12. Hochzeit und andere Unannehmlichkeiten

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Sie setzte sich an ihren Schreibtisch, nahm ihre Feder in die Hand, begann einen Brief. War unzufrieden, strich das Geschriebene durch, begann erneut, dreimal.
Immer noch unzufrieden schickte sie den Brief ab. Hoffte, dass Evan bald antworten würde, hoffte, sich dann nicht mehr allein zu fühlen. Hoffte umsonst. Es dauerte eine Woche.
Sie schrieb einen weitere Brief, diesmal an Bellatrix. Fragte wo sie sei. Schrieb, dass sie sie vermisste. Erzählte wie es ihr ging. Hoffte auf eine baldige Antwort. Hoffte umsonst. Bellatrix antwortete nicht.

Sie verbrachte die Zeit mit Lesen, beobachtete das wenige Treiben vor ihrem Fenster und stickte. Das war zwar eigentlich etwas, das Muggel taten und das man getrost den Hauselfen überlassen konnte, doch sie hatte Gefallen daran gefunden. Es beruhigte sie und half ihr dabei ihre Gedanken zu sortieren.

Und schließlich war der große Tag gekommen. Bellatrix würde heiraten und Narzissa fühlte sich, als würde in ihr eine kleine Welt zusammenbrechen.
Die letzten Tage hatte sie in der Stille des Hauses verbracht. Ihre Eltern waren nur selten dort gewesen, sie vermutete, dass sie sich bereits auf den Landsitz begeben hatten, um die Hochzeitsvorbereitungen zu treffen, doch sicher war sie sich nicht.
An diesem Morgen waren sie jedoch da und ließen die Hauselfen alles Wichtige zusammenpacken, denn den Rest der Ferien würden sie auf dem Landsitz verbringen.

Narzissa war froh dieses stickige Haus endlich verlassen zu können. Der Sommer war in der Stadt einfach nur unaushaltbar. Sie hatte das Gefühl, dass die stickige Luft zwischen all den hohen Gebäuden gar nicht richtig abziehen konnte und sich stattdessen wie eine Dunstglocke über sie schloss. So kam es, dass fast nie der strahlend blaue Himmel zu sehen war, sondern immer nur der gräuliche Dunst der Sommerhitze und fast nie ein angenehm frischer Luftzug über ihre Wange strich.

Als sie den ersten Schritt auf das Anwesen trat war es, als würde sie zum ersten Mal seit Wochen wieder richtig durchatmen können.
Die Luft war frisch und klar, der Himmel strahlend blau und eine angenehm trockene Hitze stieg vom Boden auf.
Vor ihr lag der Landsitz der Blacks. Es war zwar nicht außergewöhnlich groß oder pompös, doch es war schön. Elegante Türmchen stiegen in die Höhe, die eine Seite des Hauses komplett mit Efeu bewachsen, das Haus selbst jedoch nur ein dunkler Fleck in der Landschaft.
Doch der Garten war ein Meisterwerk, ihr Meisterwerk. Tausende bunter Blumen zierten den Garten in sorgfältig angelegten Beeten, kleine Hecken säumten den Weg.
All die Sommer, die sie mit ihrer Familie auf dem Landsitz verbracht hatte, hatte sie an dieser Farbenpracht gearbeitet. Blumen waren ihre Leidenschaft und so hatte sich nach und nach ein prachtvoller Garten gebildet, dessen Schönheit von keinem anderen Garten in England übertroffen wurde.

Als sie ihr Zimmer auf dem Landsitz, das hoch oben in einem der kleinen Türmchen lag, betrat, fand sie einen Strauß Narzissen aus dem Garten und einen Brief von Bellatrix auf ihrem Schreibtisch vor.

Liebste Schwester,

es tut mir leid, dass ich nicht auf deinen Brief geantwortet habe. Dafür war einfach keine Zeit. Doch du sollst wissen, dass ich ihn sehr wohl bekommen habe und er mir Freude bereitet hat.
Ich hoffe dir geht es gut. Es tut mir leid, dass ich auch jetzt nicht anwesend sein kann, doch es ist noch so viel zu tun.
Ich hoffe du verstehst das. Ich freue mich jedoch schon sehr darauf dich heute auf meiner Hochzeit zu sehen.

Um zum letzten Mal den Namen meiner Familie, die ich nie vergessen werde, zu benutzen,

Bellatrix Black

Ein wenig enttäuscht ließ Narzissa sich auf das Bett sinken. Erneut wurde sie von Bellatrix vertröstet. Sie fragte sich, ob es von nun an immer so sein würde. Ihr war klar, dass Bellatrix nun eheliche Pflichten hatte denen sie nachkommen musste und auch, dass die Revolution, wie sie es nannte, sehr viel Zeit in Anspruch nehmen musste, doch sie hätte sich gewünscht, dass bei alledem wenigstens ein bisschen Zeit für sie übrig bleiben würde.

Sie betrachtete das Kleid, das die Hauselfen an ihren Kleiderschrank gehängt hatten und hoffte, dass es Evan gefallen würde. Es war ein trägerloses dunkelgrünes Kleid aus Seide, das ab der Hüfte leicht ausgestellt war und an dem sich silberne Ranken emporwanden.
Sie vermutete, dass es unter dem langen Rock heute Abend recht warm werden würde, doch was tat man nicht alles? Dann hätte sie wenigsten hin und wieder einen Vorwand, um draußen frische Luft schnappen zu gehen.

Der Abend und damit der Zeitpunkt sich für den Ball fertig zu machen kam schneller als gedacht. Doch als Narzissa fertig angekleidet vor dem Spiegel stand, hielt sich ihre Vorfreude in Grenzen. Sie hatte das untrügliche Gefühl, dass sie an diesem Abend ihre andere Schwester nun auch verlieren würde. Sie ein letztes Mal für unbestimmte Zeit wieder zu sehen, war da nur ein schwacher Trost.
Bellatrix heiratete, es war ein großer Tag für die Familie, Andromeda hätte dabei sein müssen. Andromeda, die wahrscheinlich selbst bald heiraten und damit endgültig zur Blutsverräterin werden würde. Ihre Schwester Andromeda, an die sie so viele schöne Erinnerungen hatte. Sie wollte sie nicht verlieren, auch wenn sie das schon längst hatte, doch noch war es nicht zu spät, nicht endgültig.
Es war noch früh und da Bellatrix nirgends zu finden war und sie ihrer Schwester so auch nicht helfen konnte sich für ihren großen Abend vorzubereiten, beschloss sie einen letzten verzweifelten Versuch zu starten, Andromeda doch noch auf den richtigen Weg zu bringen.

Andromeda,

geliebte Schwester, dies soll ein letzter Versuch sein dich nicht endgültig zu verlieren. Heute ist Bellatrix Hochzeitstag und ich werde das Gefühl nicht los, dass auch du hier sein solltest. Du bist ein Teil der Familie, bitte wirf das nicht weg. Ich brauche dich. Und auch Bellatrix braucht dich, auch, wenn sie es niemals zugeben würde. Es ist ein großer, ein wichtiger Tag für die Familie und es fühlt sich falsch an, dass du nicht da bist.
Es wird sich auch falsch anfühlen, wenn ich einmal heirate und du nicht da bist. Es ist falsch, dass du niemals deine Neffen und Nichten kennenlernen wirst und ich niemals die meinen.
Bitte Andromeda, sei vernünftig, noch ist nicht alles verloren. Bitte komm zurück.
Komm zurück, wenn dir deine Familie je etwas bedeutet hat. Und wenn schon nicht für sie, dann für mich. Komm zurück, wenn ich dir je etwas bedeutet habe.

Deine dich immer noch liebende Schwester

Sie rief Gimky, die ihr eine Eule bringen sollte, nahm eine Narzisse aus der Vase und legte sie dem Brief bei, bevor sie diesen an der Eule befestigte und ihr nachsah, wie sie in der Dämmerung verschwand.

Danach machte sie sich auf den Weg nach unten und hoffte, dass Evan bald kommen würde, um sie auf andere Gedanken zu bringen.

Ihre Eltern erwarteten sie schon, musterten sie kurz kritisch, bevor sie ihr ihren Platz im Empfangskomitee zuwiesen. Die ganze Sache lief genauso ab, wie schon bei der Verlobungsfeier, mit der Ausnahme, dass Evan dieses Mal zuerst auftauchte und sie freudig in den Arm nahm.
Sie begrüßten sich kurz, bevor Narzissa ihn schon einmal zu den anderen Gästen in den Saal schickte, der hier im Landhaus doch um einiges größer war als in der kleinen Stadtwohnung.
Er nickte ihr zu und versprach Plätze in der ersten Reihe zu reservieren, obwohl es selbstverständlich war, dass sie dort sitzen würden, schließlich waren sie Familie.
Sie wartete noch etwas, bis die Familie der Schwester ihres Vaters auftauchte und mit ihnen ihre beiden Cousins.
Auch an diesem Abend war sie dazu verdonnert worden auf die beiden Acht zu geben, doch dieses Mal hatte sie sich etwas überlegt.
Sie hatte mit Sirius ein paar Eulen hin und her geschickt und schließlich hatten sie sich darauf geeinigt, dass die beiden sich an diesem Abend herausragend benehmen würden, wenn sie dafür im Gegenzug eine Jahresration magischer Süßigkeiten bekamen.
Narzissa hatte erleichtert zugestimmt und so nickte sie den beiden verschwörerisch zu, bevor sie mit ihnen in einer dunklen Ecke verschwand und ihnen einen kleinen Beutel überreichte.

Sirius sah sie fragend an, für ihn sah das nämlich ganz und gar nicht wie eine Jahresration aus. Doch als Narzissa den Beutel öffnete, wurden die Augen der beiden Jungen groß wie Teller und Narzissa erklärte ihnen, dass der Beutel mit einem unaufspürbaren Ausdehnungszauber belegt war.

Sirius schien zufriedengestellt. Sie gaben sich verschwörerisch die Hand und die beiden Jungen verschwanden, um wahrscheinlich die erste Hälfte ihres Jahresvorrates zu verdrücken.
Jetzt war es für Narzissa an der Zeit sich zu entspannen und endlich anzufangen den Abend zu genießen.
Sie machte sich auf den Weg in den Saal, der mit Stühlen vollgestellt war, die nur durch den breiten, mit Teppich ausgelegten Mittelgang von einander getrennt waren. Der Raum war über und über geschmückt mit Blumen und Narzissa hoffte sehr, dass diese nicht aus ihrem Garten stammten, denn sonst würden die Hauselfen gewaltig was zu hören bekommen.

Sie ging den langen Gang bis ganz nach vorne und überlegte sich, wie es wäre, wenn sie einmal hier entlang laufen würde. Ganz in weiß, von allen bewundert, glücklich. Hoffentlich.
Auf wen würde sie wohl zulaufen? Wer würde am Ende dieses Ganges auf sie warten?

Lucius Malfoy. Am Ende des Ganges stand Lucius Malfoy und wartete auf sie. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah sie ungeduldig an. Sie versuchte nicht die Augen zu verdrehen, ging zu ihm hin und fragte: „Guten Abend Malfoy. Kann ich dir irgendwie helfen?“
Er schnaubte als hätte sie ihn irgendwie vor den Kopf gestoßen und sagte: „Man hat mich nicht zu meinem Platz geleitet. Es ist eine Unverschämtheit die Gäste sich selbst zu überlassen, es sollte Platzzuweiser geben.“
Narzissa seufzte innerlich, wenn es nach ihr ginge würde er irgendwo möglichst weit hinten sitzen, damit sie ihn nicht sehen musste. Es störte sie, dass er sich nach dem Verlobungsball wieder so unhöflich benahm, fast hatte sie geglaubt er würde ihr von nun an höflicher begegnen, doch da schien sie sich getäuscht zu haben.
Trotzdem lächelte sie liebenswürdig als sie sagte: „Natürlich, verzeiht. Die ersten Reihen sind für die Familienangehörigen reserviert. Soweit mir bekannt ist, gibt es keinen einzigen Malfoy im Blackstammbaum, wenn du also nicht mit den Lestranges verwandt bist, wirst du wohl in der Mitte Platz nehmen müssen.“
Doch leider grinste er nur abfällig und sagte: „Dann trifft es sich ja gut, dass einer meiner Vorfahren eine Lestrange geheiratet hat.“ Und sich dann, anscheinend noch ein letztes bisschen Respekt besitzend, in die zweite Reihe setzte.

Narzissa bezweifelte, dass sich dieser Vorfahre in der näheren Vergangenheit befand, zumal der Stammbaum der Lestranges ziemlich verworren war, doch sie beschloss sich nicht weiter über Lucius Malfoy aufzuregen, sondern den Abend zu genießen.
Evan schien nichts von der ganzen Sache mitbekommen zu haben, er sah ziemlich entspannt durch die Gegend und begann schließlich mit ihr über langweilige Themen zu reden.

Der Saal begann sich mehr und mehr zu füllen und schließlich startete auch die Zeremonie, die zwar sehr schön war, doch leider auch sehr lang. Kein einziges Fenster war in diesem Saal geöffnet, sodass es schon bald unangenehm warm und stickig war und Narzissa sich nichts sehnlicher wünschte als endlich diesen Raum verlassen und ein wenig frische Luft schnappen zu können.

Schließlich war es so weit. Die Zeremonie war vorbei, der erste Tanz getanzt und die Leute begannen endlich den angenehmen Teil des Abends zu genießen. Narzissa nutzte die erste Gelegenheit, um sich von Evan zu entschuldigen und endlich in die kühle Abendluft zu treten.
Hier im Garten klang die Musik aus dem Saal nur noch gedämpft herüber und die tagsüber so leuchtenden Blumen lagen jetzt in der Dunkelheit, nur hin und wieder erleuchtet durch das Licht der vereinzelten Fackeln, die die Kieswege beleuchteten.
Narzissa entfernte sich ein paar Schritte vom Haus bis es fast still war, die kühle Luft verursachte eine angenehme Gänsehaut auf ihren nackten Armen und in der Ferne konnte sie ein paar Grillen zirpen hören. Und so sehr Narzissa den Sommer auch hasste, so musste sie sich doch eingestehen, dass laue Sommerabende wie dieser durchaus etwas für sich hatten.

Über ihr erstreckte sich der Sternenhimmel in seiner unendlichen Weite, seiner Schönheit und Unerreichbarkeit. Zumindest für sie, all ihre Familienmitglieder befanden sich dort oben, Bellatrix, Andromeda, ihr Vater Cygnus, selbst ihre Cousins Sirius und Regulus Arcturus. Nur sie selbst war dazu verdammt auf ewig hier unten zu bleiben, bei den Blumen, ausgeschlossen durch ihr Aussehen, dass sich so sehr von dem der restlichen Blacks unterschied und ihrem Namen. Wunderschön im Sommer, doch sobald der Winter kam dazu verdammt zu sterben, vergänglich, ja geradezu nichtig im Anblick der Sterne.
Ihr Blick wanderte weiter zu dem kleinen Hügel, der sich hinter dem Haus erhob und stutzte, als sie dort oben eine Silhouette erblickte. Es war zu dunkel, um zu erkennen um wen es sich handelte, doch ein ungutes Gefühl machte sich in Narzissa breit und gerade als sie nachsehen gehen wollte, um wen oder was es sich wohl handelte, hörte sie es hinter sich knirschen.

Eine Blume unter SternenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt