Kapitel 12 Karnossa, der Gebieter

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Dark lag mit geöffneten Augen auf der Pritsche und sah an die Decke. Wie sollte man sich verhalten, wenn man wusste, dass man sterben würde. Versuchen, zu fliehen, weil man ja sowieso sterben würde? Mit hoch erhobenen Hauptes in den Tod gehen? Versuche um Gnade zu flehen? Er wusste es nicht. Er wusste so viel nicht. In Scarntis hatte man ihn respektiert und teilweise sogar gefürchtet, weil er so viel wusste, aber im Vergleich zu dem, was in den Weiten dieser Welt wartete, war das nichts. Im Grunde genommen wusste er NICHTS.

Er hatte geschlafen, nicht lange, aber doch lange genug, um festzustellen, dass die Verbindung zu Al geblockt war. Er schwebte in der Finsternis, und dachte fest an sie, doch es fühlte sich dumpf an. Dann war er wieder wach geworden. Er sollte aufstehen. Aufstehen und kämpfen. Aber gegen wen? Die Dämonen in seiner Zelle, die nicht wie eine Zelle aussah? Gegen seinen eigenen Schatten?

Ohne ein Geräusch schwang die Tür auf und Sorda kam herein. "Bringt ihr mir meine Henkersmahlzeit," fragte Dark ohne sich zu bewegen. "Ich habe keinen Appetit."

"Das haben die wenigsten.", erwiderte Sorda. "und trotzdem würde ich dir raten, sie anzunehmen." Als Dark sich nicht rührte, stellte er mit einem Seufzen eine Schüssel mit einer gut riechenden Suppe darin auf dem Tisch ab und setzte sich auf den Stuhl.

"Du bist nicht wie die anderen, aber ich denke mal, das weißt du bereits." Dark reagierte nicht. "Ich finde es sehr bemerkenswert, was du anscheinend schon alles gemacht hast, in deinem doch recht kurzen Leben. Warum hast du beschlossen, uns mit dem Wissen, das du dir hier angeeignet hast, uns zum Handeln zu zwingen." Jetzt wandte Dark den Blick von der Decke ab und sah dem General in die Augen.

"Ich habe versprochen sie zu retten, und ohne Hilfe hätte ich das nicht geschafft. Ich habe in Scarntis überlebt, indem ich mit Informationen gehandelt habe. Viele Leute unterschätzen Informationen, sie können wertvoller sein als ein ganzer Berg Gold, und tödlicher als eine ganze Armee. Ich habe einen Ausweg aus dem Kerker gesucht, und einen gefunden. Nur das hier habe ich...damit habe ich nicht gerechnet." Sorda hörte ihm interessiert zu, das Kinn auf die Hand gestützt.

"Warst du erfolgreich mit dem Handel von Informationen, oder warst nichts besseres als ein einfacher Informant."

"Ich war selbstverständlich mehr als nur ein einfacher Informant." Dark richtete sich beleidigt auf. "Ich war der Knotenpunkt, an dem all die Informationen zusammenliefen. Es war eine ungeheure Masse an Wissen, die jeden Tag über mich hineinbrach, und doch habe ich es immer wieder geschafft, diese Welle unter Kontrolle zu halten. Ich frage mich, was jetzt ohne mich in der Stadt passiert..." Sorda erhob sich.

"Ich muss dann wieder gehen. Iss deinen Teller, es wird dir guttun." Als Dark irgendetwas brummte, fügte er noch hinzu: "Man weiß nie, wozu etwas im Magen gut ist. Denn wenn man fliehen möchte, sollte man das nicht mit leerem Magen tun." Dann schloss sich die Tür hinter ihm. Dark sah ihm verblüfft hinterher. Wollte Sorda ihm etwa bei der Flucht helfen? Nein, unmöglich, er war ein vorbildlicher General wie er im Buche stand.

Die Suppe schmeckte ganz gut, jedoch merkte man ziemlich schnell, dass der Koch sich nicht sonderlich Mühe gegeben hatte. Seine vorraussichtlich letzte Stunde verbrachte er damit, im Raum auf und ab zu gehen, und dabei zu überlegen, wie er wohl fliehen könnte. Ob Sorda ihm irgendwie helfen würde...? Wahrscheinlich eher nicht, und auf anderweitige Hilfe würde er wahrscheinlich lange warten...

Viel zu schnell war die Stunde um, und vier, in lange, dunkle Gewänder gekleidete Gestalten kamen durch die Tür. Sie sprachen nicht, und viel mehr als ihre Augen konnte er auch nicht sehen. Sie nahmen ihn in ihre Mitte und dann ging es hinaus, in den großen Saal. Wieder befand sich eine große Menge der schwarzgekleideten Gestalten dort, vielleicht sogar noch mehr als beim letzten Mal. Sie machten alle schweigend Platz. Der Gebieter, Dark kannte seinen Namen immer noch nicht, stand vor seinem Thron, neben ihm stand ebenfalls eine schwarzgekleidete Gestalt, aber diese hatte eine große, hässliche Axt in der Hand. Vor den beiden stand ein Holzblock.

Ein Königreich in TrümmernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt