5. Skandal bei der Weihnachtsfeier

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Als sie durch die Flure liefen, versicherte Evan ihr noch einmal, dass es ihm auch wirklich leidtue und dass es nie wieder vorkommen würde. Gedanklich seufzte sie schwer, besann sich dann jedoch wieder darauf, dass sie ihn eigentlich mochte, lächelte ihn an und sagte dieses Mal etwas freundlicher: „Es ist alles in Ordnung zwischen uns okay? Versuch einfach so etwas nie wieder vorkommen zu lassen. Und jetzt versuch den Abend ein wenig zu genießen, ja?“
Sein Gesichtsausdruck wechselte von besorgt zu erleichtert und das etwas distanzierte Lächeln, das sie so mochte, schlich sich zurück auf sein Gesicht. Und als sie bei Slughorns Räumen ankamen, hatte sie den Vorfall schon fast wieder vergessen.
Doch als sie Lucius Malfoy erblickte, der zusammen mit seiner Begleitung etwas weiter hinten im Raum stand und sich unterhielt, fiel er ihr sofort wieder ein und sie dankte Merlin dafür, dass er es nicht mitbekommen hatte.
Evan verschwand, um ihnen etwas zu trinken zu holen. Einen Moment stand sie allein in dem großen Raum voller Leute und fast fühlte sie sich zwischen all den unbekannten und bekannten Menschen ein wenig verloren, als im nächsten Moment schon Slughorn auf sie zu kam und sie freudig begrüßte.
Er komplimentierte ihr Aussehen, sie die Dekoration, und als Evan mit zwei Gläsern Punsch zurückkam, wurde auch dieser höflich begrüßt. Als die nächsten Gäste eintrafen entschuldigte Slughorn sich höflich und setzte seine Begrüßungsrunde fort.
Dankbar nahm Narzissa Evan das Glas ab und trank einen großen Schluck. Der Punsch war ein wenig zu süß für ihren Geschmack, doch er stillte erstaunlicherweise den Durst.
„Ganz schön viele Leute hier“, versuchte Evan eine Unterhaltung zu beginnen, während er den Blick über die Anwesenden schweifen ließ. Sie nickte und sah sich ebenfalls um. „Slughorn kennt eben viele Leute“, erwiderte sie, worauf er wiederum nichts zu erwidern wusste und so verfielen sie wieder ins Schweigen.
„Habe ich dir schon gesagt, wie umwerfend du heute aussiehst?“, startete er einen neuen Versuch. Sie schüttelte den Kopf und lächelte geschmeichelt. „Nun, dann sollte ich das wohl dringend nachholen, nicht wahr? Du siehst umwerfend aus.“
„Dankeschön.“ Sie nahm das Kompliment an, während sie sich alle Mühe gab nicht zu erröten, was bei ihrer dünnen Haut gar nicht so leicht war und versuchte es mit einem skeptischen Blick auf sein Haar zurück zu geben. „Du äh siehst auch…gut aus.“
Wieder standen sie peinlich schweigend herum, bis Narzissa einfach das Naheliegendste fragte. „Und was wirst du so in den Ferien machen?“
„Nach Hause fahren und meine Familie besuchen. Und du so?“, gab er die Frage zurück.
„Das Gleiche. Ich freue mich schon sehr meine Schwester wieder zu sehen.“
„Deine Schwester…Bellatrix, nicht wahr?“, fragte er nach. Sie nickte.
„Man die hat mir immer Angst gemacht, wenn ich euch zusammen gesehen habe“, gab er zu.
Narzissa schmunzelte. „Ja, sie war schon immer etwas ganz Besonderes. Und sie wird bald heiraten…“ Der zweite Satz war fast nur noch ein Flüstern und mehr an sich selbst gerichtet, doch Evan hatte ihn trotzdem gehört.
„Man der Ehemann tut mir leid, ich bezweifle, dass irgendwer in der Lage wäre diesen Ehekrach zu überleben“, versuchte er ihre Stimmung ein wenig aufzuhellen. Es funktionierte tatsächlich ein bisschen, denn es erinnerte sie daran, dass Bellatrix durchaus auf sich selbst aufpassen konnte und sich selbst von einer aufgezwungenen Ehe wohl nicht unterkriegen lassen würde. Hoffentlich.

„Hey, so schlimm ist sie gar nicht. Sie ist etwas ganz Besonderes und jeder der sie heiratet sollte sich glücklich schätzen.“ Sie versuchte vorwurfsvoll zu klingen, doch der Ton ging in ihrem Lächeln unter.
„Wenn du das sagst.“ Er lächelte ebenfalls. Die Spannung zwischen ihnen war gelöst und Narzissa begann sich zu entspannen.
„Möchtest du tanzen?“, fragte Evan schließlich. Sie willigte nickend ein und ließ sich von ihm zu der kleinen Tanzfläche führen, die Slughorn eingerichtet hatte, doch bevor sie dort ankamen, stellte sich Lucius Malfoy mit seiner Begleitung, die Narzissa nur vage bekannt vorkam, in den Weg. Innerlich seufzte sie genervt auf, doch nach außen versuchte sie es sich nicht anmerken zu lassen.
„Guten Abend Black. Evan, wie geht es der Familie?“, begrüßte Malfoy sie und schien sich nicht im mindesten dafür zu interessieren, dass Narzissa auch da war. Er hatte sie nicht einmal angesehen und unterhielt sich jetzt oberflächlich mit Evan, dem die ganze Sache sichtbar unangenehm war. Sie wartete, bis die beiden das Thema Familie abgehakt hatten und klinkte sich dann in das Gespräch ein, indem sie zwischen den beiden Jungen hin und her sah und schließlich sagte: „Ich wusste gar nicht, dass ihr beiden euch so gut kennt.“
„Wir haben…nun, ähnliche Interessen“, sagte Malfoy und fuhr fort, „Und außerdem ist es meine Pflicht als Vertrauensschüler mich um alle Schüler zu kümmern.“ Und während er das sagte, konnte sie wieder das gefährliche Funkeln in seinen grauen Augen sehen, dass sie, wenn sie genauer drüber nachdachte ein wenig an einen gut polierten Fußboden erinnerte.
Sie verkniff sich ihren Kommentar und sagte stattdessen: „Möchtest du uns nicht deine Begleitung vorstellen?“ Während sie zu dem großen dunkelhaarigen Mädchen hinüberblickte, das sich bis jetzt eher im Hintergrund gehalten hatte.
Der gut polierte Fußboden lächelte höflich gezwungen und stellte seine Begleitung als eine Marlene Snyde vor, die ebenfalls höflich lächelte, aber immer noch kein Wort sagte. Weiter gab es zwischen den beiden Paaren jedoch nichts zu sagen und so entschuldigte sich Malfoy wieder und verschwand mit seiner Begleitung dahin, wo er hergekommen war.

Genervt blickte sie den beiden hinterher, bis sie von Evans Stimme aus ihren Gedanken gerissen wurde.
„Bei deinem Gesichtsausdruck mag ich gar nicht fragen, aber… möchtest du immer noch tanzen?“
Überrascht blickte sie ihn an, fast hatte sie vergessen, dass er da war, sodass sie eifrig nickte und ihm zur Tanzfläche folgte, obwohl ihr nicht mehr im Geringsten danach war. Sie merkte, dass sie schon wieder in Gedanken versunken war, als sie plötzlich Evans Hand an ihrer Taille spürte und ermahnte sich zur Konzentration. Sie sollte sich wirklich nicht so sehr aus der Bahn werfen lassen und schon gar nicht von Malfoy. Also lächelte sie Evan aufmunternd zu und begann sich langsam mit ihm zum Takt der Musik zu bewegen.
Es war schön. Evan war ein guter Tänzer und so tanzten sie ein Weilchen, bis schließlich ein langsameres Lied gespielt wurde und Evan sie ein wenig dichter zu sich heranzog. So dicht, dass sie seinen Körper an ihrem spüren konnte und sie ihren Kopf an seiner Schulter ablegte, einfach, weil sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte. Denn ihr war plötzlich klar geworden, dass sie noch nie so mit einem Jungen getanzt hatte. Also natürlich hatte sie es schon getan als sie kleiner war, aber noch nie hatte sie einen von ihnen auf diese Art und Weise gemocht. Ihr Herz klopfte ein wenig schneller als sonst und ganz leicht spürte sie seinen Atem in ihren Nacken, sodass ihre Haut dort anfing leicht zu kribbeln. Mit anderen Worten es juckte ein wenig, doch sie konnte sich nicht kratzen, denn das hätte komisch gewirkt. Also versuchte sie sich abzulenken, indem sie anfing die anderen Tanzenden zu beobachten. Das funktioniert auch ganz gut, bis ihr Blick auf Lucius Malfoy und seine Begleitung fiel, dessen Namen sie bereits wieder vergessen hatte, die eng umschlungen tanzten.
Sie überlegte, ob sie ebenso mit ihm getanzt hätte, wenn sie seine Begleitung gewesen wäre. Bei dem Gedanken schauderte sie. Sicher nicht, niemals hätte sie zugelassen, dass jemand, den sie kaum kannte und sie noch dazu so unhöflich behandelte so anfasste, ihr wurde ja schon vom Zusehen schlecht. Und sie begann sich zu fragen, wie gut dieses Mädchen Malfoy eigentlich kannte. Sie hatte die beiden vorher noch nie zusammen gesehen, wahrscheinlich war sie in seinem Jahrgang, aber besonders gut befreundet schienen sie nicht zu sein. Zumindest noch nicht, aber vielleicht würde sich das nach diesem Abend ja ändern, dachte sie grimmig.

Malfoy, der ihren Blick wie durch ein Wunder registriert zu haben schien, zwinkerte ihr plötzlich zu und ihr wurde schlagartig bewusst, dass sie ihn viel zu lange angestarrt hatte. Empört drehte sie sich weg und hoffte, dass das Lied bald enden würde, denn die neue Nähe zu Evan, die sie jetzt wieder überdeutlich spürte, machte sie nervös und plötzlich war ihr auch viel zu heiß.
Merlin schien sie erhört zu haben, denn in dieser Minute wechselte das Lied, sodass Narzissa sich fast schon ruckartig von ihrem Tanzpartner losmachte und tief Luft holte. Zuerst sah Evan sie ein wenig verwirrt an, bis er erkannte, dass es ihr augenscheinlich nicht gut ging und ihr besorgt eine Hand auf den Rücken legte. Seine Hand war warm, zu warm und half ihr nicht gerade dabei ihre eigene plötzliche Hitze in den Griff zu bekommen.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte er besorgt, obwohl es ganz offensichtlich war, dass es das nicht war.
„Ja… Nein…Mir ist nur ein wenig warm. Die Luft hier drinnen ist nicht besonders gut. Ich werde einen Moment frische Luft schnappen gehen“, erklärte sie knapp und ließ ihn dann einfach an Ort und Stelle stehen. Sie brauchte gerade etwas Abstand, nicht nur zu Evan, sondern auch zu allen anderen Gästen. Ihr war ein wenig schwindelig, doch das legte sich sofort wieder, als sie endlich in die Kühle Nachtluft auf dem Balkon trat und tief durchatmete. Ihre Augen begannen den Nachthimmel abzusuchen und schon kurz darauf hatte sie gefunden, was sie gesucht hatte, ihre Schwestern.
Das Sternenbild Andromeda, das sich mit seinen rund sechzig Sternen über den ganzen Nachthimmel erstreckte und Bellatrix einer der hellsten Sterne in der ewigen Dunkelheit der Nacht, gaben ihr immer Kraft. Sie hatte sich schon fast so weit gesammelt, dass sie wieder hineingehen könnte, als plötzlich Malfoy vor ihr auftauchte.

„Was willst du hier Malfoy?“, fragte sie genervt, sie hatte einfach nicht mehr die Kraft höflich zu sein und sie fand, dass er sich das nach diesem Abend auch nicht verdient hatte.
Ob der unhöflichen Anrede, zog er fragend eine Augenbraue nach oben, sagte aber rasch: „Keine Sorge, du hast nichts vor mir zu befürchten, denn das hat mir gerade jemand abgenommen“
Sie sah ihn fragend an, doch er grinste bloß überheblich und sagte: „Ich denke du solltest reinkommen und es dir selbst ansehen.“
Skeptisch folgte sie ihm zurück in den von warmer Luft erfüllten Saal. Zuerst sah sie nicht, was er meinte, doch dann fiel auch ihr Blick auf ein Paar auf der Tanzfläche, das scheinbar nur Augen für einander hatte und all die neugierigen bis entsetzen Blicke überhaupt nicht zu bemerken schien.
Narzissa blieb wie erstarrt stehen, traute zuerst ihren Augen nicht, blinzelte und sah noch einmal hin, doch an dem Bild vor ihren Augen hatte sich nichts verändert. Sie sah ihre Schwester Andromeda mit einem Hufflepuff tanzen, dessen Gesicht ihr zwar nur vage bekannt vorkam, doch nach Andromedas Verhalten in den letzten Wochen ahnte sie das schlimmste und wie um ihren Alptraum zu bestätigen, lehnte sich Lucius zu ihr herunter und flüsterte: „Das dort ist Edward Tonks, ein Muggelgeborener aus dem Hause Hufflepuff. Anscheinend sind wir hier nicht die einzigen, dessen Begleitung weit unter Stand ist.“ Lucius grinste hämisch, denn ihr stand der Schock noch immer sichtbar ins Gesicht geschrieben, sie bemühte sich darum Ruhe zu bewahren und ihr Gesicht zurück in eine undurchdringliche Maske zu verwandeln, doch trotz allem bereitete sich in ihrem Magen ein flaues Gefühl aus. Das durfte nicht sein, Andromeda durfte, nein sie konnte einfach nicht mit einem Muggelgeborenen zusammen sein und sich dann noch so in der Öffentlichkeit mit ihm zeigen. Sie besudelte den Namen Black und alles wofür sie standen, nein, das konnte, das durfte nicht…
Hin und hergerissen, zwischen dem Bedürfnis so schnell wie möglich von hier zu verschwinden und so zu tun, als hätte sie all das nie gesehen und dem Verlangen auf die Tanzfläche zu laufen und die beiden voneinander zu trennen, stand sie immer noch völlig gelähmt einfach nur da und starrte.

Plötzlich tauchte Evan neben ihr auf und legte ihr behutsam die Hand auf den Arm. „Ach hier bist du, ich habe dich schon gesucht. Du hast es also schon gesehen, hm?“, fragte er bedauernd.
„Es ist schwer es nicht zu sehen, Evan“, sagte Malfoy, der inzwischen tatsächlich versuchte sich das schadenfrohe Grinsen zu verkneifen und schockiert dreinzublicken.
Doch als Evan schließlich an Lucius gewandt sagte: „Danke, dass du auf sie aufgepasst hast“, brannte in Narzissas Kopf irgendetwas durch, sodass sie kurz davor war, einen eigenen Skandal anzurichten. Wütend funkelte sie Evan an und zischte: „Ich brauche verdammt nochmal niemanden, der auf mich aufpasst, verstanden? Ich bin eine Black, ich kann verdammt nochmal auf mich selbst aufpassen“, und an Malfoy gewandt fuhr sie fort, „Und sie“, sie nickte in Richtung Andromeda, „kann es verdammt nochmal auch. Sie weiß genau, was sie dort tut und was die Konsequenzen sind und wenn sie das dort wirklich ernst meint, ist sie nicht länger meine Schwester.“ Und damit, drehte sie sich um und verließ, so schnell der Anstand und ihre hohen Schuhe es zuließen, die Feier. Zurück blieben ein schockierter Evan Rosier und ein belustigter Lucius Malfoy.

Als sie durch die langen Gänge zurück zu ihrem Gemeinschaftsraum lief, überschlugen sich ihre Gedanken. Wie hatte Andromeda das tun können? Wieso hatte sie sie so bloßgestellt? War es Andromeda ernst mit diesem Edward? Was sollte sie ihren Eltern sagen? Sollte sie es ihren Eltern sagen? Es würde sich rumsprechen.
Eilig stolperte sie in den Gemeinschaftraum, doch dieses Mal störten sie all die verwunderten Blicke nicht, während sie zu ihrem Schlafsaal lief. Sie hatte größere Probleme. Sie konnte gar nicht schnell genug ins Bett kommen und endlich die Vorhänge zuziehen, sich vor der Welt verstecken. So sehr sie ihre Schwester jetzt auch anschreien und zur Vernunft bringen wollte, so sehr musste sie sich auch zurückhalten es nicht zu tun. Das würde nur noch mehr Aufsehen erregen, vielleicht könnte man es noch herunter reden. Eine jugendliche Eskapade, sonst nichts. Noch war es möglich den Schaden zu begrenzen, doch sie bezweifelte stark, dass Andromeda da mitmachen würde.
Es hatte sie sowieso sehr gewundert, dass Andromeda überhaupt zu der Weihnachtsfeier gekommen war. Schließlich war sie das ganze Schuljahr über bei keinem von Slughorns Abendessen gewesen und ihr waren langsam die Ausreden für ihre Schwester ausgegangen. Aber natürlich hatte auch sie eine Einladung zu seiner Feier bekommen, selbst Bellatrix hatte eine bekommen, doch sie hatte freundlich absagen müssen, schließlich stand ihre Verlobungsfeier an. Was sollte nur werden? Warum konnte sich Andromeda nicht in einen reinblütigen Zauberer verlieben, irgendeinen? War sie überhaupt in Edward verliebt oder war er nur ein Mittel zum Zweck, um sich von all den Zwängen ihrer Familie loszusagen? Und wenn sie es wirklich ernst mit ihm meinte? Sie hoffte es nicht, aus tiefstem Herzen, sie hoffte es nicht, denn sonst, würde sie eine Schwester verlieren.

Eine Blume unter SternenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt