Eine Blume unter Sternen

1. Drei Schwestern

Herbst 1969

Liebe Schwester,

das vierte Schuljahr hat zwar gerade erst begonnen, doch du fehlst mir bereits. Andromeda ist still und zurückgezogen wie immer, doch dieses Jahr scheint es besonders ausgeprägt zu sein. Ich habe das Gefühl, dass sie sich mehr und mehr von uns, unserer Familie und mir abwendet. Ich mache mir Sorgen um sie. Ach Bella, ich wünschte du wärst hier, die Abende im Gemeinschaftsraum kommen mir viel zu lang und langweilig vor. An diesen Abenden leistet mir Dorea Selwyn Gesellschaft, aber du weißt ja wie sie ist, ebenso ruhig wie Andromeda und dabei doppelt so langweilig.

Aber sag, wie geht es dir? Womit verbringst du deine Zeit? Ich freue mich schon dich in den Ferien wieder zu sehen.

Deine Zissy

Narzissa legte die Feder zur Seite und überflog die eben geschriebenen Zeilen noch einmal, bevor sie den Brief zur Seite legte und sich vornahm, ihn gleich am nächsten Morgen zur Eulerei zu bringen. Es stimmte was sie geschrieben hatte. Nachdem Bellatrix diesen Sommer die Schule beendet hatte, blieben nur noch sie selbst und ihre Schwester Andromeda, zu der ihr Verhältnis jedoch von Tag zu Tag schlechter zu werden schien. Und auch diese würde dieses Jahr die Schule beenden, dann würde ihre einzige Gesellschaft ihre stille Mitschülerin Dorea Selwyn sein, die zwar einen untadeligen Stammbaum aufweisen konnte, im Übrigen jedoch eher unscheinbar war.

Sie seufzte, wenn sie sich im Slytherin Gemeinschaftsraum so umsah, bekam sie das Gefühl, dass den Zaubererfamilien in den letzten Jahren mehr männliche Nachkommen vergönnt gewesen waren als sonst, eine gute Freundin zu finden stellte sich da schon als Herausforderung heraus.

Müde warf sie einen Blick auf die Uhr und überlegte, ob sie es sich noch zumuten konnte ihren Aufsatz für Zauberkunst zu Ende zu schreiben. Schließlich entschied sie sich jedoch dagegen, sie brauchte ihren Schlaf, sonst würde sie morgen wieder aussehen wie dieses schreckliche Ravenclaw Mädchen, das ihrem Aussehen nach sämtliche Nächte hinter ihren Bücher verbringen musste.

Am nächsten Morgen machte sie sich noch vor dem Frühstück auf den Weg zur Eulerei. Obwohl es erst Ende September war, hatte der Herbst in Schottland bereits Einzug gehalten, sodass ihr der Wind bereits stürmisch entgegen schlug und die feuchte Kälte in ihre Knochen kroch. Sie zog ihren Umhang fester zusammen und ärgerte sich, dass sie heute nicht ihren Winterumhang genommen hatte.

Auf der letzten Stufe wurde sie von einer besonders starken Bö erfasst und wäre beinahe gefallen, wenn sie nicht im letzten Moment von jemandem festgehalten worden wäre. Überrascht blickte sie auf und stellte mit einem mulmigen Gefühl fest, dass sie direkt in die anthrazitfarbenen Augen von Lucius Malfoy blickte, der bereits in die fünfte Klasse ging und dieses Jahr zum Vertrauensschüler ernannt worden war.

„Du solltest besser aufpassen, wenn du bei einem solchen Sturm auf Türme steigst“, tadelte er sie knapp, bevor er an ihr vorbei die Treppe nach unten stieg. Verärgert sah sie ihm nach, er hatte ihr nicht mal die Möglichkeit gegeben sich anstandsgemäß zu entschuldigen. Es war unhöflich jemanden einfach so ohne ein weiteres Wort stehen zu lassen. Ein wenig durcheinander sandte sie schließlich ihren Brief ab und machte sich dann auf den Weg zum Frühstück in die große Halle.

Dort war es bereits ziemlich voll und ein wenig stickig, sie rümpfte die Nase. Warum die Luft in der großen Halle trotz Magie stehts so schlecht sein musste, hatte sie noch nie verstanden. Genauso wenig wie die Tatsache, dass diese Schule Muggelkunde unterrichtete oder dass es den Lehrern erlaubt war, scheinbar wahllos Hauspunkte abzuziehen. Mit immer noch gerümpfter Nase blickte sie zum Lehrertisch hoch und musterte den Schulleiter, der dieses Jahr Armando Dippet abgelöst hatte. Auch wenn Albus Dumbledores Position gegenüber Muggeln weithin bekannt war, so hatte sie doch gehofft, dass mit dem neuen Schulleiter auch ein paar Änderungen in Hogwarts geschehen würden. Doch nichts dergleichen war der Fall.