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17. - Zayn||"L-Louis? Ich - Wie? Woher?" Mit stotterndem, aufgrissenem Mund sah ich ihn ungläubig an. Woher kannte dieser Matt denn nur Louis? Ausgerechnet die noch immer lebende Nummer Dreizehn? Ausgerechnet diesen einen jungen Burschen - in wie vielen von Millionen von Fällen ist das denn möglich?

"Louis?", mischte sich nunmehr auch Dorothy ein. Fragend sah sie zu ihrem Sohn. "Redet er von deinem Patienten, über den auch im Fernsehen und Radio die Rede war? Der Louis, der erneut so plötzlich verschwunden war?" Summend mischte sich auch Percy ein. "Man sagt, sein Zimmer an der Uni hätte wie ein Schlachtfeld ausgesehen. Man hatte angenommen, dass der kleine Bengel durchgedreht sei. Einer der Polizisten im Nachrichtensender meinte, dass der Tag, an dem er verschwand, auch der Tag war, an dem er das erste Mal entführt wurde. Davon sollen seine Klassenkameraden allerdings nichts gewusst haben. Aber unser lieber Matt hier", mit einer Kopf- und Handbewegung auf seinen Sohn zeigend, der den Kopf mittlerweile gesenkt hielt, fuhr er fort, "hat den Kleinen ja immerhin psychologisch betreut."

Psychologisch betreut? Das hieße doch, dass vor mir der Mann saß, dem Louis am ehesten alles hiervon erzählt hatte. Von all unserem Dilemma. Dieser Mann hier vor mir wusste bereits von all dem Leid, welches die Menschen - gefangen in Harrys brutalen Klauen - alles durchmachen mussten. Dieser Mann kannte als Außenstehender jedes noch so kleinste Detail. Immerhin schätzte ich Louis als solch jemanden ein, der sich genau aus diesem Grund Hilfe geholt hatte. Einfach, damit ihm jemand zuhörte und nicht als verrückt abstempelte.

Ich fragte mich, was dieser Matt wohl auch alles über mich wusste. Hatte Louis ihm etwas über mich erzählt? Wenn ja, stellte er sich mich mittlerweile als einen Tyrannen wie Harry vor oder empfand er vielleicht sogar so etwas wie Sympathie? Um die Karten offen auf den Tisch zu legen - mich würde es nicht wundern, würde letztes der beiden Varianten nicht greifen. Denn im Endeffekt passte dieser Titel doch auch ebenso gut zu mir wie zu Harry. Obwohl, meinerseits passte Mörder doch wohl eher.

"Ja, das stimmt. Louis war mein Patient. Zwar nicht der jüngste, den ich je hatte, dafür allerdings mit Abstand der kaputteste von allen." Seine Stimme gedämpft während des Redens haltend, sah er noch immer nicht zu mir auf. "Das bemerkte ich bereits während unserer ersten Stunde gemeinsam in einem meiner Büroräumlichkeiten. Louis, er -", Matt hielt inne und faltete sich beide Hände ineinander, "war tapfer, daran hege ich keinerlei Zweifel. Soweit ich weiß, musste er selbst die Prozedur über sich ergehen lassen, sich einen von seinem damaligen Entführer - ja, Harry war sein Name - eingepflanzten Chip von einem der Ärzte im Krankenhaus entfernen zu lassen. Aber auch dieser kleine Vorfall machte ihn zu dem Menschen, der er heute war." Nunmehr sah Matt auf. Seine stechend blauen Augen trafen meine braunen. Bemitleidend war sein Blick, dennoch hegte sich in mir der Gedanke, auch etwas aufrichtiges in ihnen erkennen zu können.

"Louis, er ist ein atemberaubender junger Mann. Das, was er sich nicht zutraute laut auszusprechen, schrieb er in Geschichten nieder und teilte mir somit seine Gedanken mit, wenn ihn seine Stimme verließ. Allerdings, und dabei bin ich mir sicher, tat er dies nicht, um sich selbst dabei zu helfen. Louis schrieb die Dinge auf, weil er Angst hatte, er könnte sie eines Tages noch vergessen." Angestrengt biss er die Zähne aufeinander, verzog das Gesicht - fast so, als würde ihn ein Gedanke stetig plagen und quälen. "Louis war sehr - nun ja, beschreiben wir es mal als - detailliert. Das Verfassen von Gedankengängen war einer seiner Stärken, jedoch das Beschreiben von Dingen, die er sah und mitbekam, gelang ihm noch viel mehr. Ich hatte noch nie in meinem ganzen beruflichen Dasein als Psychologe solch verstörende Texte gelesen. Und das Erschreckende daran war, dass er sich nur dann wohlfühlte, wenn ich sie während unserer Therapiestunden vorlas. Er kannte jeden einzelnen seiner Phrasen auswendig und korrigierte mich sogar, wenn ihm etwas an meiner Betonung nicht gefiel. Da bemerkte ich das erste Mal, dass sein Trauma tiefer saß, als eigentlich angenommen."

Sein einziges ObjektWo Geschichten leben. Entdecke jetzt