Teil 7

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Tag 3, später am Morgen

Während ich mir die vergangenen Tage durch den Kopf gehen ließ, waren wir inzwischen am See angekommen. Als ich mich nun dem Soldaten näherte, schlug er die Augen auf und ratlos blieb ich stehen. Im Grund genommen hätte ich eigentlich damit rechnen müssen und es war dumm gewesen, dass ich mich nicht darauf vorbereitet hatte. Was sollte ich nun tun, was sagen? Auch er sagte nichts, starrte mich nur an. Es war kein aggressiver Blick, sondern er gab eher Verwirrung preis.

Ich strich die schweißnassen Hände am Rock ab. „Nun sei nicht so ängstlich", schimpfte ich leise mit mir. „Was kann dir schon passieren?" Er hatte keinerlei Waffen mehr und war obendrein verletzt. Ich gab mir einen Ruck und trat auf ihn zu und, all meinen Mut zusammen nehmend, hob seinen Kopf an, wie ich es auch die vergangen Tage getan hatte, um ihm einen Krug mit Wasser an die Lippen zu setzen. Meine Hand zitterte vor Aufregung. Sobald er ausgetrunken hatte und ich seinen Kopf wieder auf das Moos sinken ließ, schloss er ermattet die Augen. Gerade als ich mich nach einem langen Blick auf ihn wieder aufrichtete, öffnete er seine Augen und blickte mir nach, als ich zu Marianka ging.

„Hast du gesehen, dass der Deutsche jetzt aufgewacht ist?", flüsterte ich in ihr Ohr, während ich ihren Hals streichelte. „Und er macht gar keinen so schrecklichen Eindruck, wie ich gedachte hatte".

Ich schwang mich auf Mariankas Rücken und ritt fort, ohne mich noch einmal umzudrehen. Dieses Mal spürte ich nicht so viel Gelassenheit wie an den vergangen Tagen. Es war etwas deutlich anderes, einem wachen Menschen aus dem Feindesland gegenüberzustehen, als einer Person, die kaum bei Bewusstsein war. Ich versah die Tagesarbeit, war aber nicht recht bei der Sache. Immer wieder flogen meine Gedanken zu dem verletzten Soldaten. Sollte ich mich wirklich weiter um ihn kümmern? Ich könnte auch sofort eine Nachricht an den Gebietskommissar übermitteln.

Doch ich spürte eine gewisse Abenteuerlust in mir, denn diese Sache zerschnitt auf angenehme Weise die Monotonie der Arbeitstage. Nun war er also aufgewacht und ich hatte es nicht mehr mit dem Schatten einer Person zu tun, sondern mit einem leibhaftigen Menschen. Und solange er noch verletzt und geschwächt war, würde er mir nicht gefährlich werden können. Ich fühlte ein wenig Neugier, auf einen Menschen, von dessen Volk ich nur Schreckliches gehört hatte. Es war nicht nötig, ihn jetzt zu melden. Das konnte ich jederzeit später machen.

Schicksal ist, was dir passiertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt