Kapitel 3

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- Gegenwart –

Ich stehe noch eine gefühlte Ewigkeit einfach so da und schaue an die leere Stelle, an der mir gerade noch blaue Augen entgegenblickten. Es fühlt sich an, als hätte er mir persönlich einen Schlag in die Magengrube verpasst. Wie viel Zeit ist vergangen seitdem Andrew und ich das Haus betreten hatten? Ich schaue auf mein Handy. Siebzehn Minuten nach Acht. 17 Minuten bin ich erst hier? Mein Magen dreht sich noch ein kleines Stück.
„Hier bist du!" Ich muss mich nicht umdrehen um zu wissen, dass Andrews braune Rehaugen mich freudig anschauen, ganz ohne zu wissen, was in mir vorgeht. Als hätte ich einen Knopf in meinem Gehirn gedrückt, setze ich ein Lächeln auf, drehe mich zu ihm um und küsse ihn überschwänglich auf den Mund. Er erwidert meinen Kuss sofort und drückt mich an sich. Ist es falsch von mir, meine Lippen auf Andrews zu pressen, sein Gesicht mit meinen Händen zu umschließen und dabei an blaue Augen zu denken? Definitiv. Aber ich brauche das, brauche die Ablenkung. Nur lenkt er mich nicht ab. Sobald ich meine Augen schließe, sehe ich blau, halte die braunen Locken in meinen Händen für blonde Zausen. Sein Geruch ist alles, was mich in die Realität zurückholt und mich davon abhält mich ganz meiner Fantasie hinzugeben. Dieses viel zu starke Parfüm, was er sich jedes Mal massig auf die Handgelenke sprüht und dann noch auf seinen Schläfen verreibt. Dieser künstliche Geruch, der einem noch 5 Minuten nachdem er den Raum verlässt in der Nase bleibt. Und in diesem Moment hasse ich ihn dafür, dass er sich auch heute für diesen Duft entschieden hat und mich doch daran erinnert, mit wem ich eigentlich hier bin. Verdammt, wie mich dieser Geruch anwidert. Als Andrew seine Lippen von meinen löst, schaut er mich an und setzt dabei dieses perfekt verträumte Lächeln mit diesen perfekten Grübchen auf und streicht mir in perfekten Bewegungen über die Wange. Ich mache einen kleinen Schritt nach hinten um Abstand zwischen uns zu bringen, was mir einen fragenden Blick von Andrew beschert.
„Ich, ähm, habe jemanden gesehen, den ich unbedingt begrüßen muss.", sage ich hektisch und laufe geradewegs in die tanzende Menge, verzweifelt auf der Suche nach bekannten Gesichtern. Ich spüre noch Andrews verletzten Blick auf mir, doch laufe weiter. Meine Beine tragen mich aus der großen Glastür hinaus in den Garten. Hier ist kaum jemand, nur hier und da ein paar Leute in Gesprächen. Ich stelle mich an den Rand des Pools und atme die warme Abendluft ein. Als ich mich ein wenig umsehe, fällt mir auf, dass sich rein gar nichts verändert hat seitdem ich das letzte Mal hier war. Die vier beigen Liegen stehen noch in genau dem gleichen Winkel am Pool, wie sie es auch vor 9 Monaten taten. Die Lichterkette hängt mit den großen Lämpchen noch immer genau so schief an der Wand hinter der kleinen Außensitzecke, wie vor circa einem Jahr als ich sie aufgehängt hatte.  Mein Blick wandert hoch auf den Balkon, mit der großen Fenstertür. Die Vorhänge sind zugezogen, immer noch die gleichen grauen Vorhänge, und verbergen den Blick in sein Schlafzimmer. Ein kalter Schauer überkommt mich, als ich mir vorstelle, wie er die hübsche blonde gerade hinter den Vorhängen auf sein Bett legt und ihre Haut küsst. Warum bin ich hier?
„Wow Liv, schickes Kleid" Ich drehe mich um und schaue direkt in ein blasses, von schwarzen Haaren umrandetes Gesicht. Kurz muss ich meine Gedanken ordnen, bevor ich erkenne wen ich da vor mir habe.
„Chase! Oh Gott... Das letzte Mal als ich dich gesehen habe, warst du noch nicht so groß.", freue ich mich. Chase Hudson, ein schmächtiger 18-jähriger Newcomer-Musiker, mit schwarz gefärbten Haaren. Als er vor zwei Jahren auf einmal ins Visier der Öffentlichkeit gelangte, war er oft hier. Colson und viele seiner Freunde, die schon viel länger in der Öffentlichkeit stehen, hatten ihn unter ihre Fittiche genommen und ihm geholfen mit der neuen Aufmerksamkeit umzugehen. Er war in der kurzen Zeit, die ich ihn kenne, wie ein kleiner Bruder für mich geworden. Ich bin wahnsinnig stolz auf alles, was er seitdem geschafft hat.
„Ach quatsch, ich war schon immer größer als du." Er strahlt über das ganze Gesicht. „Ich freue mich wirklich, dass du gekommen bist." Sein Lächeln ist eines, was einen kurzzeitig alle Sorgen vergessen lässt. Es zieht einen sofort in seinen Bann und man kann nicht anders, als selbst zu lächeln, wirklich zu lächeln.
„Wie könnte ich nicht? Du bist schließlich einer der Stars heute!" Ich schließe ihn in meine Arme.

Pressures from outside us - A Colson Baker StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt