Ich hörte Schritte und Rufe. Ich hob meinen Kopf. "Hallo! Wir sind hier unten, bitte helfen Sie uns!" Nur kurze Zeit später tauchten Sanitäter und Polizisten am oberen Rand des Loches auf und mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich hier unten ausgeharrt hatte, aber ich hatte es geschafft. Ich hatte es wirklich geschafft, Peter die ganze Zeit am Leben zu halten und nun konnte sich richtig um ihn gekümmert werden. Es war geschafft. Die Sanitäter kletterten die Leiter hinunter und ich schilderte die Situation: "Sie müssen ihn beatmen, ich habe ihm Propofol und Fentanyl gespritzt und er hat Kopfverletzungen." Ich nannte ihnen das genaue Verhältnis der Mischung, die ich Peter gegeben hatte und erntete einige ungläubige Blicke. "Ich musste das tun, ansonsten hätte ich ihn nicht retten können", sagte ich verzweifelt. "Das können Sie dann ja der Polizei noch einmal erzählen", antwortete einer der Sanitäter scharf und warf mir einen bitteren Blick zu. Ein Polizist winkte mich nach oben, während sich einige Rettungskräfte darum kümmerten, Peter und Christian zu bergen. Mit einem unguten Gefühl erklomm ich die Leiter. Unter den Blicken der Sanitäter und auch der Polizisten fühlte ich mich schuldig, obwohl es das einzige war, was ich hätte tun können. "Bitte kommen Sie mit mir zur Wache, Sie müssen dort Ihre Aussage machen", forderte mich der Polizist auf und führte mich zu einem Streifenwagen. Ich sank in den Sitz und lehnte mich erschöpft nach hinten. "Keine Sorge, wir halten Sie nicht für verdächtig. Allerdings müssten Sie uns die Sache mit den Medikamenten erklären", durchbrach der Polizist die Stille und versuchte mich etwas zu entlasten. Ich schenkte ihm ein müdes Lächeln, antwortete jedoch nicht. Ich ließ alles über mich ergehen, erklärte warum ich Peter die Spritze verabreicht hatte und woher ich die Medikamente hatte. Das konnte ich immerhin erläutern, jedoch war ich keine Große Hilfe bei der Frage, wer das alles eingefädelt hatte. Der Mann mit der Maske blieb weiterhin ein Phantom. Es dauerte alles einige Zeit, doch schließlich war ich entlassen und machte mich sofort auf den Weg ins Krankenhaus. Dort warteten schon Dennis, Jay und Sep ungeduldig im Gang und gestikulierten wild. Als sie mich sahen, kamen alle drei ein paar Schritte auf mich zu und sofort wurde ich wieder mit Fragen gelöchert. "Wartet bitte kurz", unterbrach ich Jays Redeschwall, der auf mich einprasselte, "Wie geht es den beiden?" "Chris ist stabil, die Ärzte versuchen noch herauszufinden, was er bekommen hat, aber er scheint etwas bekommen zu haben, was ihm geholfen hat. Und Peter-", Jay machte eine Pause, "naja, es ist kritisch. Er ist im künstlichen Koma und sie haben noch nichts weiter gesagt." "Aber jetzt erzähl' du was passiert ist! Am Telefon wurde uns nichts konkretes gesagt", drängte Dennis. Und so erzählte ich die Geschichte ein weiteres Mal und kam diesmal auch nicht drum herum, ihnen von dem Kuss zu erzählen. "Du hast was?!", keifte mich Jay an, als ich erzählte, dass ich es gewesen war, die Peter ins künstliche Koma versetzt hatte. "Ist das dein scheiß Ernst? Er hätte sterben können!", ging Jay weiter auf mich los. Ich wich zurück. Er war so aufgebracht, dass ich tatsächlich etwas Angst vor ihm hatte. "Aber was hätte ich denn tun sollen?", fragte ich verzweifelt und mir stiegen Tränen in die Augen. "Wenn ich es nicht probiert hätte, dann hätte ich ihn auf jeden Fall verloren", schluchzte ich. "Jay beruhig dich", sagte Sep und zog seinen Freund etwas von mir weg. "Du hörst es doch, sie hat versucht beide zu retten und so wie es aussieht ist es ihr auch gelungen. Du solltest ihr dankbar sein. Außerdem, was hätte sie denn machen sollen in dieser Situation. Das ist nicht fair wie du sie gerade behandelst." Er schob ihn etwas weiter. "Komm schon, wir gehen kurz ein Stück." Jonathan nickte und wandte sich wortlos von Dennis und mir ab und ließ sich von Sep nach draußen begleiten. "Du darfst ihm das nicht böse nehmen, er ist gerade sehr durcheinander", versuchte Dennis mich etwas zu trösten. Er legte seine Arme um mich und drückte mich an sich. "Ich bin so froh, dass dir wenigstens nichts passiert ist. Und lass dich von Jay nicht verunsichern, du hast das Richtige getan und wenn du nicht gewesen wärst, wären jetzt wahrscheinlich beide nicht mehr hier." Ich strich mir die Tränen weg und löste mich aus der Umarmung. Zwei Ärzte kamen auf uns zu. "Sind Sie die Person, die unserem Patienten die Spritze verabreicht haben?" Ich nickte schüchtern und erwartete eine weitere Standpauke. "Was Sie da getan haben, war absolut leichtsinnig. Sie sind ein hohes Risiko eingegangen, aber ohne Sie wäre Herr Smits nicht mehr am Leben. Wir konnten ihn stabilisieren und auch seine Kopfverletzungen gut behandeln, was ohne Ihr Zutun nicht möglich gewesen wäre. Ohne das Koma und die Beatmung hätte er es nicht geschafft. So wie es aussieht, können wir ihn bald zurückholen. Sie haben ihm das Leben gerettet", sagte er Arzt und schüttelte mir die Hand. "Wir werden Sie auf dem Laufenden halten. Ach so, Herr Stachelhaus ist inzwischen wieder aufgewacht und Sie können zu ihm. Aber er braucht noch Ruhe, also bitte nicht zu lange." Die beiden Ärzte verabschiedeten sich und mir kamen erneut die Tränen, diesmal jedoch vor Freude. Ich hatte es tatsächlich geschafft. Dennis sah genauso erleichtert aus wie ich und ich konnte nicht anders, als ihn erneut zu umarmen. "Du hast es gehört, du hast sie beide gerettet. Peter wird leben und das nur dank dir. Ohne dich wären beide tot und du hast das verhindert", flüsterte er mir zu. Ich konnte nichts antworten, zu überwältigt war ich davon, dass es tatsächlich funktioniert hatte und so ließ ich mich einfach nur in seinen Armen fallen. Schließlich ließ er mich los und legte seine Hände auf meine Schultern. "Willst du zu Christian?" Ich blickte in seine Augen. "Und die anderen?", fragte ich. "Keine Sorge, ich werde ihnen erzählen, was passiert ist und was die Ärzte gesagt haben. Geh ruhig", ermutigte er mich. Ich nickte und machte mich auf den Weg zu Christians Zimmer. Ein Tropf führte über einen Zugang in seinen Arm und er hatte seine Augen geschlossen. Nur zögerlich trat ich an sein Bett und zog mir einen Stuhl heran. Im ersten Moment wusste ich nicht, was ich tun sollte, es überforderte mich, ihm so plötzlich so nahe zu sein. Langsam bewegte ich meine Hand zu seiner, zog sie erst in einem kurzen Anflug von Zweifeln zurück, legte sie jedoch dann doch ganz vorsichtig auf seine und streichelte sanft seine Finger. Ich versank in meinen Gedanken, doch er riss mich in die Realität zurück, als er seinen Kopf zu mir drehte und seine Augen öffnete. Seine wundervollen Augen, in denen ich mich so herrlich verlieren konnte, die jedoch so oft so traurig waren. "Hey", flüsterte ich. "Hey", flüsterte er zurück. "Was ist passiert?", wollte er wissen, während er mühsam versuchte, sich aufzusetzen. "Mach langsam", zügelte ich ihn und drückte ihn behutsam zurück auf sein Kissen. "Du sollst dich noch ausruhen." "Wo ist Peter?", war seine nächste Frage und mir schnürte es für einen Moment die Kehle zu. Die Bilder schossen wieder in meinen Kopf und ich musste daran denken, wie er auf Peter losgegangen war. "Woran erinnerst du dich", fragte ich. "Ich weiß nicht." Er zögerte. "Ich war unterwegs und da habe ich einen Schlag auf den Hinterkopf bekommen. Dann ist da eine große Lücke und als ich aufgewacht bin, war ich gefesselt und jemand hat was von Peter erzählt und mir dann irgendetwas gespritzt. Und dann ist alles schwarz. Ab da weiß ich nichts mehr." Ich nickte. "Du hast das Video gesehen, nicht wahr?", fragte ich ernst. Er nickte leicht. "Du sollst wissen, dass Peter mich geküsst hat. Ich versuche nicht, mich zu rechtfertigen, zu einem Kuss gehören immer zwei und ich habe es zugelassen. Aber ich habe es beendet und habe Peter klar gemacht, dass wir nur Freunde sind." Er antwortete nichts darauf und wandte seinen Blick von mir ab. Ich atmete durch. Und ein drittes Mal erzählte ich, was passiert war. "Das habe ich getan?", fragte er ungläubig. "Bitte sag mir dass das nicht wahr ist, sag mir, dass das nur ein Albtraum ist!", rief er aufgebracht und drückte sich in seinem Bett nach oben. "Ich muss zu ihm!" Ich legte meine Hände auf seine Schultern und hinderte ihn am Aufstehen. "Das bringt nichts, er ist stabil und mehr kannst du nicht tun. Es ist nicht deine Schuld Christian. Bitte bleib liegen, du bist noch nicht wieder fit und ich will nicht, dass es dir wieder schlechter geht." Widerwillig ließ er sich von mir wieder ins Bett drücken. "Was soll ich denn nur tun, wie soll ich damit umgehen? Kannst du mir das sagen?" "Ich kann es dir nicht sagen. Ich weiß auch nicht, wie es weitergehen wird. Aber es wird Zeit brauchen." Er schwieg, ich schwieg ebenso. "Kannst du mich allein lassen? Nimm mir das nicht böse, aber ich möchte alleine sein", bat er mich, während er seinen Blick von mir abgewandt hielt. "Schon gut", antwortete ich, "Ich verstehe das." Ich erhob mich und strich noch einmal über seine Hand, bevor ich sein Zimmer verließ. Auf dem Gang traf ich erneut auf Sep, Jay und Dennis und stand drei erwartungsvollen Blicken gegenüber. "Und? Wie geht's ihm?", wurde ich direkt von Jay überrumpelt. "Er ist durcheinander. Ich hab ihm erzählt was passiert ist, denn er kann sich nur bruchstückhaft erinnern. Er wollte alleine sein, nachdem ich ihm das mit Peter gesagt hab und das respektiere ich." Jay nickte. "Dennis hat uns berichtet, was die Ärzte euch gesagt haben und so wie es aussieht, hast du Peter gerettet", ergriff Sep nun das Wort. Ich nickte ebenso und schenkte ihm ein kleines Lächeln. "Vielen vielen Dank, auch wenn das nicht ansatzweise ausreichend ist, um das zu würdigen, was du die ganze Zeit für uns tust", sagte er und legte einen Arm um mich. "Ich bin so froh, dass ihr alle lebt", sagte er leise und etwas trauriger. "Das hätte auch ganz anders ausgehen können." Ich löste mich. "Könnt ihr mir einen Gefallen tun? Wenn ihr zu Christian gehen solltet, bitte gebt ihm nicht die Schuld. Seid ihm gegenüber bitte so fair und versucht ihm das Gefühl zu geben, dass ihr nicht anders von ihm denkt. Er muss sich davon erholen und macht sich selbst schon genug Vorwürfe." "Klar, das bekommen wir hin", versicherte mir Brammen. "Ich muss jetzt erstmal los. Schließlich muss ich auch erstmal damit zurechtkommen, was passiert ist", sagte ich, bevor ich alle drei zum Abschied umarmte und das Krankenhaus verließ.
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Guardian - She came to save us all [Pietsmiet Fanfiction]
Fanfiction- "Nicht alle Engel haben Flügel", sagte er sanft zu mir, bevor er mir noch einmal die Hand auf die Schulter legte und dann das Zimmer verließ. Eine Träne lief mir die Wange herunter und plötzlich spürte ich eine unendliche Leere und Dunkelheit in m...