8. Alte Freunde

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Ich hatte Benni selten so niedergeschlagen und wehmütig gehört. Wenn es ihm so leid tut warum hatte er es dann getan? Oder tat es ihm einfach nur so leid, dabei erwischt worden zu sein von mir? Die Stille zwischen uns wurde nur vom hochziehen meiner schniefenden Nase unterbrochen. „Bitte Em, hör auf zu weinen. Ich kann dich so nicht hören. Gerade nicht, wenn ich weiß, dass es meine Schuld ist." „Es lieg ja nicht nur an dir." „Und an was noch?", fragte er vorsichtig. Doch ich wollte Benni nichts von Steve erzählen. Er mochte ihn schließlich genauso gerne wie Lily das tat. „Ach alles einfach ein bisschen viel gerade.", redete ich mich raus.

„Das tut mir leid kannst du mir denn verzeihen was ich gemacht habe?", fragte er nachdem wir über eine halbe Stunde hin und her geredeten hatten und er sich mehr als nur bemüht hatte eine gute Ausreden für sein dummes Verhalten zu finden und am Ende zu dem Entschluss gekommen war, es gäbe keine gute Ausrede um das zu rechtfertigen was er gemacht hatte. „Ja klar kann ich das. Du bist mein bester Freund Benni.",sagte ich ruhig. „Aber bitte mach das einfach nicht mehr. Du weißt was vor knapp 1 Jahr deswegen passiert ist. Das will ich nicht nochmal durchmachen und du bestimmt auch nicht." „Ja natürlich das tut mir auch immer noch leid was du miterleben musstest und generell wie ich da drauf war...", sagte er leise. „Naja wieder Freunde?", fragte ich ihn. „Wieder beste Freunde.", verbesserte er mich und ich musste leise schmunzeln. „Ah, da hör ich doch schon wieder jemanden lachen.", sagte Benni und ich konnte sein dummes Grinsen bis in mein Handy hören. „Ach so und Em, red mit Lily. Ihr könnt das bestimmt wieder klären." „Woher weißt du das mit Lily?", fragte ich verwundert, denn ich hatte ihm weder von dem Streit mit Lily, noch von der Sache mit Steve erzählt. „Ähmmmm... also ja ich stand halt vorhin vor deinem Haus weil ich eigentlich klingeln wollte, weil du ja nicht geantwortet hast und ich mir Sorgen gemacht hatte aber dann ist Lily aus deinem Haus gestürmt und meinte zu mir einfach nur dass du eine, ich zitiere „schlecht gelaunte Bitch die man mal vögeln müsste" bist und da dachte ich, ich rufe vielleicht mal lieber an anstatt zu klingeln.", sagte Benni verlegen. „Oh man, manchmal ist Benni ja schon echt süß...", dachte ich und fühlte mich irgendwie von meinen eigenen Gedanken ertappt. „Ach so ja, wir werden uns bestimmt wieder vertragen. Du weißt ja wie Lily manchmal einfach ist." „Oh ja ich weiß.", sagte Benni und lachte. In diesem Moment hörte ich wie unsere Wohnungstür aufging und meine Eltern rein kamen. „Okay ich muss Schluss machen. Bis dann Benni.", sagte ich schnell und legte auf, denn ich wusste, dass gleich eine ordentliche Standpauke wegen der Vase auf mich einprasseln würde.
Nachdem ich den Ausraster meiner Eltern über mich ergehen hatte lassen, beschloss ich unbedingt noch etwas Ablenkung zu suchen. Schließlich sollte dieses Tag nicht als einzige Katastrophe enden. Ich fing also an in meinem Kopf meine Freunde durchzugehen und überlegte, wer heute vielleicht noch ein paar Stunden Zeit hätte, denn inzwischen war es auch schon später Nachmittag. „Okay also Benni möchte ich nicht sehen, denn irgendwie bin ich immer noch etwas verletzt von ihm...", fing ich an leise mit mir selber zu reden. „Sophia wohnt zu weit weg also fällt sie auch raus. Lily ist pissed auf mich und jetzt auch vermutlich auf diesem Date, von dem sie mir nicht erzählen wollte.... aber es gibt ja noch Mia. Aber soll ich mich wirklich mit ihr treffen?" Mia wohnte zwar nur 5min Fußweg von mir entfernt aber seit der 4 Klasse war ich nicht mehr bei ihr zuhause gewesen. Ich entschloss mich über meinen Schatten zu springen und sie anzurufen und knapp 10min später stand ich auch schon vor dem Haus, in dem Mia mit ihrer Mutter zusammen wohnte. Mia wohnte natürlich ganz oben im 3 Stock und es gab natürlich keinen Aufzug. Als ich ganz außer Atmen endlich im 3 Stock ankam und ernsthaft überlegt, ob ich ein Sauerstoffzelt brauchen würde stand ihre Mutter schon in der Tür und lächelte mich etwas überrascht an. Sie hatte mich wohl nicht erwartet aber gut, an ihrer Stelle hätte ich das auch nicht. Nicht mal ich selber hätte mich hier an dieser Tür nochmal erwartet. „Oh hallo Emma. Schön dich mal wieder zu sehen nach so vielen Jahren. Wie geht es deinen Eltern?" „Hallo Frau Wiesner. Meinen Eltern geht es gut, danke der Nachfrage.", antworte ich und sie machte die Tür hinter mir zu.
„Nach so vielen Jahren?", wiederholte meine Psychologin fragend. „Ja Mia und ich kennen uns schon seit der Krabbelgruppe und zu Grundschulzeiten war ich fast jede Woche bei ihr. Mia, ich, Lily und Benni waren alle in der selben Grundschulklasse. Aber dann, als wir aufs Gymnasium kamen verloren Mia und ich irgendwie den Kontakt zu einander.", sagte ich und schaute etwas beschämt auf meine Hände, die gefaltete in einem Schoß lagen. Das war zumindest die Geschichte die ich jedem immer erzählte, wenn jemand nach Mia und mir fragte. Doch bevor ich weiter darüber mir den Kopf zerbrechen konnte versank ich schon wieder in Gedanken an den Sonntagnachmittag.
„Mia ist gerade noch duschen, aber geh doch ruhig schon mal in ihr Zimmer Emma.", sagte sie und zeigte mit dem Finger zu Mias Zimmertür, als würde sie mir zeigen wollen, wo Mias Zimmer nochmal war. Doch das hatte ich nicht vergessen. Ich lief also leise den Flur runter bis zu Mias Zimmer und fühlte mich die ganze Zeit so als dürfte ich nicht hier sein. Ein etwas komisches Gefühl machte sich in meinem Magen breit, als ich Mias Zimmer betrat und wurde noch größer, als ich mich vorsichtig auf ihr Bett setzte. Es fühlte sich so vertraut an wieder hier zu sein und gleichzeitig so unfassbar fremd. Die zartrosa Wände von ihrem Zimmer waren immer noch mit Fotos übersäht und in den Jahren waren noch hunderte mehr dazu gekommen. Ich stand vom Bett auch und stellte mich vor ihre Wand, die einfach nur eine riesige Fotocollage war. Einige kannte ich noch von früher. Die Bilder waren wie eine Timeline von Mias Leben angeordnet und auch ich war auf einigen der Fotos abgebildet, die etwas versteckt mitten in diesem Meer von Erinnerungen hingen. Ich musste schmunzeln bei dem Anblick von Mias und meinem 7-jährigen Ich's. Doch mein Lächeln verschwand wieder, als ich mit meinem Blick weiter nach vorne in Mias Timeline aus Fotos ging. Doch nicht weil diese Fotos so traurig aussahen sondern einfach nur, weil es irgendwie traurig war zu sehen, was für ein großer Teil ich von ihrem Leben mal war und dann einfach verschwand. Fast schon wie ausradiert war keine Spur mehr von mir auf jedem Foto, was nach der 5 Klasse entstanden war.
„Versteh mich nicht falsch, ich finde es großartig von dir, dass du jetzt mit mir über alles redest Emma. Doch du sprichst in Rätseln. Was ist damals mit Benni passiert und wieso fällt es dir so schwer, diese Fotos zu sehen?", unterbrach meine Psychologin meine Gedanken. „Wollen sie jetzt verstehen, wie alles so schlimm werden konnte zwischen mir und ihm oder nicht?" „Ja natürlich, entschuldige.", sagte sie und schaute wieder auf ihren Zettel. „Keine Sorge, ich werde das alles noch erklären aber sonst verstehen sie nicht, wie ich so abhängig von ihm werden konnte und wie er zu meinem einzigen Freund werden konnte, was meines Erachtens alles ein einziger großer Plan von ihm war.", sagte ich wütend und versank wieder in meinen Gedanken.
Mia und ich hatten beide unser Leben normal weitergelebt, jedoch ohne den jeweils anderen und das zeigten diese ganzen Fotos mehr als deutlich. Wir hatten zwar schon seit ein paar Monaten wieder besseren Kontakt, doch heute war das erste mal nach Jahren, dass ich wieder bei ihr Zuhause war. „Ja du hängst immer noch an meiner Wand.", hörte ich auf einmal Mias Stimme hinter mir. „Komm wir setzen uns.", sagte sie und wir setzten uns auf ihrem gemütlichen Teppich. „Sag mal wo warst du gestern Abend eigentlich hin? Ich hab dich auf der Party gar nicht mehr wieder gefunden.", sagte Mia und während sie sich ihre noch leicht nassen braunen langen Haare zu einem Zopf zusammenflochte.

Hoffe euch gefallen die längeren Kapitel. Ich freu mich über jeden Kommentar und vergesst nicht für mich abzustimmen. 💜 💜💜

Mein Freund der FeindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt