MARLENE
Das Bier erfüllte seinen Zweck und ich merkte, wie mein Körper sich immer weiter entspannte. Eigentlich wollte ich Abstand zu den Spielern halten, da ich auf gar keinen Fall unprofessionell wirken wollte. Doch als der Alkohol durch mein Blutsystem zirkulierte und um mich herum Witze gerissen wurden, war mir mein eigentlicher Vorsatz komplett egal.
Erst, als ich aufstand merkte ich, wie mein Sichtfeld leicht verschwommen wurde. Wenn ich den Kopf drehte, kam das Bild erst einen Bruchteil einer Sekunde später an. Blitzschnell ließ ich mich wieder auf den Barhocker fallen und atmete tief durch.
Du bist betrunken. Mach dich jetzt bloß nicht zum Vollidiot!
Der letzte Anteil der nüchternen Marlene setzte sich in meinem Hirn durch und ich schaffte zu sagen: „Es wird spät, ich gehe lieber auf mein Zimmer um wenigstens noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen."
„Adam bringt dich, er ist auch schon so gut wie auf dem Weg nach oben." Olivers Stimme kam verzerrt bei mir an. Die Bedeutung seiner Worte konnte ich gar nicht wahrnehmen, als ich nickte und erneut vorsichtig von meinem Barhocker aufstand. Diesmal hielt ich mich dabei mit einer Hand am Tisch fest.
In einer hinteren Ecke meines Hirns kamen Verabschiedungen an und Claras Stimme, die mir eine gute Nacht wünschte. Mit langsamen Schritten bewegte ich mich durch die offene Tür der Bar und in die Richtung, in der ich die Aufzüge vermutete.
„Woah, alles gut?" Eine große warme Hand landete auf meinem Rücken, während die andere mich an der Schulter festhielt. Anscheinend hatte ich kurz das Gleichgewicht verloren.
Ich sah hoch und beobachtete Adam dabei, wie er mich mit einem fragenden Blick musterte.
„Lass die Finger von mir", zischte ich, sah mich kurz im Foyer des Hotels um und setzte dann wieder zu den Aufzügen fort.
Hinter mir wurde scharf Luft eingezogen und einen Moment später hörte ich Adam sich räuspern. „Hör zu, ich wollte nur, dass du dich nicht hier mitten im Hotel auf den Boden legst, ok? Mehr nicht."
Ich ignorierte seine Worte und drückte auf den Pfeil nach oben. Ihm vorzuspielen, dass ich gar nicht so betrunken war, würde wahrscheinlich die schwierigste Aufgabe an diesem Abend sein.
„Wirst du mich also jetzt immer ignorieren?"
„Ja", antwortete ich und verschränkte die Arme vor der Brust, als Adam mit mir in den Aufzug stieg. Die ruhigen Sekunden, bis wir das richtige Stockwerk erreichten, waren die längsten überhaupt. Ja, wir waren auf dem selben Stockwerk, nur ein paar Zimmer voneinander entfernt. Dieser Trip nach Minnesota war einfach nur super! Erst war ich während des Spiels so nervös, das ich kaum ein Wort rausbrachte, dann betrank ich mich mit der Mannschaft in der Hotelbar und jetzt brachte Adam mich auch noch zu meinem Hotelzimmer. Obwohl er nicht mal mit mir in mein Zimmer gehen würde. Nicht, dass ich das überhaupt wollte.
Die sich öffneten Türen erlösten uns endlich von der unangenehmen Stille und ich marschierte schnurstracks den Hotelflur entlang. Große Schritte hielten in meinem Windschatten mit mir mit.
„Läufst du mir jetzt auch noch hinterher?" Ich blieb plötzlich stehen, drehte mich zu Adam und schaute ihm in die Augen. Eine seiner Augenbrauen zuckte gleichzeitig mit seinen Mundwinkeln nach oben. Wie sehr ich dieses hübsche Gesicht hasste. Er machte es mir so schwer meinen Verstand nicht zu verlieren.
„Mein Zimmer ist da vorne." Er sah eine Sekunde von mir weg und zeigte mit seinem Finger ein paar Meter nach vorn auf eine dunkle Holztür. Oh. Wir waren so gut wie Hotelzimmer-Nachbar.
Ich verlagerte mein Gewicht von einem Bein aufs andere, als meine Finder zur meiner Halskette wanderten und mit ihr spielten. „Oh", sprach ich meine Gedanken nun laut aus.
„Was habe ich eigentlich getan, dass du mich nicht ausstehen kannst?" Seine Frage überraschte ich und die nüchterne Marlene kämpfte sich den Weg in meinem Hirn zurück, um mal wieder die Kontrolle zu übernehmen.
„Ich habe nie gesagt, dass ich dich nicht ausstehen kann."
„Nein, aber du gehst mir ständig aus dem Weg und wenn wir uns dann mal sehen behandelst du mich so, als hätte ich jemanden umgebracht oder so."
Ich schluckte schwer und zog etwas an meiner Kette, sodass ich sie schon fast von meinem Hals riss. „Es gehört sich einfach nicht, dass ich mit dir rede."
„Das ist das dümmste, was ich je gehört habe."
„Was?" Ich sah zu ihm auf und beobachtete, wie ein Schmunzeln auf seine Lippen wanderte, während er seine muskulösen Arme vor der Brust verschränkte. Ich war ja der Meinung, dass er nicht die Erlaubnis haben sollte Shirts zu tragen, in denen sich seine Muskeln abzeichneten. Das war einfach nicht fair. Wer sollte so noch einen kühlen Kopf behalten?
„Du hast mich schon verstanden. Deine Ausreden sind schwachsinnig. Du kannst mich einfach nicht leiden und ich wüsste gerne wieso. Was hab ich falsch gemacht?"
Als ich nicht antwortete und auf den Boden zwischen uns starrte, hörte ich seine Stimme erneut. „Wir wollten doch beide nur eine Nacht, oder? Es tut mir leid, wenn du damals mehr wolltest, ich dachte einfach nur, dass wir beide halt..."
„Du hast nichts falsch gemacht", unterbrach ich ihn.
Adam vergrub seine Hände in den Jeanstaschen, als er mich ansah und darauf wartete, dass ich mehr sagte. „Was ist dann los? Fandst du die Nacht so scheiße? Wenn du willst, dann beweise ich dir, dass man mit mir echt Spaß haben kann." Sein jungenhaftes Grinsen wurde immer größer, als ich ihn mit finsterer Miene beobachtete.
„Oh mein Gott, hör auf." Adam zuckte nur mit den Schultern und grinste weiter vor sich hin. „Genau das darf zwischen uns nicht passieren."
Das Grinsen wich von seinem Gesicht. „Du willst also nicht mehr mit mir schlafen? Deswegen behandelst du mich wie den letzten Abschaum? Du kannst mir doch einfach sagen, wenn du nicht von mir willst. Glaub mir, ich werde es schon verkraften."
„Nicht nur das. Dieses Praktikum ist die größte Chance, die ich je in meinem Leben bekommen habe. Wenn rauskommt, dass ich was mit dem Quarterback hatte, dann sind das eben Schlagzeilen. Und die Gerüchte, dass wir immer noch miteinander schlafen würden, würden dann auch nicht mehr lange auf sich warten. Ich würde alles verlieren. Meinen Praktikumsplatz und die Chance, nach dem College so einen Job zu haben." Ich atmete tief durch und strich mir mit der Hand durch meine braunen Haare. „Und hey, ich behandle dich nicht wie Abschaum!"
Betrunkene und nüchterne Marlene kämpften in meinem Hirn um die Kontrolle und in den Sekunden, in denen betrunkene Marlene gewonnen hatte, streckte ich die Hand aus und schubste ihn spielerisch gegen die Brust. Seine Hand umfasste mein Handgelenk und in dem Moment hatten betrunkene und nüchterne Marlene definitiv verloren. Ich weiß nicht, ob mein Hirn überhaupt noch funktionierte, als mir die Luft in der Lunge steckenblieb und die Stelle, an der er mich berührte, sich wärmte.
Meine Hand lag auf seiner Brust, seine Hand um mein Handgelenk, als er mir in Augen sah und auch noch mit seiner anderen Hand mir eine Haarsträhne hinters Ohr strich, vergaß ich einfach alles. Mein Herz stolperte in meiner Brust, mein Mund wurde ganz trocken. Wenn er mich jetzt küssen würde, dann wäre es vorbei. Ich hätte nichts mehr dagegen. Wollte einfach nur noch ihn.
„Wieso machen wir nicht eine Abmachung?" Ich war wie hypnotisiert von seinen Augen und wartete auf die nächsten Worte. „Ich sorge schon dafür, dass keiner was von uns erfährt und du behandelst mich so wie jeden anderen im Team."
Wir sahen uns ein paar Sekunden in die Augen und wahrscheinlich würden sich Freunde niemals so ansehen, doch trotzdem nickte ich und schaffte es sogar ein Lächeln zu formen. „Einverstanden. Also einigen wir uns auf Freundschaft?"
Adam nickte uns ließ meine Hand los. Die Wärme, die ich zuvor noch in meinem ganzen Körper spürte, verschwand.
DU LIEST GERADE
Second Chances | ✓
ChickLitMarlene hat es geschafft. Sie hat ein Praktikum bei der aufstrebenden NFL Mannschaft, den Chicago Wolves, ergattert. Doch ist ausgerechnet Adam, mit dem sie vor zwei Jahren eine Nacht verbracht hat, als Quarterback die große Hoffnung für die Footbal...