Erschrocken wirbelt Tacco buchstäblich herum, eine dicke Staubwolke weht auf, und er steuert auf den Rand des Waldes direkt neben ihm zu. Vergisst völlig, was er eigentlich tun wollte. Denn dieser Hilfeschrei war qualvoll und herzzerreißend zugleich.
Zitternd gelangt er an einen der ausladenden Büsche und schiebt Äste und Blätter achtlos zur Seite. Mit dem Rollstuhl ist es gar nicht so einfach, sich einen Weg durch das Gestrüpp zu kämpfen, doch das Adrenalin in Taccos Körper und sein laut pochendes Herz sind alles, was er gerade noch wahrnimmt und worauf er sich verlässt. Einige Sekunden später befindet er sich direkt vor der majestätischen, dunklen Eiche, die zwischen all den Palmen und einigen kleineren Bäumen förmlich heraussticht. Verwirrt sieht er sich um. Hier ist niemand. Mit zusammengekniffenen Augen sucht er nach Fußspuren, einem Lebenszeichen, als es erneut ertönt. Diesmal kommt es direkt von einem Ast über seinem Kopf. Und in dem Moment versteht Tacco es. Es ist kein Kind, welches um Hilfe gerufen hat. Direkt über ihm befindet sich ein rotes Eichhörnchen, welches sich zwischen zwei Ästen eingeklemmt hat – wie auch immer das passieren konnte.
Schwer atmend rollt Tacco einige Meter nach hinten, nur um von einem großen Busch wieder nach vorne gedrängt zu werden. Wie zum Tartaros ist das im Namen der Götter überhaupt möglich? Er kann doch nicht... Klar, Tacco liebt Tiere und die meisten Tiere lieben auch ihn und er verbringt manchmal sogar lieber Zeit mit ihnen als mit Menschen. Wobei, so ganz stimmt das auch nicht. Tacco beherrscht unglaublich viele Sprachen, die es ihm ermöglichen, nicht nur mit verschiedenen Menschen, sondern sogar mit den von allen so verhassten Androidenmenschen zu kommunizieren. Sogar längst vergessene, an den Rand der Gesellschaft verbannte Wesen wie blaugesichtige, hagere Aliens kennt der Junge. Teilweise hat er sogar das Gefühl, all diese Menschen und Wesen helfen ihm besser als jede Therapie, die sich die Business-Schmarotzer leisten können.
Doch in seinem ganzen Leben ist es ihm noch nie gelungen, Tiere buchstäblich sprechen zu hören! Vielleicht bildet er sich das ja auch doch nur ein. Es muss eine rationale, ganz einfache Erklärung dafür geben. Seit diese Sache mit dem dunkelhaarigen Mädchen passiert ist... dieses seltsame Licht, seit dem Zeitpunkt sind eine Reihe merkwürdiger und überaus unerklärlicher Dinge passiert. Ob sie etwas damit zu tun hat?
Ein weiterer Schrei des roten Tieres über ihm löst Tacco aus seiner Schockstarre und dem Erguss an beängstigen Gedankne, der ihn überrollt. Entschlossen rückt Tacco wieder vor zu diesem schwarzen, unheilvollen Baum des Geschehens. Er atmet drei Mal tief durch, bevor er seine tätowierten Arme nach oben reckt und tatsächlich aus seiner sitzenden Position an die Spitze des Astes kommt. Geschickt umklammert er den kalten, rauen Ast und zieht ihn langsam zu sich herunter. Endlich kann er erkannen, was hier passiert ist. Ein zweiter Ast hat sich unglücklich in die Nische des ersten Astes eingedreht und – wie auch immer das Eichhörnchen dazwischengeraten ist – bietet damit ein undurchdringbares Gefängnis für das rote Fellknäuel. Langsam löst er eine Hand von dem Hauptast und zieht vorsichtig an dem zweiten Ast, um das Tier von seiner Qual zu befreien. Endlich gelingt es ihm, den Ast zu lösen und das Eichhörnchen freizugeben.
Unmittelbar darauf hopst es auf Taccos Kopf, was ihn unwillkürlich auflachen lässt. Fast hätte er die Tatsache vergessen, dass er wirklich die Stimme des Wesens hören konnte.
„Ich danke dir! Ich hatte sooolche Angst... oh man, ich wollte doch nur ein bisschen spielen. Bestimmt hätten meine Geschwister mich erst viel später wiedergefunden, wir haben Verstecken gespielt und...", sprudelt es aus dem Eichhörnchen heraus, während es auf Taccos gelbe Hose springt. Irgendetwas in Taccos entsetztem, verwunderten, verwirrten Blick lässt es offenkundig innehalten.
„Hey, Mann, alles okay bei dir? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen oder so was!"
Tacco braucht noch immer einige Momente, um sich zu sammeln. „Ich, ähm, hätte nicht gedacht, dass ich deine Sprache verstehe... aber, gerne doch. Wow... es kommt nicht oft vor, dass ich sprachlos bin."
Fellknäuel reißt die haselnussbraunen Augen auf, die selbst im fahlen Mondlicht aufleuchten. „Oh ja, das hatte mich auch ein wenig gewundert. Aber na ja, so ungewöhnlich ist das gar nicht. Wenn du gesehen hättest, was hier letztens..."
Ein lautes Krachen im Geäst unmittelbar neben ihnen lässt Tacco und seinen neuen tierischen Freund herumfahren und das Plappermaul innehalten. Mit erhobenem Zeigefinger bedeutet Tacco ihm, still sitzen zu bleiben. Langsam rollt er auf einen der Büsche zu, von dem er annimmt, die Ursache für die Geräusche zu sein, die immer lauter werden. Und gerade, als er endlich erkennt, was – oder besser gesagt wer – sich zwischen den Büschen befindet, stößt das schwarzhaarige Mädchen gegen einen von Taccos Reifen und fällt mitsamt seinem flauschigen Begleiter zu Boden.
Erschrocken sieht das Mädchen ihn aus schreckgeweiteten, grüngelb funkelnden Augen an, als auch schon das nächste Knacken im Unterholz ertönt.
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BEFORE THE SKY TURNED BLACK
القصة القصيرةEden, 3021: Dean, Allie, Daya, Ryan und Tacco sind an die menschenunwürdige, ausbeuterische und schlichtweg verlogene Gesellschaft Edens gewöhnt. Noch wissen sie nichts von der starken Verbindung, die sie zusammenführen wird. Dean hält sich mit Hack...