Kapitel 1

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Ein kalter Wind weckte mich und ich öffnete langsam die Augen. Ich erschrak. Ich drehte mich um, alles war gleich. Es war grau und der kalte Wind wehte Asche auf. Ich musste blinzeln, meine Augen brannten und waren müde.

„Mom? Mom, wo bist du?", schrie ich mit zittriger Stimme. Ich richtete mich auf, um besser zu sehen.

„Dad?! Wo seid ihr?" meine Augen füllten sich mit Tränen.

Ich versuchte aufzustehen. Es war still. Das Einzige, das zu hören war, war der Wind, welcher die letzten stehenden Pfähle der Häuser unseres Dorfes umschmiss. Verwirrt drehte ich mich um. War das unser Dorf? Nein, ich träume nur! Doch das Geräusch meiner Tränen, die auf die Asche fielen, war zu real. Tausend Fragen schossen mir durch den Kopf und meine Augen schmerzten vom Suchen.

„Mom, Dad! Lasst mich nicht allein", schrie ich.

Ich befreite mich aus meiner Starre und ging langsam durch das abgebrannte Dorf. Der Rauch lag noch in der Luft und es wurde immer schwieriger zu atmen. Nach einer Weile fiel ich in eine Art Trance, in der ich immer weiter ging, ohne auch nur etwas zu fühlen. Meine Tränen und die Asche vernebelten mir die Sicht. Ich konnte zwar einzelne Dinge sehen, sie aber nicht verstehen. Ich ging immer weiter. Vereinzelte Schreie unterbrachen gelegentlich die Stille. Sie waren für mich jedoch nur ein Echo der Verzweiflung. Die Asche wurde immer tiefer und heißer. Schatten wirbelten um mich herum und sagten, nein flehten mich an, doch ich ging weiter. In der Ferne sah ich was. Etwas. Jemand vertrautes.

„Mom?", krächzte ich leise. Ich rannte los. Es war meine Mom. Sie stand nur da und lächelte mich an.

„Mom, da bist du ja! Mom? Mom!" Ich lief so schnell ich konnte, dabei war mir die heiße Asche oder sogar das Feuer egal. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Da steht meine Mom, dachte ich nur. Plötzlich stolperte ich über etwas, was mich zum Stürzen brachte. Hart kam ich auf dem Boden auf, wobei ich mir das Kinn aufschlug. Mein Körper fühlte sich federleicht an und ich hörte nur ein durchdringendes Piepsen. Taumelnd drehte ich meinen Kopf und meine Sicht war immer noch nicht klar. Ich wankte nach vorne, um zu erkennen, warum ich fiel. Der Wind drehte sich und ein unerträglicher Gestank breitete sich aus. Ich spürte, wie mein Körper auf den Gestank reagierte. Mit meiner Hand griff ich nach dem Gegenstand. Er war warm und schuppig. Und ich spürte eine Art von Fäden. Als ich es umdrehte, ging ich noch ein Stück darauf zu, um es besser zu erkennen. Schlagartig wurde meine Sicht klar und ich verstand, woher der Geruch kam.

„Aaah!", schrie ich und stürzte nach hinten. Zwei leblose grüne Augen starten mich an. Mein ganzer Körper fing an zu zittern. Ich schaute verzweifelt auf meine Hand, mit der ich die Leiche angefasst hatte. Ich hielt rote Haare. Wieder schossen mir die Tränen in die Augen. Reflexartig ließ ich die Haare los, doch sie klebten an meiner Hand. Ich sah wieder zur Leiche, welche mich weiter anstarrte. Ihr Blick war so durchdringend, dass ich mich übergeben musste. Verängstigt schaute ich zu meiner Mom und musste zusehen, wie ein alter Baum zu Asche fiel, welche der Wind mit sich nahm. „Nein, Mom geh nicht." Obwohl ich wusste, dass sie es nicht war, zerbrach etwas in mir, das mich für immer veränderte. Danach drehte ich mich wieder zur Leiche, riss zwei Stücke von meinem weißen Nachthemd ab. Das erste legte ich schnell auf das Gesicht der Person und das zweite benutzte ich, um meine Hand von den Haaren zu befreien. Ein leises Wimmern durchbrach meinen Schock und ich schaute mich fragend um.

„Hallo, ist da jemand?", fragte ich leise. Die Luft war dick vom Rauch, doch ich entdeckte zwei rote Zöpfe, die nicht weit von der Leiche waren. Ich schlich leise darauf zu. Ein kleines Mädchen saß in einer Ecke, der Kopf auf die Knie gelegt. Sie wippte hin und her. Ich ging auf sie zu, doch sie hörte mich nicht.

„Hey Kleines. Bist du in Ordnung?", fragte ich vorsichtig. Dabei legte ich eine Hand auf ihre Schulter. Erschreckt schaute sie hoch. Die Angst immer noch in den Augen. Dicke Tränen kullerten aus ihren großen, grünen Augen und hinterließen kleine, weiße Linien auf ihrem Ruß bedeckten, zierlichen Gesicht. Ich hatte sie schon ein paar Mal gesehen, wie sie mit den anderen Kindern auf der Straße spielt. Erst schaute sie mich verschreckt an, dann fiel ihr Blick auf die tote Frau, die hinter mir lag. Verstört zuckte sie zusammen und fing fürchterlich an zu zittern.

„Mama!! Ich will zu meiner Mama!", schrie sie auf einmal. Mich durchfuhr ein schrecklicher Gedanke. War diese Leiche, diese Frau, ihre Mutter? Ich spürte, wie ich erneut den Tränen nah war. Meine Eltern waren tot. Das war schon schrecklich genug gewesen. Ich sah und fand sie nicht, doch mir war bewusst, dass ich sie niemals finden würde. Als ich aufwachte, schrie ich auch nach meiner Mom, weil ich sie nicht sah und Hoffnung hatte. Aber dieses kleine Mädchen, das sicherlich erst fünf Jahre alt war, wachte auf und fand ihre Mutter so. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich vor ihr nicht weinen durfte. Ab diesem Moment würden wir beide zusammenbleiben. Ich bückte mich so vor sie hin, dass sie ihre Mutter nicht mehr sehen konnte.

Das Wispern des Windes-Man sagt, die Augen seien das Fenster zur Seele-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt