"Wo ist Sorda," fragte Dark Livia, als er an diesem Morgen aufwachte. Diese zuckte mit den Schultern, und trank einen großen Schluck Wasser aus einem tönernen Becher.
"Mich musst du nicht fragen, ich weiß es nicht, aber ich vermute, dass er immer noch unten ist, zusammen mit Garmon und Al."
Dark runzelte die Stirn. "Es ist untypisch für Al, dass sie so lange ohne etwas zu sagen, wegbleibt. Sehr untypisch sogar. Ich glaube ich gehe mal nachschauen."
"Mach das," sagte Livia und angelte sich eine Orange, "Ich habe einen Termin mit dem werten Herrn Colgofier. Keine Ahnung warum."
"Mit mir wollte er auch sprechen," sagte Dark düster und fuhr mit der Fingerspitze über die feinen Verzierungen seiner Bänder. "Pass auf jeden Fall auf, ihm ist nicht zu trauen."
"Mache ich," sagte Livia und salutierte grinsend. "Was sind das übrigens für hübsche Schmuckstücke an deinem Arm?" Er sah sie kurz verständnislos an, verstand dann aber und sagte:
"Die haben ich von Chal bekommen, ein Dankeschön von der ganzen Stadt könnte man sagen, für meine Hilfe."
"Wie hast du ihnen denn überhaupt geholfen?"
"Ich habe einige zu unrecht eingesperrte Familienmitglieder aus den Kerkern geholt, als ich da eingesperrt wurde." Obwohl er ihr damit keinen vorwurf machte, so wirkte sie doch leicht unbehaglich.
"Hey." Er legte seine Hand auf ihre. Ich mache dir keinen Vorwurf.
Aber ich mache mir Vorwürfe, erwiderte sie, es war nicht richtig von mir, meinem Vater das damals durchgehen zu lassen.
Du hättest dich mit lautstarkem Protest nur selbst in Gefahr gebracht, und selbst wenn er mich dann nicht eingesperrt hätte, so wäre ich doch ein Gefangener gewesen. Es war besser so.
Wenn du meinst. Sie klang nicht überzeugt. Er verdrehte nur die Augen, strich ihr eine Haarsträhne hinter die Ohren und flüsterte leise: "Ja, ich meine."
Der Weg hinab in Sordas zuhause war noch genauso beengt und dunkel, wie Dark ihn in Erinnerung hatte. Am Fußende stand nur eine Wache, die ihn zuerst misstrauisch musterte, dann aber erkannte und sich tief verbeugte.
"Ihr wollt sicherlich unseren Gebieter sprechen," sagte sie, das erkannte er an der Stimme, denn mit ihren langen Mänteln und Kapuzen sahen sie alle gleich aus.
"Das ist richtig," erwiderte er vorsichtig, "wenn ihr mich zu ihm führen könntet." Die Frau regte sich nicht, im gleichen Moment löste sich jemand hinter ihr aus der Dunkelheit.
"guten Tag," sagte eine Stimme, die ihm im ersten Moment bekannt vorkam.
"Cray...?", fragte er dann nach kurzem Überlegen.
"Das stimmt," erwiderte Cray freudig, "es erstaunt mich, dass ihr euch an meinen Namen erinnert."
"Namen sind Wissen, und ich bin ein Mann des Wissens.", erwiderte Dark schulterzuckend.
"Weise Sätze," sagte Cray und ging dann geradewegs ins Dunkel. Dark folgte ihm ohne zu zögern, jedoch höchst widerwillig. Der Weg durch die langen, dunklen Gänge der unterirdischen Bibliothek war gleichzeitig beängstigend und faszinierend. Beängstigend, weil die Regale, wenn sie denn umfielen, ihn zu Mus verarbeiten würden, und faszinierend, weil hier einst so unglaublich viel Wissen lagerte, mehr als je ein menschliches Wesen erfassen könnte.
Ein Licht tauchte am Ende ihres Weges auf, es stellte sich als die kleine Flamme einer Kerze heraus.
"Wo...sind wir hier," fragte Dark misstrauisch, er schien irgendwo im Nirgendwo zu sein.
DU LIEST GERADE
Ein Königreich in Trümmern
Fantasía"Der letzte der Sardonier wird kommen, der sehen wird, was niemand sieht, der wissen wird, was niemand weiß, der können wird, was niemand kann." Dark lebt in Scarntis, der einstigen Hauptstadt des sardonischen Reichs...doch jetzt ist sie nicht mehr...