Teil 4

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„Ich hole mal wieder Herrn Ackermann rein, okay?“ Abwesend nicke ich. Frau Zoe steht auf und winkt Herrn Ackermann wieder rein. Mein T-Shirt habe ich immer noch nicht wieder an. „Sagst du uns bitte die Wahrheit? Wir werden niemanden etwas sagen, wenn du das nicht willst. Wirst du von Yelena misshandelt?“ Frau Zoe setzt sich genau neben mir hin. „Allein der Biss hier…“ Sie streicht über meine Schulter. „Der ist doch nur ein paar Stunden her, oder? Hast du dich in der ersten Stunde mit Yelena getroffen, wo du so lange weg warst?“ Ich weiß nicht was mit mir los ist, aber ich nicke. „Also misshandelt sie dich?“ „Ja.“, flüstere ich so leise wie möglich. „Seit wann?“, will Herr Ackermann wissen. „Fünf Monate.“ „Warum hast du dich nicht einfach getrennt?“ „Weil mich niemand so lieben könnte, wie sie mich liebt, ich sie nicht verletzen möchte und sie mich dann noch mehr schlagen würde. Außerdem liebe ich sie.“ Meine Lehrer sehen mich schockiert an. „Du liebst sie trotzdem?“, hakt Frau Zoe nach. „Ja.“ „Nina… Sie hat deine Zuneigung nicht verdient.“ „Aber Yelena ist nicht immer so. Manchmal ist sie auch richtig süß zu mir.“ „Wie kannst du nach den ganzen Wunden noch so über sie reden?!“, fragt mich Herr Ackermann verständnislos. „Levi, bitte…“ Frau Zoe deutet ihm, dass er schweigen soll. Er verzieht zwar das Gesicht, aber hält seinen Mund. „Wir können dich natürlich nicht zwingen, dich von ihr zu trennen. Aber liebst du sie wirklich so sehr, dass du die Gewalt akzeptieren willst?“ Ich zucke mit den Schultern. Ich weiß es nicht. „Wir versorgen jetzt erstmal deine Wunden. Komm bitte mit ins Sanitätszimmer.“ Ich ziehe mein T-Shirt wieder drüber. „Levi, ich glaube es ist besser, wenn Nina und ich das allein machen.“ „Du hast recht.“ Frau Zoe und ich gehen ohne Herr Ackermann ins Sanitätszimmer. „Wo hast du überall Wunden?“ „Beine, Arme, Oberkörper…“ „Noch irgendwo?“ Beschämt sehe ich zu Boden. „Nina. Es ist okay, wenn du es mir sagst.“ „An meinen Brüsten…“ „Dann zieh dich bitte aus.“ Ich fahre aus meinen Schuhen, ziehe meine Jeans aus, streife mein T-Shirt vom Körper und öffne meinen BH. „Wie frisch ist das am Bein?“ „Eine Stunde…“ „Was?! Setz dich bitte mal auf die Liege.“ Nachdem ich mich hingesetzt habe, wickelt Frau Zoe den Verband ab. Nachdem sie die Kompressen gelöst hat, zieht sie scharf die Luft ein. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Hat Yelena ihren Namen in dein Bein geschnitten?“ Ich schweige. Seufzend beginnt sie die Wunde zu desinfizieren, einzusalben und neu zu verbinden. Die ganzen Verletzungen auf meinem vorderen Oberkörper cremt sie vorsichtig ein. „So, du kannst dich wieder anziehen.“ „Danke.“ Schnell streife ich mir wieder meine Klamotten über. „Ich würde mir gerne ab jetzt jeden Tag deine Wunden ansehen. Kannst du frühs zehn Minuten eher kommen, damit wir das vor dem Unterricht machen können?“ „J-Ja, natürlich.“ „Was willst du mit Yelena machen? Willst du das einfach so weiterlaufen lassen?“ „Ich weiß, dass Sie das nicht verstehen können, aber ich kann sie jetzt nicht verlassen. Immerhin liebe ich Yelena… Egal wie sie mich schlägt.“ „Ich werde dir da nicht reinreden. Das ist deine Sache. Aber ich hoffe, dir ist klar, dass ich eigentlich deinen Erziehungsberechtigten Bescheid geben und es dem Schuldirektor melden müsste. Aber ich glaube, damit wäre dir nicht geholfen. Deswegen behalte ich es für mich. Wenn du Wunden hast, kümmere ich mich darum. Und solltest du jemals den Wunsch haben, Yelena zu verlassen und brauchst deswegen Hilfe, bin ich für dich da.“ Zum ersten Mal seit Monaten habe ich das Gefühl, dass mich jemand versteht. Meine Freunde wären zwar auch immer da, aber mit ihnen kann ich darüber einfach nicht reden. Aber jetzt habe ich jemanden… „Danke, Frau Zoe.“ „Wenn wir nicht im Unterricht sind kannst du mich auch gerne Hanji nennen.“ „Dann danke, Hanji.“ Erleichtert lächle ich sie an. Die ganze Anspannung, die sich in den letzten Monaten aufgebaut hat, fällt zum Teil von mir ab, weswegen ich weinen muss. „Komm mal her.“ Behutsam zieht mich Hanji in eine sanfte Umarmung. Ich lege meinen Kopf auf ihrer Schulter ab und weine einfach weiter. Beruhigend streicht sie mir über den Rücken. Nach einiger Zeit lösen wir uns wieder voneinander. „Ich glaube, ich sollte langsam mal gehen. Es ist ja schon halb vier.“ „Du hast recht. Wir sehen uns morgen früh, hier vor dem Zimmer?“ „Ja, vielen Dank nochmal.“ „Gerne.“ Etwas besser gelaunt, verlasse ich das Schulgebäude. „Nina! Da bist du ja endlich!“ Verwundert betrachte ich Connie, Sasha und Jean, die grinsend vor mir stehen. „Was macht ihr denn noch hier?“ „Wir wollten auf dich warten. Du bist doch heute Abend garantiert auch bei der Party von Zeke und Eren, oder?“, fragt Jean hoffnungsvoll. „Ja, klar.“ „Wir wollten dich fragen, ob wir drei und Marco danach bei dir übernachten können?“ „Sicher. Aber warum wollt ihr nicht gleich im Jäger-Haus bleiben? Eren und Zeke haben doch garantiert nichts dagegen.“ „Das schon. Aber Eren macht doch garantiert die ganze Nacht mit Mikasa rum und Zeke nervt auch nur. Und bei dir könnten wir noch einen Film gucken und in Ruhe ausnüchtern.“, erklärt Connie, während er sich am Hinterkopf kratzt. „Bitte sag ja! Bitte, bitte, bitte!“ Sasha packt meine Hand und schüttelt mich ordentlich durch. „Ist ja schon gut. Ja, ihr könnt bei mir schlafen.“ „Super!“ Jean gibt Connie ein Highfive. Erst jetzt fallen mir ihre großen Sporttaschen auf. „Habt ihr eure Sachen etwa schon mitgenommen?“ „Ja!“, erwidern die drei lachend. „Also echt…“ Ich seufze. „Wann kommt Marco?“ „Der wollte selbstständig zur Party gehen und dann mitkommen.“ „Okay. Na dann lasst uns gehen.“ Zu viert laufen wir zu mir nach Hause. Auf dem Weg fotografiere ich wieder verschiedene Pflanzen und andere Motive. Auch meine Freunde müssen öfters vor die Linse. Ich liebe es, Menschen zu fotografieren, die mir viel bedeuten. Warum habe ich das Gefühl, dass ich Hanji fotografieren muss? Seltsam… Nach einer viertel Stunde sind wir bei mir angekommen. Meine Wohnung ist nicht sonderlich groß, aber zum Schlafen haben wir genug Platz. Auf meinem Hochbett haben zwei Personen Platz, immerhin ist es so groß wie ein Ehebett. Und wenn ich mein Sofa ausziehe, haben da auch locker drei bis vier Personen Platz. „Morgen ist der letzte Schultag, Leute! Dann haben wir zwei Wochen frei!“ Fröhlich stimmen Jean und Sasha Connie zu. Ich lächle zwar, aber eigentlich habe ich Angst vor den zwei Wochen. Yelena… Ob sie wirklich die ganze Zeit bei mir verbringen wird? Ich hoffe irgendwie nicht. Kurz vor um sechs machen wir uns fertig. Was soll ich nur anziehen? Eigentlich hätte ich voll Lust auf mein langes Blütenkleid, aber Yelena mag es nicht sonderlich, weil man durch das Kleid nicht so viel Haut sehen kann. Also entscheide ich mich für meinen knielangen, schwingenden, gelben Rock und mein enges weißes T-Shirt, mit den Zitronen darauf. Als Schuhe wähle ich meine weißen Sneaker aus. Meine Haare stecke ich zu zwei Dutts nach oben. „Wow, Nina! Yelena wird in Ohnmacht fallen!“, meint Sasha überzeugt. „Danke. Du siehst aber auch toll aus!“ Wir drehen uns zu den Jungs. „Und was ist mit uns?“, fragt Connie neugierig. „Naja… Also Löcherjeans und ein Oversized-Shirt ist jetzt nicht gerade typische Partykleidung.“, meint Sasha lachend. „Und ob! Du bist ja nur neidisch, weil wir so gut aussehen.“, entgegnet Jean selbstbewusst. „Wenn du dich so besser fühlst… sollst du das auch ruhig glauben.“

You're toxic! (Yelena x OC x Hanji)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt