Kleine Geister interessieren sich für das Ungewöhnliche, große Geister für das Gewöhnliche.
- Elbert Hubbard -SILAS KOMMT NACH nur einer halben Stunde ins Krankenhaus. Ich bin noch immer überrascht, warum ist er so schnell und warum bemüht er sich denn überhaupt so sehr um mich, sorgt sich so sehr, hilft mir und stützt mich? Es ist mitten in der Nacht, morgen haben wir beide Unterricht, trotz dessen vibriert mein Handy in meiner Hand, als seine Nachricht ankündigt, dass er vor der Tür steht. Aufgeregt zeige ich die Nachricht meiner Mom, die nur die Augenbraue hochzieht und mich mit einem seltsamen Blick mustert.
»Er muss dich echt mögen, Honey«, stellte sie fest, was die Alarmglocken bei meinem Vater gleich ringen ließ. Ja, ich glaube, das tut er wirklich.
Der Blick meines Vaters zuckt zu mir und er schart mit deinem Fuß auf dem blitzeblanken Boden des Krankenhauses, wie ein Tier, dass sich bereit für die Jagd macht. Macht sich bereit, für seine Tochter alles zu tun. Ich kann mich glücklich schätzen, so einen Vater zu haben, einen, der mich liebt, der mich vor allem beschützen möchte.
»Warum hast du ihn denn nie erwähnt, Süße?«, fragte Mom weiter, die im Gegensatz zu Dad viel eher glücklich über den Umstand aussieht.
Und Dad, ach Dad, du bist nur so besorgt um deine Tochter, die Tochter, die das Leben nahezu verschlungen hat, der das Leben ihre Stimme gestohlen hat. Du willst mich beschützen, so, so sehr, aber das geht nicht, wenn du alles und jeden von mir fernhalten willst. Denn Dad, um eine Rose anzufassen, muss man auch ihre Dornen berühren und ein bisschen Blut stört mich nicht.
Meine Mom, die sich immer um mich gesorgt hat, sieht mich noch immer erwartungsvoll an, wartet auf eine Antwort, die ich nicht geben werde. Mom, ich habe vor langer Zeit verlernt zu reden. Vielleicht schaffe ich es bald, vielleicht auch nicht. Vielleicht hört die Dunkelheit in mir eines Tages auf, mich zu verschlingen und vielleicht bringt auch jemand Licht entgegen der bitteren Finsternis.
Also zucke ich mit den Schultern, immerhin ist es keine Lüge, ich wusste es nämlich wirklich nicht.
Vielleicht, weil Silas mein Safe-Space ist, mein schützender Regenschirm, der mich vor den Regentropfen und dem Hagel bewahrt, vor den geballten Kräften der Natur und des Lebens, die unablässig ein Lied des Leidens auf mir hinterlassen wollen. Er schützt mich vor allem.
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LOVE LETTERS TO A STRANGER
Teen FictionLiebesbriefe an einen Fremden. »Wer bist du, hinter dem Blau deiner Tinte und dem Kratzen deines Stiftes? Wer bist du, wenn die Tinte verblasst und all unsere kleinen Briefe nichts als ein Nachhall vergangener Zeiten sind?« Honey Ambrosé ist stumm...