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5. -Louis||Ich rannte, rannte in alle verschiedenen Richtungen und doch schien mir nur eine die Richtige zu sein. Und dies war der Ausgang, meine Freiheit und Flucht. Mein Rettungsort, wenn all dies zusammenbricht.

Panisch ließ ich meine Augen nach rechts und links gleiten, ließ sie hetzen und tränen. Ich ließ sie wandern, beobachten und untersuchen, doch all das, was ich sah, waren Fenster und verriegelte Türen, die lediglich verschlossene Zimmer waren und wofür ich, natürlich, nicht alle passende Schlüssel hatte.

Es könnte so leicht sein, hätte ich nur etwas als Wegweiser in diesem Labyrinth voller Erdrückung und Selbstzweifel. Ich würde jetzt, genau in diesem Moment, fliehen, doch leider blieb mir nichts anderes übrig als diesen Gedanken als Tagtraum abzustempeln und weiterhin meinen von Fallen besetzten Weg zu gehen.

Die erste Falle, die ich zu meinem Glück bemerkte, war eine hölzerne, angelehnte Tür, durch welche ich Stimmen, die eine tiefer als die andere, vernahm. Ich ordnete sie drei Männern zu, von denen ich hoffentlich nicht mehr als ihre Klänge zu hören bekommen würde.

Auf Zehenspitzen schlich ich mich leise an der Fensterseite entlang, ließ keinen von ihnen glauben, dass ich, Harry's Spielzeug, da war. Die Stimmen, sie wurden mit jedem noch so erdenklichem Schritt lauter. Der offene Spalt ließ sie rufend, fast schreiend wirken.

Ich setzte einen Fuß vor den anderen, umging die knarzenden Stellen des hölzernen Bodens und hoffte, dass ich nicht doch noch drauftreten würde.

"Vier Asse! Was sagst du dazu, Jack?", hörte ich einen von den drei bellen. Es wurde kräftig auf einen Tisch, vermutlich mit der Faust, gehauen, was mich zum Zusammenzucken brachte und mich stehen bleiben ließ. "Das ist Mist, du hast beschissen!"

"Du kannst mich mal, ich hab gewonn', also bekomm ich von dir meinen Preis!"

"Den Kasten Bier kannst du dir sonst wo hinschieben! Du Wichser hast die Karten getauscht, als ich pissen war! Und du, lach nicht so blöde!"

Entnervt rollte ich mit den Augen. Wegen einem Kasten Bier solch einen Aufstand zu veranstalten. Der Verlust muss riesig, herzzerreißend und wirklich erschütternd für alle Beteiligten sein.

Unbeirrt und kopfschüttelnd lief ich weiter, lauschte den blinden Stimmen im Raum neben mir. "Du hast den Spieleinsatz gesetzt, Jack. Und du hast verloren. Abmachungen umgeht und bricht man genauso wenig wie Versprechen. Ich bekomme meinen Gewinn, komme was wolle."

Ich lief weitere leise Schritte, war achtsam wo ich genau hintrat. "Der Wetteinsatz ist unnütz, leicht zu verbrauchen und besitzt keinen erschwinglichen Wert." Ich stoppte, spitzte die Ohren. Das konnte nicht sein. "Welchen schlägst du mir denn dann vor, mh?" Ist es wahr? Kann es sein? Grimshaw? "Wie wärs mit deinem Weib? Toller Wetteinsatz, wie ich finde."

Das ist unmöglich.

"Nein", sagte er, klang böse und vertieft,"sie ist kein Wetteinsatz wert. Sie verdient besseres als euch zwei Flachwichser."

"Besseres? Ha! Keinen Wetteinsatz wert? Selbst der eigene Bruder schiebt ihr den Schwanz in den Mund und sagst, sie sei keinen Wetteinsatz wert?"

Ich atmete. Heftig und laut. Sie bewegten sich. Gott bitte lass sie nicht aus diesem Raum kommen!

Meine Schritte vergrößerten und verschnellerten sich, voll von Panik und Eile. Ich lief und überwindete die knarrenden Bretter, die mir im Weg waren, doch leider Gottes als Boden dienten.

Er schnaufte beherzt, er, den ich kannte. Wieder waren Schritte zu hören, die mein Herz noch mehr zum Rasen brachten.

Ich gelangte an die nächste Tür, welche leider nur nebenan war und keuchte. "Ich werde jetzt pissen gehen", meinte er,"und falls ich dann noch ein Wort von euch beiden hirntoten, wandelnden Pilzköpfen über meine Frau sprechen höre, dann werdet ihr beide, und das garantiere ich euch, den morgigen Tag nicht mehr erleben." Und somit öffnete sich die Tür, ließ meinen Adrenalinspiegel höher als je zuvor steigen.

Gehetzt drückte ich die Türklinke hinunter, in der Hoffnung, dass diese offen war. Ich hatte Glück und huschte hinein, ehe mich jemand erkennen konnte. Als ich jedoch erkannte, dass die Toilette, von welcher er sprach, direkt nebenan war, überkam mich das nächste Gefühl des Übelseins, woraufhin ich schleunigst in eine der Kabinen flüchtete, den Klodeckel runterklappte, mich draufstellte und abwartete. Mein Atem ging flach, jedoch fast lautlos. Durch ein kleines Loch in der Tür, von welchem ich sicher war, dass man mich nicht sah, beobachtete ich, dass der Raum betreten wurde.

Leise ein Lied summend öffnete er seinen Hosenstall, woraufhin ich wegsah. Das Geräusch, das Plätschern, war genug, um mich unwohl zu fühlen. Ich mied schon immer öffentliche Toiletten, da ich mich davor ekelte und es einfach nur hasste.

Als er fertig war und ich endlich wieder hinsehen konnte, hatte er sich vor den Spiegel gestellt, den Wasserhahn aufgedreht und seine Hände darunter gehalten. Sein Blick wanderte hinauf. Von seinen Händen, zu seinem Hemd, bis hin zu seinem Gesicht. Der leichte Schimmer seiner Augen leuchtete durch die helle Beleuchtung der Lampe im Spiegel. Er war nicht glücklich, leicht bedrückt, wütend. Einfach voll und ganz unzufrieden mit sich selbst. Und wenn man mich jetzt fragen würde, wie und warum ich so etwas erkannte, dann würde meine Antwort darauf wohlmöglich diese sein: Einen Schreiber, Beobachter und Leser sind Gefühle anderer näher als so manch einer ahnen mag.

Der Mann, ein alter, nicht in guten Erinnerungen gehaltener Bekannter, rieb sich mit seinen vom Wasser befeuchteten Händen über das Gesicht, ließ seine Wimpern mit Tropfen verkleben, seine Mimik verdunkeln. Er mochte seinen Anblick nicht, dies sah man ihm an, er hasste förmlich sein Spiegelbild. Und der Grund, warum er das tat, war einfach und sehr leicht zu erkennen. Das Feuer vor drei Jahren brachte ihn nicht um. Es perfektionierte sein Gesicht, seine Erscheinung, in seinen ganz eigenen Wünschen.

Kyle Grimshaw, der Bruder meines früheren Helfers Alec Grimshaw, wurde gezeichnet durch vernarbte Verbrennungen in seinem Gesicht und geht somit als ein weiteres Opfer eines durchtriebenen Geistes ein.

Auch wenn ich jedem einzelnen Menschen, der Harry je half, darunter auch mir, Leid zuzufügen und ihm je helfen wird andere zu schaden, eine ebenso grausame Tat wünsche, würde ich ungern solche Schmerzen wie er erleiden müssen. Es zu ertragen, es auszuhalten, ist die eine Sache, damit zu leben die andere.

Kyle, der Bekannte, leckte sich über die Lippen, zog seine Stirn in Kraus. Man würde ihn bemitleiden, als starken und mutigen Menschen betiteln, würde er jemandem erzählen, wie er so entstellt werden konnte, doch Menschen, die anderen Leid zufügen und über ihre Tränen lächeln, traut und glaubt man nicht.

Er verschwand keine Sekunde später wieder aus der Tür, aus welcher er gekommen war. Ich wartete bis das Knarren des Holzes des Bodens nicht mehr zu hören war und schlüpfte anschließend aus der Kabine. Ich sah auf den Platz, auf dem er vorher noch stand und sah in den Spiegel in welchem er blickte. Mein nächster Gedanke war eine Frage, die sich mir stellte und welche lautete, wieso er das Licht angelassen hatte. Jedoch fiel mir nach kurzer Zeit auf, dass es von alleine anging, als ich den Raum betreten hatte, was hieß, dass das Licht der Lampe, der Sensor, auf Bewegungen reagierte. Sogleich überkam mich ein ungutes Gefühl und ich suchte schleunigst den Weg nach draussen auf.

Tonlos fiel die Tür ins Schloss, meine Hände und mein Atem zitterten, ließen mich nicht umsehen, nicht denken. Wieder war meine Achtsamkeit auf den Boden unter mir gerichtet, der erneut zu knarren drohte. Als ich jedoch doch ein Geräusch vernahm, obwohl ich mich keines Wegs bewegt hatte, schlug mir mein Puls bis zum Hals. Langsam drehte sich mein Kopf nach rechts, die Richtung, aus der ich am Anfang gekommen war. Die drei Männer standen dort, Kyle als Anführer. Links hinter ihm stand ein Kerl, der wie ein Eingeborener eines Urwaldes aussah. Schwarze, lange Raster, passend zu seinen Augen und seiner dunkel gehaltenen Hautfarbe. Rechts ein Braunhaariger, der das Aussehen eines Piraten hatte. Eine Augenklappe, ein weiteres, eisblaues Auge und eine ekelhaft genähte, allerdings schon lange verheilte, große Narbe am Kinn.

Sie grinsten, ich schluckte.

"Lauf."

Und so rannte ich.


Hell-o Objects😉✋
Ab jetzt beginnt der Spaß und ich habe schon äußerst gute Ideen, wie ich diesen umsetzen werde😄 seid gespannt und ich hoffe, ihr fiebert genauso mit wie ich😊

Bis die Tage

-♡

Sein einziges ObjektWo Geschichten leben. Entdecke jetzt