Wir wollen die Unendlichkeit und sind unzufrieden, wenn wir nur die Hälfte erhalten.
- Walter Ludin -ICH BEHALTE MEINE WORTE FÜR MICH, trage sie mit mir, wie andere einen Glücksbringer, einen Talisman. Ich behalte sie in meinem Kopf, der sie wie ein schwarzes Loch aufsaugt, ehe sie mir über die geröteten Lippen kommen können.
Manchmal, manchmal erlaube ich mir diesen einen Gedanken. Ich erlaube es mir, mir vorzustellen, was gewesen wäre, wenn Violet an diesem Abend nicht gestorben wäre. Wenn sie neben mir gehen könnte, jetzt gerade, in diesem Moment. Wenn sie mit mir nach Hause gehen würde, wenn sie mir helfen würde, für Theodosia da zu sein.
Nach ihrem Tod bin ich farbenblind auf einen Jahrmarkt gegangen und geradewegs in ein Karussell gestiegen, dass nicht aufhört, sich zu drehen. Es wird immer schneller, die stumpfe Welt zieht in dunklen Streifen an mir vorbei und der Sicherheitsgurt klemmt – ich komme nicht raus. Finde keinen Ausweg, kann mich nicht befreien.
Helft mir, mir wird schwindelig.
Helft mir, meine Lider werden plötzlich so schwer.
Helft mir, meine eigene Dunkelheit greift nach mir, erdrückt mich.
Doch was sind Worte, was sind Gedanken, was sind Hilferufe schon, wo niemals jemand da sein könnte, um sie zu hören. Warum heißt es, Kommunikation wäre der Schlüssel, wenn niemand da ist, um mich richtig zu verstehen. Wenn niemand seine Ohren spitzt, um zu lauschen, ob in diesem finsteren Wald, dessen toxische Wurzeln sich durch den Erdboden schlängeln, noch ein stummer Schrei zu hören ist?
Manchmal, manchmal frage ich mich auch. Manchmal frage ich mich auch, was gewesen wäre, wenn Violet leben würde, anstelle von mir. Was wäre gewesen, wenn ich gestorben wäre, nicht sie. Würde sie auch durch diesen dunklen Wald laufen, kein Ausweg in Sicht? Würde sie auch über die schweren Wurzeln stolpern? Auf der Suche nach Antworten, die zwischen den wabernden Nebelstreifen stecken.
Kommunikation soll der Schlüssel sein.
Und was ist das Schloss?
Wie forme ich meine Worte zu dem Schlüssel und noch viel wichtiger: wo soll ich sie überhaupt einsetzen? Wer rettet mich, wenn ich drohe, zwischen all den ungesagten Zeilen zu ertrinken? Wie bin ich mein eigener Rettungsring, wenn ich in diesem stürmischen Ozean alleine bin? Und wie befreie mich von dem Anker, eiskaltes Metall, gefroren durch meine Schuldgefühle, dass mich immer weiter hinabzieht?
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LOVE LETTERS TO A STRANGER
Teen FictionLiebesbriefe an einen Fremden. »Wer bist du, hinter dem Blau deiner Tinte und dem Kratzen deines Stiftes? Wer bist du, wenn die Tinte verblasst und all unsere kleinen Briefe nichts als ein Nachhall vergangener Zeiten sind?« Honey Ambrosé ist stumm...