DREIZEHN

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ADAM

Eine leichte Berührung auf meiner Brust riss mich sanft aus meinem Schlaf. Die Sonne schien durch die bodentiefen Fenster und ich war so entspannt, wie lang nicht mehr. Mein Arm war eng um einen Körper geschlungen. Erst, als ich die Berührung wieder spürte, kamen die Erinnerungen von letzter Nacht zurück.

„Ich kann wieder in meine Wohnung", hörte ich Marlene sagen. Jetzt viel mir erst wieder ein, wieso wir überhaupt in diese Situation gekommen sind.

Ich brummte und rieb mir über die Augen.

„Am Empfang liegt eine neue Schlüsselkarte für mich bereit."

Ich brauchte einen Moment, um richtig wach zu werden und ihre Worte zu registrieren. „Woher weißt du das?", fragte ich sie.

Marlene ließ ihre Hand wieder über meine Brust streichen. „Ich habe vorhin unten angerufen. Da hast du noch geschlafen wie ein Stein."

Das war eigentlich ungewöhnlich. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal eine Nacht durchgeschlafen habe. Normalerweise wurde ich unzählige Male mitten in der Nacht wach und jedes kleinste Geräusch riss mich aus meinem Schlaf. Außer heute. Mit Marlene an meiner Seite war mein Schlaf anscheinend so tief und erholsam, dass sie ganze Telefonate führen konnte, ohne dass ich es mitbekam.

„Heißt das du willst mich jetzt schon verlassen?", murmelte ich und schlang den Arm, den ich bereits um ihren Rücken gelegt hatte, fester um sie.

Marlenes Hand blieb still auf meinem Brustkorb liegen. Genau dort, wo mein Herz raste. „Ich habe noch ein bisschen Zeit, bevor ich mich für die Arbeit fertigmachen muss."

Aus dem Augenwinkeln erkannte ich die Urzeit auf meinem Wecker. Auch ich hatte noch genügend Zeit, bevor ich im Stadion sein musste, um mich auf das Spiel vorzubereiten.

Erinnerungen an letzte Nacht spielten sich vor meinem inneren Auge wieder. Zu gern hätte ich sie hier und jetzt wieder genommen.

„Adam." Ihre Stimme war leise.

„Marlene."

Sie richtete sich ein wenig auf, um mir in die Augen zu sehen. Ihre Haare landeten zerzaust auf meinem Shirt, das ich ihr letzte Nacht geliehen hatte und ich war in dem Moment fest davon überzeugt, dass ich noch nie etwas Schöneres gesehen hatte. „Denkst du wir haben einen Fehler gemacht?"

„Nein."

„Adam, bitte. Wenn rauskommt, was wir letzte Nacht getan haben, bin ich alles los."

Ich stich mir mit einer Hand meine Haare aus der Stirn und begann mit der anderen Hand Kreise auf ihren Rücken zu zeichnen. Ich wollte sie beruhigen, irgendwie. Auch wenn ich nicht wusste, wie ich das anstellen sollte. „Niemand wird irgendwas erfahren."

Das war also meine lahme Antwort. Bevor sie wieder begann alles zu überdenken, fügte ich schnell hinzu: „Glaub mir, Marlene. Ich werde niemanden etwas von uns erzählen. Wirklich keiner wird irgendwas von uns erfahren, wenn wir uns einfach weiterhin in unseren Wohnungen treffen." Ich machte eine kleine Pause und atmete tief durch. „Ich kann aber auch verstehen, wenn dir das alles zu viel wird. Dann warte ich."

„Worauf willst du warten?", fragte sie und ignorierte den Rest meiner Rede. Sie ließ mich nicht aus den Augen, als sie auf meine Antwort wartete.

„Auf dich. Bis dein Praktikum vorbei ist. Denn das ist glaube ich das Einzige, was sich deiner Meinung nach zwischen uns stellt."

*

Mein Leben war perfekt. Nein wirklich, das war es. Ich hätte niemals gesagt, dass ich mich jemals an diesem Punkt befinden würde, aber alles fühlte sich einfach genau richtig an. Ich meinte das Schicksal würde alles für mich in die Wege leiten, mich in den letzten Wochen besonders mögen.

Ich war der festen Überzeugung, dass Marlene eine magische Wirkung auf mein Schicksal ausübte. Nicht nur, dass sie irgendwie wieder ihren Weg in mein Leben gefunden hatte. Sondern auch, dass sie sich als meinen persönlichen Glückbringer herausstellte.

Mein erstes Spiel im Stadion der Wolves war unglaublich. Ich warf Pässe, von denen ich zuvor nur geträumt hätte. Das wichtigste war, dass ich die Fans von mir überzeugen konnte. Und das nicht durch irgendwelche belanglosen Interviews oder Pressetermine, sondern durch mein Können auf dem Rasen.

Die Menge verließ euphorisch das Stadion, nachdem ich mein erstes Heimspiel für die Chicago Wolves entscheiden konnte.

Und auch danach fiel mir etwas auf: Jedes Mal, wenn ich die Zeit vor einem Spiel mit Marlene verbachte, gewannen wir. Das konnte kein Zufall mehr sein.

Diese ganze Sache, dass Marlene nun mein persönlicher Glückbringer war, wäre sicherlich ein guter Grund gewesen, sie noch öfter zu sehen und noch mehr Zeit mit mir zu verbringen. Doch wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst war, war mir dieser Grund vollkommen egal.

Ich mochte Marlene. Wie sie ihre Augen zusammenkniff, wenn sie lachte, oder wie sie mich mit großen Augen beobachtete, wenn ich ihr etwas erzählte. Alles an ihr ließ mein Herz höherschlagen und wenn ich gerade nicht Zeit mit ihr verbachte, zählte ich schon die Stunden, bis ich sie wiedersah.

Und in genau diesen Momenten wusste ich, dass ich die Sache mit Marlene nicht locker angehen lassen konnte. Die Zeiten, in denen ich im College eine Nacht mit einer Frau verbracht hatte, um sie dann nie wieder zu sehen, waren vorbei. Da war ich mir nun eindeutig sicher.

Marlene war meine höchste Priorität und zum ersten Mal in meinem Leben wollte ich ein guter Mensch sein und alles richtigmachen. Das war sie wert.

Second Chances | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt