Ich erwachte nach knapp vier Stunden Schlaf. Mir tat alles weh. Das Sofa war noch unbequemer, als es ausgesehen hatte. Aber immerhin war mir wohlig warm. Stöhnend setzte ich mich ein wenig auf und bemerkte den Grund für die Wärme: jemand hatte eine Decke über mich gelegt. Ich rieb mir die Augen und begann, meine Brille zu suchen. Ich tastete mit beiden Händen über den Boden, als ich plötzlich eine Stimme hinter mir sagen hörte: "Brauchst du Hilfe?" Erschrocken fuhr ich hoch und drehte mich um. Hinter mir stand Andi, der mich verschlafen und ein wenig amüsiert anblickte. "Ähh ne... alles gut", stotterte ich. Er musste grinsen. Ich grinste zurück und stand schwerfällig auf. Andi stand immer noch auf dem Gang und beobachtete mich. "Hast du mich zugedeckt?", fragte ich, nachdem ich mich erstmal ausgiebig gestreckt hatte. Er nickte und lächelte freundlich. "Danke", sagte ich und erwiderte das Lächeln.
Freundlicherweise bot mir Andi an, sein Badezimmer zu benutzen. Ich machte mich also ein bisschen frisch, was ich auch dringend gebrauchen konnte, denn ich sah furchtbar aus. Meine Haare waren ein einziges Chaos und ich sah müde aus. Nur gut, dass ich nicht so schnell Augenringe bekam. Als ich fertig war, sah ich mir zuerst Jay an. Er lag regungslos im Bett, aber er atmete ruhig. Das war gut. Als ich ihm vorsichtig eine Hand auf die Stirn legte, öffnete er die Augen und zuckte kurz zusammen, als er mich sah. Wahrscheinlich konnte er nicht ganz einordnen, wer ich war. Er sah mich mit großen Augen an und ich konnte den Moment genau sehen, als er sich erinnerte. "Wie geht's dir?", fragte ich ruhig. Er stöhnte leise, bevor er antwortete: "Ich fühl' mich schwach." Beruhigend legte ich ihm eine Hand auf die Brust. "Hast du noch Schmerzen?" "Ein bisschen", entgegnete er, "aber es geht schon."
Eine viertel Stunde später saß ich mich den anderen beim Frühstück. Jay hatte darauf verzichtet, etwas zu essen. Alleine gelassen hatte ich ihn aber erst, nachdem ich mich versichert hatte, dass es ihm auch wirklich einigermaßen gut ging und als ich ihn ausreichend versorgt hatte. Ich war dann mit Andi runter gegangen und wir hatten Mikkel, Dhalu, Brammen und Sep getroffen. Den beiden ging es erfreulicherweise wieder ganz gut. Bei Sep merkte man zwar, dass manche Bewegungen trotzdem noch etwas steif waren, aber dafür, dass er eines der gefährlichsten Pfeilgifte bekommen hatte, ging es ihm wunderbar. Als ich Brammen fragte, wie es ihm ginge, meinte er, er fühle sich noch ein bisschen kraftlos, aber sonst wäre alles in Ordnung. Mein Gott, was hatten sie doch für ein Glück gehabt. Sofort verschwand etwas von meiner Aufregung. Beim Essen herrschte Totenstille. Ich konnte allen ansehen, dass sie von hunderten Fragen gequält wurden, aber niemand schien sich zu trauen, die Stille zu durchbrechen. Schließlich tat Dhalu den ersten Schritt und fragte: "Sorry wenn ich so direkt frage, aber... Wer bist du eigentlich? Ich meine, warum hast du uns sofort geholfen?" Augenblicklich waren alle Blicke auf mich gerichtet. Ich schaute in die Runde. "Nun ja, warum ich direkt zu euch gekommen bin, kann ich euch selber nicht mal genau sagen. Wahrscheinlich war es einfach ein Reflex und ich habe nicht wirklich darüber nachgedacht. Aber ein paar Dinge kann ich euch mit Sicherheit sagen. Ich bin Nele Halvers und bin 17." Jetzt, da der erste Schritt getan war, wurden auch die anderen mutiger und so fragte Andi als nächster: "Du hast fast sofort gewusst, mit was die Jungs vergiftet wurden und wusstest auch, was man dagegen machen kann. Woher kommt das ganze Wissen?" "Ich bin ziemlich interessiert was Chemie und Bio angeht und beschäftige mich auch intensiv damit." "Wow, eine 17-Jährige mit so einem Hobby hab ich auch noch nicht erlebt", grinste Brammen. "Tja, wieso nicht?", grinste ich zurück. "Kommst du aus Köln oder irgendwie aus der Umgebung?", stellte nun Sep die nächste Frage. "Ne ne, mein Weg war ein bisschen weiter. Eigentlich komme ich aus Freiberg", antwortete ich wahrheitsgemäß. Da das aber niemandem etwas zu sagen schien, fügte ich hinzu: "In der Nähe von Dresden." "Ahhhh",kam es von der ganzen Gruppe. "Aus Sachsen also", stichelte Brammen. "Problem damit?", gab ich ein wenig provozierend zurück, obwohl ich natürlich wusste, dass er das nur als Spaß gemeint hatte. "Ne ne alles gut", lachte er.
Es folgten noch ein paar weitere Fragen, die ich alle beantwortete, bevor wir uns auf den Weg ins Krankenhaus zu Peter und Christian machten. Mikkel erklärte sich bereit, im Hotel bei Jay zu bleiben. Ganz alleine wollte ich ihn dann doch noch nicht lassen. Nach einer knappen halben Stunde erreichten wir das Krankenhaus und gingen gemeinsam die Treppen zur Station hinauf. Schon von weitem konnte ich Peter auf einem der Stühle erkennen. Als er uns bemerkte, stand er auf und kam ein Stück auf uns zu. Er begrüßte die anderen mit einer Umarmung, mich mit einem Nicken. Er freute sich sichtlich, Brammen und Sep wieder auf den Beinen zu sehen. Die erste Frage war natürlich, wie es Christian ging. "Es geht so. Er ist immernoch instabil, aber wenigstens nicht mehr in Lebensgefahr", bekamen wir als Auskunft von Peter. "Na immerhin", sagte Andi. "Aber aufgewacht ist er leider noch nicht und es darf auch noch niemand zu ihm", erzählte Peter weiter. "Wir können ihn lediglich von draußen sehen." Mit diesen Worten ging Piet voraus und wir folgten ihm bis zu einer großen Glasscheibe. Die Sicht war von den typischen Rollos ein wenig verdeckt, aber man konnte trotzdem ein bisschen was erkennen. Da lag er. Da lag Chris, an zahlreiche Geräte angeschlossen und mit Atemmaske.
Wortlos standen wir alle minutenlang einfach nur da. Jeder versank so nach und nach in seinen Gedanken. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Brammen Peter eine Hand auf die Schulter legte. Er schien, genau wie ich, zu merken, wie es Peter ging.
Es kam mir vor, als wäre eine Ewigkeit vergangen als Sep vorschlug einen Kaffee zu holen. Alle stimmten zu, bis auf Peter, der die Gruppe mit den Worten " Passt schon" ziehen ließ und weiterhin vor dem Fenster stehen blieb. Ich stellte mich neben ihn. "Wie geht es Jay?", fragte er nach einer Weile. "Er ist immer noch schwach, aber er ist immerhin wieder aufgewacht und ich konnte mit ihm reden. Und... Wie geht's dir?", fügte ich sanft hinzu.
"Ich... naja ich weiß es ehrlich gesagt nicht. In meinem Kopf sind so viele Fragen, so viele Gedanken und Sorgen. Ich weiß nicht, was ich denken soll. Ich glaube, es nimmt mich alles mehr mit, als mir lieb ist." Er machte eine Pause, bevor er leise weitersprach: "Ich meine, es ist schon ein seltsames Gefühl, seinen besten Freund beinahe sterben zu sehen. Ich frage mich, wie du so... so konzentriert bleiben kannst." "Oh glaub mir", begann ich fast flüsternd, "innerlich geht es mir nicht anders. Ich bin ein einziges Chaos und ich weiß genau so wenig wie du, was hier passiert oder wie ich es realisieren soll." Peter blieb stumm und blickte weiterhin durch die Scheibe auf Chris. So standen wir einige Zeit lang einfach nur da, bis ich leicht zu ihm herüber sah. Moment mal. Hatte er etwa Tränen in den Augen? Jetzt überlegte ich nicht mehr lange. Ich ergriff leicht seine Hand und zog ein wenig, sodass er sich ein Stück zu mir drehte. Erstaunt sah er mich an, doch bevor er etwas sagen konnte, legte ich meine Arme um ihn und zog ihn an mich. Zuerst zögerlich und unsicher, doch bald stärker erwiderte er die Umarmung und legte nun auch seine Arme auf meinen Rücken. "Tut mir leid", flüsterte er. "Wofür?", fragte ich und löste mich ein bisschen von ihm, um ihn ansehen zu können. Eine Träne lief ihm über die Wange. "Es ist doch alles gut." "Danke ... einfach für alles. Danke, dass du grade hier stehst" brachte er schluchzend heraus. Ich sagte nichts und zog ihn erneut in eine Umarmung.
Unterbrochen wurden wir von Brammen, der uns mit seinem Kaffee in der Hand anstarrte. "Was macht ihr denn hier schönes?", fragte er in diesem typisch zweideutigen Tonfall und musste grinsen.-----------
Aloha ^^Hier das neue Kapitel für euch. Es wird schon ein bisschen emotional.
Ich hatte übrigens ein paar Probleme mit dem Upload, es könnte also sein, dass ihr mehrere Benachrichtigungen erhalten habt, dass ich aktualisiert habe. Keine Ahnung was da los war, aber das ist das endgültige Kapitel.
Ich hoffe mal, es gefällt euch. :3
-Raven
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Guardian - She came to save us all [Pietsmiet Fanfiction]
Fanfiction- "Nicht alle Engel haben Flügel", sagte er sanft zu mir, bevor er mir noch einmal die Hand auf die Schulter legte und dann das Zimmer verließ. Eine Träne lief mir die Wange herunter und plötzlich spürte ich eine unendliche Leere und Dunkelheit in m...