Kapitel 4

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- 2 Jahre zuvor –

„Er hat was getan?", gibt Ben aufgeregt von sich und versucht mir mein Handy aus der Hand zu nehmen.

Trinkst du einen Kaffee mit mir?

Ungläubig lese ich die sechs Worte, die da auf meinem Bildschirm stehen immer und immer wieder durch. Nach dem Fototermin bei Colson hatte ich nicht mehr erwartet noch einmal von ihm zu hören. Wie versprochen habe ich seinem Manager alle guten Fotos zukommen lassen und bin meiner Arbeit weiter nachgegangen. Aus diesem Grund bin ich umso überraschter, als plötzlich die Instagram Chatanfrage auf meinem Handy aufleuchtet.
„Na antworte schon!", drängt Ben, immer noch den gleichen aufgeregten Ton in der Stimme.
Ich muss kurz überlegen, schüttele aber letztendlich den Kopf.
„Ben, er war total unhöflich als ich bei ihm war. Warum sollte ich jetzt einen Kaffee mit ihm trinken wollen? Ich will wirklich nicht noch einmal so einen Nachmittag erleben. Und wenn seine Managerin unzufrieden mit den Fotos ist, soll er mich über meine Arbeitsmail kontaktieren." Ben zieht seine Augenbrauen hoch, sagt darauf aber nichts.

Den ganzen Tag schaffe ich es die Nachricht in die hinterste Ecke meines Gehirns zu verbannen und den Tag im Büro mit der Organisation zukünftiger Projekte zu verbringen. Erst als ich in mein Auto steige, die Musik von Bens erstellter Playlist aufdrehe und aus den Lautsprechern nun „27" von Machine Gun Kelly ertönt, denke ich wieder an die noch unbeantwortete Nachricht. Vielleicht sollte ich ihm doch antworten. Was, wenn wirklich etwas mit den Fotos nicht stimmt?

And f I must go, and die at 27
Then at least I know I died a legend

Als ich endlich zu Hause angekommen bin und meine schwarze Wohnungstür hinter mir ins Schloss fallen lasse, nehme ich mein Handy in die Hand und öffne Instagram. Als würden meine Finger nicht mehr mir gehören, tippe ich Machine Gun Kelly in den Suchbalken und drücke auf den Account – the Blonde Don- mit über 6 Millionen Abonnenten. Sein tätowierter Oberkörper sticht mir sofort ins Auge. Zuerst betrachte ich das schwarze A auf schaffierten Backsteinen auf seinem trainierten Bauch, dann den kursiven Schriftzug Almost Famous mit den drei roten X auf seinem Unterbauch. Unterbewusst ziehe ich meine Augenbrauen skeptisch in die Höhe. Was für Klischees... Der Rapper mit dem Anarchiesymbol und einem Hinweis auf Sex, der nicht weniger diskret sein könnte, auf den Körper tätowiert. Ich schließe die App wieder und beschließe ihm zunächst nicht auf seine Nachricht zu antworten.
Den Rest des Abends schaffe ich es mich mit dem kläglichen Versuch von Blumenkohlnuggets abzulenken, welcher abgebrochen wird als meine ganze Wohnung unerträglich riecht. Ich durchforste meine Schränke und gebe mich letztendlich mit Pasta und Pesto zufrieden, wozu ich mir kleine Tofuwürfel anbrate. Als ich mich schließlich auf mein breites graues Sofa falle lasse und den Fernseher anschalte, schaut mir sein Gesicht erneut von einem größeren Bildschirm entgegen. „Der US-amerikanische Rapper Machine Gun Kelly feuert die Dating-Gerüchte mit der brünetten Schönheit Chantel Jeffries weiter an...", ertönt die helle Stimme einer Nachrichtensprecherin. Normalerweise würde ich nun das Programm wechseln, ich gebe nie viel auf Promiklatsch. Aber dieses Mal schaue ich wie gebannt auf den Fernseher und lasse mir erzählen, auf welchen Events die beiden zusammen gesichtet wurden. Wow, denke ich mir beim Anblick dieser... Chantel. Sie ist wohl das komplette Gegenteil von mir. Gebräunte Haut, perfekt proportionierte Kurven, wunderbar glänzendes schwarzes Haar, ein Gesicht so perfekt zurechtgemacht, dass es beinahe das von Kim Kardashian gleicht. Als die Sprecherin den kurzen Bericht abschließt und in die nächste Schlagzeile übergeht, schon wieder ein Bericht über Justin Bieber, stoße ich einen kleinen Lacher aus. Natürlich will ein Rapper wie Machine Gun Kelly eine Frau an seiner Seite wie Chantel Jeffries. Wieder ein erfülltes Klischee. Erneut öffne ich meine Instagram App und tippe auf meine Nachrichtenanfragen.

Trinkst du einen Kaffee mit mir?

Ein paar Momente schaue ich ganz still auf den Bildschirm, bis ich einmal tief einatme und die Anfrage lösche. Mit einem Achselzucken öffne ich nun meine Galerie und wähle verschiedene Fotos aus Projekten der letzten Woche aus, welche ich dann auf meinem Instagram Account mit beinahe 2 Millionen Abonnenten in einem Post veröffentliche, darunter auch Colson an der Kaffeemaschine, und schließlich nach zwei Gläsern Weißwein um 23 Uhr schlafen gehe.

Pressures from outside us - A Colson Baker StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt