ACHT

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ADAM

„Nein Mom, das wird er nicht machen. Auf keinen Fall." Ich saß gerade im Speisesaal der Chicago Wolves und stocherte in meinem Salat rum, als ich mit meiner Mom telefonierte.

„Es ist doch nur ein kurzes Interview. Bitte Adam, ich kann mich vor den ganzen Anfragen nicht mehr retten. Vielleicht lassen sie locker, wenn wir doch nur einmal zusagen." Ihre Stimme war völlig leer von Emotionen. Aber vielleicht lag das auch nur an der schlechten Verbindung.

„Nein."

„Adam, bitte."

„Wieso? Damit Dad mal wieder mit seinem ach so wunderbaren Sohn angeben kann? Vielleicht kann er mal den Ruhm ausnutzen, wenn er es auch verdient hat."

Einige Sekunden hörte ich meine Mom nur Atmen und ich wusste, dass ich bald auflegen konnte. „Denk doch nochmal drüber nach, er wird auch schon nichts Schlechtes über dich sagen."

„Hm", brummte ich. Meine Angst war nicht, dass Dad irgendwas Schlechtes über mich behaupten würde. Meinetwegen könnte er der ganzen Welt verkünden, was für ein fürchterlicher Kotzbrocken ich als Kind war. Er sollte sich einfach aus meinem Leben raushalten und nicht meinen Erfolg als seinen ansehen. „Ich muss los Mom."

„Wir reden nochmal", antwortete sie, doch ich war mit den Gedanken plötzlich an einem ganz anderen Ort. Ein paar Meter von mir entfernt packte Marlene gerade einen Salat ein und drehte ich zum Ausgang des Speisesaals. „Mach's gut", hörte ich meine Mom sagen, als mein Daumen schon auf dem roten Symbol des Displays landete.

Mit schnellen Bewegungen stand ich auf, nahm mein Tablett, stellte es in den kleinen Servierschrank für benutzest Geschirr, und eilte zum Ausgang, in der Hoffnung Marlene nicht verpasst zu haben.

„Hey!", rief ich, als ich ihre braunen Haare entdeckte. Sie trug sie heute in einem Zopf, der bis zu ihren Schultern reichte und die nackte Haut ihres Nackens kitzelte. Wie gern ich doch nur Küsse genau dort verteilt hätte. Mein Blick wanderte ihren Körper hinab, als sie sich zu mir drehte. Eine schwarze Stoffhose und eine beige Bluse hingen perfekt an ihrem Körper. Mit Mühe brachte ich mein Gehirn dazu nicht den Verstand zu verlieren und zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht, als ich ihr in die Augen sah.

Ich räusperte mich. „Verfolgst du mich jetzt schon?", hörte ich ihre Stimme, bevor ich die Chance hatte etwas zu sagen.

„Gib's zu, das würdest du dir doch wünschen." Das verspeilte Grinsen wuchs auf meinem Gesicht. Es machte mir Spaß zuzusehen wie meine Worte Wirkung bei ihr zeigten. Ihre Augenbrauen wanderten auf ihrer Stirn herab und ihre Lippen krausten sich. „Aber hey, wenn du Lust hast folg ich dir überall hin."

Kopfschüttelnd drehte sie sich von mir weg und lief weiter, bis sie schon fast den Ausgang des Gebäudes erreichte. Ein paar große Schritte brachten mich wieder auf ihre Höhe. Meine Hand wanderte zum Türgriff und ich hielt sie für sie auf, bevor sie an mir vorbeilief und nach Draußen ging. „Sagst du mir nicht einmal danke?", rief ich ihr zu.

„Nein", kam es trocken von ihr zurück.

„Und wieso nicht?"

Plötzlich blieb Marlene stehen, mitten auf dem Bürgersteig, und starrte mich an. „Weil du genauso bist, wie ich es erwartet hatte."

Verwirrt schüttelte ich den Kopf. „Wie bin ich denn?"

„Du hältst dich nicht an unsere Abmachung. Freunde, stimmt's? Was sollen dann die ganzen dummen Sprüche? Oder eben, als du mir zugerufen hast, dass es auch der Letzte Mensch in diesem Gebäude mitbekommt, dass wir uns kennen?" Ihre Augen funkelten, als sie mit ihrer freien Hand zu dem Gebäude zeigte, das wir vor wenigen Sekunden verlassen hatten.

Ok ich gebe es zu, ich habe mich letzte Woche scheiße benommen. Nachdem ich mit Marlene im Hotelflur den Deal ausgemacht habe, habe ich ihn auch direkt schon bereut. Jedes Mal, wenn ich sie seitdem gesehen habe, kamen irgendwelche dummen Komplimente oder Anspielungen von mir. Meine Schuld. Aber ihr zuzurufen, dass wir uns ganz normal Unterhalten können? Das ist doch unter Freunden vollkommen normal.

Ich brauchte zu lange um zu antworten, denn Marlene schüttelte den Kopf, drehte sich wieder um und lief davon. Mittlerweile machte ich tatsächlich den Eindruck ihr hinterherzulaufen. Aber sie lief nun mal genau in die Richtung, in die ich auch wollte. Nach Hause.

„Das ist nicht dein verdammter Ernst, oder?", rief sie mir nach einigen Sekunden der Stille, in denen wir gemeinsam über den Gehweg liefen, zu. „Du läufst mir echt hinterher."

Es passierte einfach so, ohne dass ich darüber nachdenken konnte. Ein lautes Lachen brach aus mir heraus, als sie mich weiterhin böse anfunkelte und die Arme vor der Brust verschränkte. Ich sah von ihr weg, als sich ihr Dekolletee perfekt vor mir zeigte und schloss lachend die Augen.

„Ich laufe nach Hause, ich hoffe das darf ich noch", antwortete ich, als ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte.

Marlene drehte sich von mir zu dem einzigen Gebäude, zu dem ich hätte laufen können und sah mich dann wieder erschrocken an. „Sag mir nicht, dass du dort lebst." Ihr Finger zeigte auf das Hochhaus, das durch Fensterfassaden geschmückt war.

„Home, sweet, home", murmelte ich, ging ein paar große Schritte auf das Haus zu und drückte die große Glastür auf. Marlene trottete ein paar Meter hinter mir her. „Was verfolgst du mich etwa?", fragte ich sie, als sie diesmal hinter mir stand.

„Ich wohne auch hier, du Depp."

„Na dann, hereinspaziert liebe Nachbarin."

Marlene lief durch die Tür, die ich für sie Aufhielt und ging zielstrebig auf die Aufzüge zu. Mein Herz pochte auf einmal schneller, als ich meinte ihre Mundwinkel nach oben zucken gesehen zu haben.

„Welches Stockwerk?", fragte sie mich, als ich einen der Aufzüge hinter ihr betrat.

„Zwölf."

„Nicht dein Ernst."

Ich sah zu ihr und beobachtete, wie sie mich mit großen Augen ansah, ihre Finger schwebten neben den Knöpfen.

„Was, findest du die Zahl zwölf so beschissen?", fragte ich sie belustigt.

„Nein du Schlaumeier, ich wohne im selben Stockwerk."

Ein kleines Lachen entfuhr mir, als ich meine Baseballcap anhob, mir kurz durch die Haare fuhr und sie mir dann wieder mit dem Schild nach hinten aufsetzte. „Krass, die heißeste Bewohnerin in diesem Gebäude wohnt im selben Stockwerk wie ich."

„Dieses Freundschafts-Ding zwischen uns wird niemals funktionieren."

„Sag doch sowas nicht, babe. Ich kann mich benehmen", sagte ich und wusste dabei selbst, dass es gelogen war.

„Willst du aber nicht", entgegnete sie und jeder Anschein von einem humorvollen Unterton war aus ihrer Stimme verschwunden.

Die Türen des Aufzugs öffneten sich vor uns und wir wurden vom zwölften Stockwerk begrüßt. „Ich muss mich entschuldigen", meinte ich.

„Definitiv", kam es von ihr, als sie in ihrer Tasche nach dem Schlüssel kramte.

„Ich hab gestern echt gute Brownies aus dem Speisesaal mitgehen lassen. Hast du Lust?", fragte ich und zeigte auf meine Wohnungstür in der Hoffnung sie würde meine Einladung annehmen.

Marlene sah zwischen meiner Tür und einer anderen – bei der ich vermutete, dass es sich um ihre eigene handelte – hin und her. „Das ist glaube ich keine gute Idee."

„Komm schon, Freunde essen doch zusammen Brownies. Das ist ganz normal."

Sie hielt ihren Zeigefinger in die Höhe und sah mich mit zu Schlitzen geformten Augen an. „Keine dummen Bemerkungen oder Witze. Wir sind nur Freunde. Nicht mehr."

„Versprochen", antwortete ich, doch ich wusste die ganze Zeit schon, dass ich niemals mit ihr befreundet sein könnte. Ich würde immer mehr wollen.

Second Chances | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt