Kapitel 12

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„Amina, hilf uns. Bitte!", schrien Fiona und Josh mir zu. Dann sah ich Mona, sie packte mich an der Schulter, ihr Körper voller Blut. An ihrer Hand hielt sie den blassen Floh. „Amina, das ist alles deine Schuld. Du hättest im Feuer sterben sollen", schrie Mona. Ich stürzte nach hinten. Floh sah mich mit seinen braunen Augen an. „Ich bin tot. Es tat weh. Und ich bin ganz allein gestorben", sagte er gequält. Plötzlich standen auch die anderen beiden vor mir, sie zeigten alle mit dem Finger auf mich. „Du hast uns getötet!", sagten sie wie besessen. Ich schaute auf meine Hände, sie waren voller Blut und ich hielt ein Messer in der Hand. Entsetzt ließ ich es fallen. „Nein, nein, ich war das nicht", murmelte ich vor mich hin. „Du hast uns aber auch nicht geholfen. Genauso wenig, wie deinen Eltern", sagte Mona monoton. Ihre leeren Augen starrten mich an, ich kniete mich vor sie hin und fing an zu weinen. „Es tut mir leid. Es tut mir so unendlich leid. Bitte, bitte verzeiht mir", flehte ich sie an. Doch keine Antwort kam von ihnen und ihre Gesichter wurden zu Fratzen, die mich auslachten. „Amina, wach auf, es ist nur ein Traum", hörte ich plötzlich. Schlagartig öffnete ich meine Augen, vor mir saß der von Blut übersäte Mike. Reflexartig sprang ich weg von ihm. Ich war gefesselt und versuchte mich von ihnen zu befreien. Er weinte und wippte wieder hin und her, wie letzte Nacht am Lagerfeuer.

„Wer bist du?", schrie ich ihn an. „Und sag jetzt nicht Mike. Der bist du nämlich nicht", fügte ich noch hastig hinzu. Seine von Trauer erfüllten Augen blickten mich kurz an, ich bekam eine Gänsehaut. „Was läuft hier. Du hast all diese armen Kinder getötet!", schrie ich. „Nein", kam es leise von ihm. Er starrte auf seine Hände und biss sich auf seine Unterlippe. „Doch! Du hast sie alle nacheinander umgebracht", schrie ich immer lauter. Mike fing an zu weinen, dennoch konnte er mich nicht ansehen. „Nein, nein. Das kann nicht sein", murmelte er weiter vor sich hin. „Du bist ein Mörder. Wie konnten wir je befreundet sein? Sie waren unschuldig, im Gegensatz zu dir." Er wurde still und fing an zu zittern. Ich tastete über den Boden und spürte einen spitzen Stein, der aus der Erde ragte. Langsam rieb ich die Fesseln am ihm und befreite mich so von ihnen. Dann grub ich ihn schnell aus und umklammerte ihn mit meiner rechten Hand. „Mike?", fragte ich leise und sicherzustellen, dass er mich nicht hörte. Er reagierte nicht. „Ich hasse dich, für das, was du getan hast", brüllte ich, während ich aufsprang und ihm von hinten den Stein an den Hals hielt. „Du bist ein Monster!", sagte ich herablassend. In dem Moment packte Mike mich an meinen Armen und schleuderte mich über seine Schultern auf den Boden. Er schaute mich traurig an, seine Lippe hatte er sich blutig gebissen. „Mike, ich werde dich töten!", keuchte ich. „Amina?", fragte er leise. „Ja", kam es nur kurz von mir. Er griff in seine Tasche und holte sein Messer heraus. „Egal, was du vorhast, vergiss es. Ich bin flinker als du Mike. Und das weißt du auch." Mike schaute auf das Messer und reichte es mir. „Du kannst mich nicht töten", sagte er schmerzerfüllt. Ich nahm es hastig und schaute ihn verwirrt an. „Wieso? Denkst du, ich schaffe es nicht, jemanden zu töten?", fragte ich selbstbewusst. „Nein, das ist es nicht. Ich habe gesehen, wie du den alten Mann im Dorf erschossen hast." Ich zuckte. Wieso war er damals im Dorf? „Wieso, denn dann? Wenn du anscheinend weißt, wozu ich in der Lage bin", sagte ich schnell. Mike schaute nach unten und fasste sich an seine Narbe am Hals. „Na ja, du kannst nichts töten, dass schon tot ist", erklärte Mike mit einem schwachen Lächeln. Jetzt verstand ich gar nichts mehr. Ich richtete das Messer auf Mike und schaute ihn fordernd an. „Amina, ich bin schon lange tot. Als meine Mutter und ich auf dem Weg in die Stadt waren, überfielen uns nachts komische Wesen. Sie rissen meiner Mutter die Seele aus dem Leib und verletzten mich so, dass ich das Bewusstsein verlor." Ich schaute Mike an, er jedoch drehte sich weg. „Mike, das soll ich dir glauben? Du hast gerade vier Kinder vor meinen Augen getötet, nichts kann das entschuldigen." Mike knibbelte an seinen Fingernägeln. „Amina, ich habe nicht nur die Kinder umgebracht, sondern auch das Dorf niedergebrannt. Doch ...", bevor Mike seinen Satz zu Ende sagen konnte, hatte er schon meine Faust im Gesicht. Er hatte alle qualvoll verbrennen lassen. „Du bist wahnsinnig!", sagte ich abfällig. „Doch als ich dich sah, wurde ich wieder wach aus diesem schrecklichen Albtraum, in dem jemand anderes mich kontrolliert. Warum sollte ich dir das erzählen, wenn es nicht die Wahrheit wäre?", fragte mich Mike. „Das weiß ich auch noch nicht ganz", sagte ich vorsichtig. „Amina, ich weiß nicht mehr weiter. Man kann mich nicht töten, ich habe es schon oft versucht." Mike zog sich sein Hemd aus, sein Körper war übersät von Narben und blauer Flecken. Sagte er wirklich die Wahrheit?

Das Wispern des Windes-Man sagt, die Augen seien das Fenster zur Seele-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt