumend an die spitzen Felsen brandeten. Obwohl das Wetter in Asgard nicht hätte schöner sein können, schlich sich ein mulmiges Gefühl in Junes Magengegend. Zum einen, weil sie noch immer an ihre unerwartete Schwangerschaft denken musste und zum anderen, weil er immer noch nicht von Svartalfheim zurück gekehrt war.

Sie hatte nur durch Zufall von zwei Wachmännern gehört, dass die Einherjar samt den Prinzen den Befehl bekommen hatten, nach Svartalfheim zu gehen, um dort den Herrscher zur Rede zu stellen. Und das war vor einigen Stunden gewesen. Wie lange kann so eine Besprechung wohl dauern? June schloss die Augen und atmete einige Male tief durch. Wahrscheinlich reagierte sie über. Sind das die Stimmungsschwankungen in der Schwangerschaft, von denen alle sprechen?

Das Zimmermädchen öffnete die Augen und versuchte, sich auf das vielfältige Funkeln des Bifrösts zu konzentrieren. Sie hörte das Rauschen der Wellen und das Zwitschern kleiner Singvögel und doch konnte sie dieses mulmige Gefühl nicht abschütteln.
Plötzlich konnte sie am Ende des Wassers, wo sich die Wellen über die Klippe stürzten, erkennen, wie die kugelförmige Befestigung am Bifröst sich immer schneller zu drehen begann. June riß die Augen auf und konnte nicht anders, als sich von der kleinen Terasse auf die Brücke zu begeben, die zum Bifröst führte.

Die Goldkugel drehte sich rasend schnell und die langgezogene Pyramide, einem Horn gleich, richtete sich waagerecht auf Höhe der See. Dann schoss ein gleißend heller Strahl aus der Spitze hervor und June konnte gerade so erkennen, wie ungefähr drei Dutzend Männer in der goldenen Kuppel erschienen. Einer schleppte sich noch in Richtung Ausgang, doch brach dann zusammen. Das Herz des Zimmermädchens fing an zu rasen. Bitte lass es nicht Loki sein. Und ohne zu zögern rannte sie in Richtung der Krankenstation, um Hilfe zu holen und betete, sie möge nicht zu spät kommen.
***
Als June schwer atmend in der Krankenstation ankam, konnte sie nur hervorbringen: „Schnell Hilfe...Schwerverletzte...Bifröst..." Der Mann an den Tresen starrte sie für einen kurzen Moment verdattert an, bevor er sich von seinem Sessel erhob und in ein Behandlungszimmer eilte. Wenig später beobachtete June, immer noch nach Luft ringend, wie zwei Heiler mitsamt vier Krankenschwestern und weiteren vier Männern mit Trage an ihr vorbei rannten. Keuchend setzte das Zimmermädchen sich auf einen Stuhl im Wartebereich. Sie konnte nichts mehr tun und würde den Helfern nur im Weg stehen. Von diesem Platz aus würde sie wenigstens den Verletzten erkennen können.

Ihre Nervosität stieg von Minute zu Minute. Hätte nicht längst jemand auftauchen müssen? June stützte ihren Kopf auf ihre zitternden Hände und beobachtete mit leerem Blick, wie Pflegerinnen von einem Zimmer zum anderen eilten. Dann hörte sie plötzlich laute, aufgeregte Männerstimmen und sich schnell herannahende Schritte. Wie elektrisiert sprang June von dem gepolsterten Stuhl im Wartezimmer auf und blieb in der Tür zum Flur stehen.

Um die Ecke bogen ein Pfleger, der eine Trage mit einem weiteren Mann eilig durch den breiten Gang schleppte, und die Ärzte mitsamt den Krankenschwestern und einem aufgebrachten Thor, der lautstark Befehle von sich gab.
„Ich will, dass Ihr alles mögliche macht und behandelt die anderen Verletzten!"

Das verängstigte Zimmermädchen wagte es kaum, in Richtung der Trage zu sehen. Doch als die Pfleger näher kamen, konnte sie es nicht mehr leugnen, wer dort lag. Ein ersticktes Schluchzen entriss sich ihrer Kehle, als die tiefe Wunde auf Lokis Rücken erblickte. June schlug ihre Hand vor den Mund. Nein, das darf nicht sein.
Tränen stiegen schlagartig in ihre Augen und eine panische Angst stieg in ihr auf. Wie war das passiert? Was hatte Loki gemacht? Sie konnte nur schwer dem Drang widerstehen, Loki sofort nachzueilen, doch sie wäre nur hinderlich gewesen.

His deepest desire [Loki FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt