Ein einziger Fehler

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Es waren fast zwei Wochen vergangen. Nach der Obduktion der Leiche meiner Mutter kamen alle zum Schluss, dass es sich bei der Todesursache nicht um Fremdeinwirkung gehandelt hatte. Es war einfach nur eine Überdosis gewesen. Niemand war über die Umstände verwundert gewesen. Man sah den Leuten in der Stadt an, dass sie genau damit gerechnet hatten. Es war okay, ich war die Blicke gewohnt. Während die Menschen über die neuesten Ereignisse sprachen, hatten Leann, Keith und ich mit der Planung der Beerdigung begonnen. Meine Ersparnisse reichten gerade so dafür aus. Ich hatte mich für eine kleine Beerdigung entschieden, für mehr reichte das Geld nicht. Es gab aber auch nicht so viele Menschen, die ihretwegen erschienen wären. Wenigstens waren die Bewirtschaftungskosten für das Grab gering.

Mittlerweile durfte ich zurück in mein Haus, doch Keith hatte mich nicht darauf angesprochen, also ging ich auch nicht. Hier fühlte ich mich sicherer als in meinem Zuhause. Dort wäre ich vollkommen allein gewesen und wäre vielleicht auf die Idee gekommen, mir die Nachrichten meiner Mutter anzuhören. Jetzt, da ich mich halbwegs wieder im Griff hatte, wollte ich meine Gefühlswelt nicht wieder durcheinanderbringen. Ich hatte mir sogar eine neue Simkarte besorgt, sodass ich mein Handy wieder nutzen konnte. Auch ein paar neue Klamotten hatte ich gekauft, um nicht zurückzumüssen.

Just in diesem Moment klingelte mein Handy und zeigte mir den Namen meiner besten Freundin an. Wir hatten uns erst vor einer Stunde auf der Arbeit gesehen. „Hey Leann, was gibt es?", nahm ich den Hörer verwundert ab.

„Lass uns ins Royal Oak gehen. Es ist Freitag und du musst mal wieder vor die Tür", schlug sie vor.

Ich zögerte. Eigentlich wollte ich nicht mehr aus der Wohnung raus. Die Jogginghose an meinem Körper bewies mein Vorhaben nur. „Ich weiß nicht. Ich bin nicht in der Stimmung, um auszugehen", lehnte ich ihre Bitte ab. Leann schnaubte am anderen Ende der Leitung. „Schnapp dir Keith und kommt um neun zum Pub. Anna kommt auch. Du hast es versprochen", erinnerte sie mich an meine Worte. Ich seufzte auf. Wenn ich dort nicht auftauchte, käme sie hierher und schleppte mich persönlich mit. In dieser Situation war ich bereits gewesen. „Okay", stimmte ich daher zu. Wir hielten neun Uhr fest und verabschiedeten uns voneinander. Ich lief ins Wohnzimmer, wobei ich dort Keith bereits vollständig angezogen auf der Couch vorfand. „Du wusstest Bescheid, oder?", hakte ich wenig verwundert über seinen Aufzug an einem Freitagabend nach. Er schenkte mir ein leichtes Lächeln. „Sie hat mir gedroht mich zu entmannen, wenn ich dich nicht aus der Wohnung jage", gab er zurück. „Das klingt nach ihr", erwiderte ich und schenkte ihm ebenfalls ein Lächeln, um mich dann zurück ins Gästezimmer zu begeben. Ich hatte schon geduscht, also fischte ich nur eine schwarze Spitzenbluse und eine Jeans in der gleichen Farbe aus dem Schrank, ehe ich mich umkleidete. Ich flocht meine Haare zu einem dicken Zopf und legte nur etwas Mascara und durchsichtigen Lipgloss auf. Da ich nicht ausgehen wollte, musste ich mich auch nicht zurechtmachen. Leann musste mit meiner Erscheinung leben.

Als ich das Zimmer verließ, lehnte Keith im Flur an der Wand. Seine Augen überflogen meinen Körper, weshalb ich unbehaglich mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagerte. Ich kannte diesen Blick. Keith sah mich auf die gleiche Weise an, wie er mich angesehen hatte, wenn er Sex wollte. „Du siehst großartig aus", sagte er und blickte mir in die Augen. „Danke. Wollen wir?", versuchte ich uns beide aus dieser Situation zu befreien, dabei schlüpfte ich in meine Pumps. Keith nickte und schnappte sich den Autoschlüssel. „Ich fahre, dann kannst du trinken", bestimmte er. Das war neu. Sonst hatte ich fahren müssen, damit er trinken konnte. Ich zog die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts dazu.

Die Fahrt zum Pub verlief ruhig. Keith wagte immer wieder einen Blick in meine Richtung, schwieg sich jedoch aus. Ich wollte nicht wissen, was in seinem Kopf vorging. Er parkte den Wagen und half mir auszusteigen. Es erinnerte mich an unsere ersten Dates. Damals war er genauso zuvorkommend gewesen. Das war mit der Zeit weniger geworden. Gemeinsam gingen wir in den Pub. Ich sah mich um, konnte aber Leann und Anna nicht entdecken. „Die zwei sind noch nicht da, glaube ich. Da vorne ist ein freier Tisch. Sollen wir uns setzen?", fragte ich und drehte mich leicht zu Keith. Er nickte und legte mir eine Hand auf den Rücken, um mich sanft nach vorn zu dirigieren. Seine Hand auf meinem Rücken war nicht unangenehm, doch seine Berührung jagte keine Blitze durch meinen Körper, wie es Maximes Hände getan hatten. Mir war die Geste nur vertraut. Mir waren Keith Hände so vertraut, weshalb ich mich fragte, ob ich es mit Keith nicht einfach nochmal versuchen sollte. Vielleicht konnte ich so den anderen Mann aus meinem Kopf verbannen. Mein schlechtes Gewissen meldete sich. Ich wollte Keith nur benutzen. Jetzt, da wir wieder Freunde waren, konnte ich es ihm nicht antun. Sofort verwarf ich die Idee wieder.

Blindly FallenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt