„Und erzählst du's mir heute?", fragte mich meine Psychologin. „Ich weiß es nicht... Alles was ich weiß ist, dass ich diese Erinnerungen endlich aus meinem Kopf haben will. Ich will mich nicht daran erinnern und darüber reden oder es aufarbeiten. Wieso versteht das denn keiner?" Ich merkte wie mein Kinn zu zittern anfing und Tränen in meinen blauen Augen auftauchten. „Hey, ich kann dich verstehen und könnte es noch besser, wenn du's mir erklärst." „Einen Scheiß können sie. Sie wissen nicht wie das ist und sie können froh sein, dass sie nicht wissen wie sich sowas anfühlt. Niemand kann mir dabei helfen. Auch nicht jemand der 100€ pro Stunde dafür bekommt.", schrie ich. „Erzähle es mir, dann kann ich es vielleicht etwas besser verstehen und glaub mir, reden hilft immer.", versuchte sie auf mich einzureden. Ich wusste, dass ich hier sitzen müsste bis ich endlich rede und dass sie mit ihren psychologisch wertvollen Sprüchen auch erst dann aufhören würde. „Okay, aber wenn es mir danach nicht besser geht muss ich nie wieder mit ihnen darüber reden." „Ok so machen wir's. Du redest und ich höre einfach zu." Ich atmete tief durch, da ich wusste dass dies wohl die schmerzhafteste Stunde in meinem Leben sein würde. Obwohl... Wenn ich so darüber nachdachte, schlimmer als die Zeit über die ich jetzt sprechen würde könnte es wohl nicht werden.
„Am Anfang war ja noch alles gut.", fing ich an zu erzählen. „Er war nett. Ich war nett. Ein ganz normaler Junge halt." „Aber er war nicht normal und nett oder?" „Nein, war er nicht.", antwortete ich und in meinem Kopf erinnerte ich mich wieder an den Anfang zurück und daran, wie nett er doch war als wir uns kennengelernt haben und was für süße Sachen er zu mir gesagt hatte... jedenfalls am Anfang dieses wunderschön wirkenden Albtraumes, indem ich so lange gefangen war.
„Alles begann an einem Freitagnachmittag. Ich war mal wieder mit meiner besten Freundin Lily in der Stadt unterwegs und wir unterhielten uns natürlich mal wieder über Jungs." „Und dann?", fragte sie neugierig. Ich versank in meinen Gedanken und erinnerte mich an den Tag, an dem alles anfing...„Und dann hat er mir richtig süß gute Nacht geschrieben und meinte, dass er vorm Einschlafen immer an mich denken muss.", schwärmte mir Lily vor. „Oha wie süß und er schreibt dir sowas, obwohl ihr nicht mal zusammen seid." „Das kommt noch, da bin ich mir ganz sicher.", sagte Lily selbstbewusst und lachte. Meine beste Freundin hatte für Jungs, im Gegensatz zu mir, einfach ein Händchen. Das war schon immer so gewesen. „Und wie läuft's bei dir so? Mal irgendwas Neues?" „Ne, nicht wirklich. Eigentlich wie immer.", seufzte ich. „Och komm schon Em. Ich will nicht, dass du noch versauerst und als einsame Jungfrau mit deinen 10 Katzen endest." Ich schaute Lily deprimiert an als sie sich neben mich auf die Bank setzte. „Ja ich ja auch nicht aber aus unserer Stufe mögen mich halt nicht viele Jungs und das ist auch okay so, ich bin glücklich so wie es im Moment ist.", redet ich Lily und auch mir selber ein. „Komm schon, du kannst mir nicht erzählen, dass du nicht doch gerne etwas mehr Kontakt zum männlichen Geschlecht hättest." „Ja schon. Irgendwie hast du ja auch Recht und ich hätte schon gerne etwas mehr Kontakt zu Jungs aber ich komm in der Schule halt einfach nicht ins Gespräch mit jemanden und in meiner Freizeit hab ich keinen Kontakt zu Jungs. Und nein, wir werden jetzt auch nicht einfach in unsere Stufengruppe schrieben ob mich jemand Daten will. Dafür hätte ich dich letztes Mal schon umbringen können." Lily lächelte mich an. „Ich fand's lustig. Und du bist halt einfach nicht so gut vernetzt wie ich.", sagte sie und fuhr sich mit ihren Fingern durch ihre langen blonden Haare. „Tja, da kann man wohl nichts machen." „Doch kann man. Und ich weiß auch schon wie. Komm doch morgen auch zu Steve's Party." „Aber ich bin im Gegensatz zu dir gar nicht eingeladen.", sagte ich und war echt etwas traurig darüber dass ich, als 16-jährige 10 Klässlerin an einem Samstagabend alleine zu Hause sitzen würde und noch nicht mal die Ausrede benutzen konnte lernen zu müssen, da wir uns in der letzten Schulwoche vor den Sommerferien befanden und in dieser Zeit offensichtlich keine Arbeiten oder Tests mehr geschrieben worden. „Ja, du sagst es.", unterbrach Lily meine Gedanken. „Ich bin eingeladen und ich kenne Steve ganz gut und außerdem werden da sowieso so viele Leute sein, das du da gar nicht auffallen wirst." „Und wenn ich eh nicht auffalle wieso soll ich dann kommen?", fragte ich sie und schaute etwas schnippisch. Ich war nicht so eins von diesen typischen Partygirls und wollte eigentlich auch gar nicht auf eine Party gehen zu der ich nicht mal eingeladen worden war. „Auch man du weißt wie ich das meine." „Ja... Ich würde ja kommen aber ich hab auch gar nichts cooles zum anziehen.", sagte ich und versuchte noch irgendwie aus der Situation rauszukommen. Aber Lily hatte schon diesen entschlossenen Blick aufgelegt. „Nein Lily. Echt nicht. Ich werd jetzt nicht mit dir shoppen gehen nur für so eine doofe Party. Vergiss es."
15min später stand ich mit Lily in einem riesigen Bekleidungsladen. Lily bemerkte meinen immer noch genervten Blick und hakte sich bei mir unter. „Och komm schon. Wir sind Teenager, da muss man Samstagsabends auf Partys sein. Außerdem wollten wir eh noch für die Party shoppen gehen und mir was aussuchen. Dann können wir jetzt direkt für uns beide gucken. Das wird lustig, glaub mir." Ich atmete tief ein und aus und verdrehte die Augen. „Meinetwegen." „Yey.", quietschte Lily auf und gab mir einen schnellen kleinen Kuss auf die Wange. „Aber du musst mich beraten was süß aussieht und was nicht. Und wenn wir auf der Party sind darfst du mich nicht alleine lassen und..." „Emma.", unterbrach sie mich. Ich schaute sie fragend an und verstummte. „Ich will dir jetzt mal etwas über 16-18 jährige Jungs erklären." „Oh nein. Jetzt gehts wieder mit deinen Lebensratschlägen los." „Als Freundin sollst du süß aussehen. Auf einer Party sollst du sexy sein. Jungs in unserem Alter wollen Haut und Kurven sehen." Ich schaute Lily einfach nur etwas verdattert und perplex an. „Was? Das ist nun mal so. Auch wenn du dir in deine kleinen unerfahrenen Traumwelt wünscht, dass sie dich wegen deinem Charakter toll finden. Als erstes muss halt leider einfach erstmal das Aussehen stimmen. Dann der Charakter." „Ach Lily. Du bist einfach unverbesserlich.", sagte ich mit einem Lächeln im Gesicht und wir richteten unsere Blicke nach vorne auf die tausend Klamotten. „Dann mal los."
4 Stunden später war ich wieder zu Hause und hatte zwei volle Tüten, dafür aber auch sein sehr leeres Portmonee. Und das alles nur für eine Party.
DU LIEST GERADE
Mein Freund der Feind
Novela JuvenilWie etwas so Wunderschönes sich so schnell und gleichzeitig so unbemerkt zu etwas so Schrecklichem entwickeln konnte... Das fragt sich die 16-jährige Emma immer noch. Doch was passiert wenn aus Liebe Angst wird ? Wenn Vertrauen und Zuneigung durch...