13. Der Himmel brennt

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Erschrocken drehte sie sich um, war sie doch so in Gedanken versunken gewesen, dass sie ihre Umgebung völlig vergessen hatte und verfluchte sich innerlich ihren Zauberstab vergessen zu haben.
Doch hinter ihr stand nur Evan, der beschwichtigend seine Hände hob und beruhigend lächelte. „Keine Sorge, ich bin‘s nur. Ich wollte dich nicht erschrecken.“
„Hast du aber“, murmelte sie, immer noch ein wenig unter Schock, während sie versuchte ihren Herzschlag zu beruhigen.
„Das tut mir leid. Ich wollte nur mal nachsehen, ob alles in Ordnung ist, du bist nun schon eine halbe Stunde hier draußen.“ Evan kam näher und legte ihr eine Hand auf den Arm. „Du bist ausgekühlt“, stellte er fest und ergänzte, „Aber ich kenne da einen Weg wie man das ändern kann.“
Und damit zog er sie wieder zurück ins Innere und tanzte mit ihr, bis sie sich kaum noch auf den Füßen halten konnte und die Silhouette auf dem Hügel vergessen war.

Später am Abend, als das Brautpaar längst verschwunden und nur noch die Gäste übrig waren, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht nach Hause wollten oder schlicht und einfach zu betrunken waren, um zu apparieren, verabschiedete sich schließlich auch Evan von ihr, der nach eigener Aussage alles getan hatte, um diese Nacht bei ihr zu verbringen, doch seine Eltern es unter keinen Umständen zulassen wollten.
Narzissa war insgeheim ganz froh, dass er nicht bleiben durfte. So sehr sie den Abend auch genossen hatte, so war sie doch froh jetzt ihre Ruhe zu haben. Sie sehnte sich nach der Stille und Abgeschiedenheit ihres Bettes.

In ihrem Turmzimmer angekommen, wechselte sie ohne Licht zu machen ihre Kleidung und wandelte die strenge Hochsteckfrisur in einen lockeren Flechtzopf um.
Das Zimmer hatte sich über Tag und Abend aufgeheizt, sodass Narzissa jetzt das Fenster öffnete, um die kühle Nachtluft einzulassen.
Sehnsüchtig wanderte ihr Blick wieder zu den Sternen. Andromeda war nicht gekommen. Den ganzen Abend über hatte sie die kleine Hoffnung gehabt, dass ihre Schwester vielleicht doch noch kommen würde, ihr vielleicht klar geworden war, wie falsch ihr Verhalten doch war und dass sie eigentlich hier sein sollte. Hier bei ihrer Familie.
Jedes Mal, wenn neue Gäste eintrafen, war ihr Blick hoffnungsvoll zum Eingang gehuscht, nur um dort festzustellen, dass es nicht Andromeda war, die den Saal betreten hatte.

Ihr Blick wanderte weiter zum Horizont, an dem es nicht mehr komplett dunkel war und an dem man erahnen konnte, dass schon in wenigen Stunden die Sonne wieder aufgehen würde.
Von ihrem Fenster aus konnte man den gesamten hinteren Teil des Gartens überblicken und somit hatte man auch Sicht auf den kleinen Hügel, der sich hinter dem Haus erhob. Und auch dieses Mal konnte Narzissa auf diesem Hügel den Umriss einer Gestalt ausmachen. Und wieder breitete sich dieses ungute Gefühl in ihrem Magen aus.

Ihr erster Gedanke war, ihren Schwestern Bescheid zu sagen, damit sie gemeinsam ergründen konnten um wen oder was es sich bei der Gestalt handelte, doch dann fiel ihr ein, dass sie keine Schwestern mehr hatte. Zumindest nicht so wie früher.
Nun war sie ganz auf sich allein gestellt, niemand würde ihr mehr helfen, ihr beistehen, ihre Probleme lösen. Andromeda schien endgültig verloren und Bellatrix war verheiratet, nur sie selbst konnte sich jetzt noch helfen und sie begriff, dass spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen war, an dem sie erwachsen werden musste.

Also umklammerte sie ihren Zauberstab und schlich sich leise durch den Hinterausgang in den Garten, schließlich wollte sie von niemanden in ihrer Schlafkleidung gesehen werden, denn das wäre schließlich höchst unschicklich.
Ihre Schritte knirschten leise auf dem Kies, doch bald schon endete der Kiesweg und ihr blieb nichts anderes übrig, als durch Unkraut und hohes Gras den Hügel hinauf zu klettern. Sie rümpfte die Nase und hoffte sich ihre makellose weiße Hose nicht durch ein paar Dornen zu ruinieren.

Schließlich näherte sie sich, ein wenig außer Atmen, dem Gipfel und versuchte die Luft anzuhalten, um sich nicht sofort zu verraten.
Mit erhobenem Zauberstab schlich sie sich dichter an die immer noch leicht im Dunkeln sitzende Person heran, sie war sich nicht sicher, ob sie den Unbekannten auffordern sollte sich zu offenbaren und zu ergeben oder, ob sie es riskieren sollte außerhalb von Hogwarts einen Fluch abzugeben, schließlich wusste sie nicht, welcher Gefahr sie hier gegenüberstand.

Doch bevor sie eine Entscheidung treffen konnte, hörte sie ein trockenes Lachen und sah die hellen Haare von Lucius Malfoy im Mondlicht aufblitzen.
Obwohl ihr ein riesiger Stein vom Herzen fiel, ärgerte sie sich ein wenig darüber, dass er es geschafft hatte ihr solche Angst einzujagen.

„Du wolltest doch nicht wirklich außerhalb Hogwarts zaubern?“ Sein sonst so lässiger Ton klang etwas schleppend und beim Nähertreten fiel ihr die Flasche auf, die neben ihm im Gras lag. Missbilligend schüttelte sie den Kopf, übermäßiger Konsum von Alkohol war ihr zutiefst zuwider, es machte die Menschen dumm und emotional und was am schlimmsten war, ehrlich.

„Was zum Geier machst du hier Malfoy?“, fragte sie genervt. Jetzt, wo die Beunruhigung nachgelassen hatte, spürte sie die Müdigkeit wieder mit voller Stärke. In wenigen Stunden würde die Sonne aufgehen, sie war es nicht gewohnt so lange wach zu bleiben, es ruinierte die Schönheit und so sehnte sich jetzt alles in ihr nach ihrem Bett.

„Ich warte auf den Sonnenaufgang“, antwortete er, als wäre das eine Selbstverständlichkeit. Er lallte noch nicht, doch Narzissa merkte, dass es ihm schon ein wenig Anstrengung kostete die Worte deutlich auszusprechen, einmal mehr rümpfte sie die Nase.

„Du solltest nach Hause gehen Malfoy.“ Müde ließ sie sich neben ihm ins Gras sinken, während sie sich im Stillen darüber ärgerte, dass ihre kurze Schlafhose fleckig werden würde.

„Offiziell bin ich das schon seit drei Stunden. Mein Vater wird es eh nicht bemerken, das tut er nie, dafür ist er viel zu gefangen in seinen politischen Diskussionen und Mutter ist seit Jahren schon so gut wie tot.“
Er trank einen Schluck aus einem Glas, das er wohl schon die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, ihr bis jetzt aber noch nicht aufgefallen war.
„Aus der Flasche trinkt man nur im Notfall“, kam die trockene Antwort auf ihre unausgesprochenen Gedanken. „Möchtest du auch?“

Sie schüttelte den Kopf.
„Dachte ich mir.“
„Malfoy…“, begann sie, doch wusste dann nicht, wie sie weiter machen sollte und brach ab. Ihre Müdigkeit hinderte sie am Denken und das störte sie. Genauso, wie es sie eigentlich stören sollte, dass Lucius Malfoy hinter ihrem Haus auf dem Hügel saß und sich betrank. Doch gerade war es ihr schlicht und einfach egal. Man hätte ihr erklären können, dass das Haus abbrannte und es wäre ihr egal gewesen, alles in ihr schrie nach Schlaf, sie hätte einfach gehen und ihn hier sitzen lassen können, doch aus irgendeinem Grund wollte sie auch nicht gehen.
„Was tust du hier, Malfoy?“, fragte sie noch einmal in Ermangelung einer besseren Idee.
„Dasselbe könnte ich dich fragen, schließlich klingst du als könntest du im Stehen schlafen.“
Ich habe eine unbekannte Person auf dem Hügel hinter meinem Haus gesehen und musste sichergehen, dass von ihr keine Gefahr ausgeht.“
„Ich bin also eine unbekannte Person?“ Seine Fragen waren genauso trocken wie seine Antworten. An seiner Stimme ließ sich nicht das geringste bisschen Interesse heraushören und es kam Narzissa so vor, als würde er einfach nur um des Redens willen mit ihr sprechen.
„Nun, streng genommen bist du das. Ich kenne deinen Namen und weiß, dass du Vertrauensschüler im Jahr über mir bist. Also ja, ich kenne dich nicht.“
„Und warum sitzt du dann noch hier?“
Das war die Frage, die sie auch nicht zu beantworten wusste und momentan auch nicht wollte. Dumpfe Müdigkeit hatte sich in ihrem Körper breit gemacht. Sie legte den Kopf in den Nacken und sah hinauf zu den Sternen, die schon bald verblassen würden, also ob sie in der Unendlichkeit des Universums eine Antwort finden würde. Vor ihrem inneren Auge begannen die einzelnen Sterne sich zu einem Sternenbild zu verbinden, sodass sich nun vor ihr ein Drache aus Sternen über den Horizont erstreckte.

„Wunderschön, nicht wahr?“, hörte sie seine Stimme wieder neben sich. „Der Drache war schon immer mein liebstes Sternenbild. Als eines der ältesten Sternenbilder aus der Antike umspannt er den halben Himmel. Ein prachtvoller Sternenzug, der mit seinem grünen und roten Auge auf uns hinabblickt.“
„Ich wusste gar nicht, dass du dich für die Sterne interessierst“, murmelte sie mehr zu sich selbst.
„Nun, wie du eben schon festgestellt hast, kennst du mich nicht.“
„Richtig.“ Sie klang, als hätte sie es selbst schon wieder vergessen.

Der Horizont begann bereits heller zu werden, schwarz wurde zu grau, bald zu blau und schließlich lila. Irgendwann war Narzissas Kopf auf Malfoys Schulter gesunken und schon kurz darauf war sie eingeschlafen.
Doch Malfoy blieb dort sitzen und starrte weiter zum Horizont, so, als wäre er niemals von ihr unterbrochen worden, als wäre er immer noch allein mit seinem Glas und der Angst vor dem, was schon sehr bald kommen würde.

Und schließlich erhob sich der orangene Feuerball aus der Dunkelheit und ließ den Himmel in Flammen aufgehen.
„Auf eine neue Zeit“, murmelte Lucius, trank den letzten Schluck und weckte Narzissa.

Als Narzissa ihre Augen öffnete stand der Himmel in Flammen. Es war großartig und erschreckend zugleich und sie fürchtete immer noch zu träumen, als sie Lucius Malfoy mit ernstem Gesichtsausdruck neben sich sitzen sah. In seinen Augen lag ein Ausdruck, den sie nicht deuten konnte, der ihr aber ebenso, wie der brennende Himmel eine gewisse Furcht einflößte.
Wortlos war er aufgestanden und reichte  ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen, doch ließ sie nicht los, als sie stand.
„Du solltest schlafen gehen, Black.“
Sie nickte und wollte schon gehen, doch er ließ sie immer noch nicht los. Fragend sah sie ihn an.
„Narzissa…pass auf dich auf.“ Damit ließ er sie los, machte einen Schritt nach hinten, womit er die Grenze des Apparierschutzes übertrat und verschwand.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 05, 2022 ⏰

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