Es kam zwar keine Antwort auf mein Klopfen, aber ich konnte nicht warten. Ich musste mit Chris reden und deshalb ging ich einfach rein. In seinem Zimmer ging Chris nervös auf und ab und als er mich sah, wandte er seinen Kopf abrupt zu mir. "Ist es wahr?", fragte er leise. "Ich-", weiter kam ich nicht denn Christian unterbrach mich. "Ist es wahr?", er war laut geworden, fast schrie er. "Ist Hardi wegen mir jetzt tot?", an seiner Lautstärke hatte sich nichts geändert. "Du hast alles gehört?", fragte ich beinahe schüchtern. "Ja hab ich. Und jetzt sterben sogar Leute wegen mir." Ich ging einige Schritte auf ihn zu. "Du hörst mir jetzt mal zu okay, du bist an gar nichts Schuld. Es war nicht deine Schuld, dass Sophie gestorben ist und es ist auch nicht deine Schuld, dass all das jetzt passiert. Das ist irgendein kranker Psychopath, der aus einer Anstalt abgehauen ist. Du kannst nichts dafür." Beschwichtigend hob ich die Hände, aber Christian kam nun mir bedrohlich nahe und setzte zu seiner Ausführung an: "Nein Peter, jetzt hörst du mir mal zu. Der kranke Psychopath hat es auf mich abgesehen und er will mich leiden sehen. Und deswegen seid ihr auch dran. Ich bin der Auslöser, er will mir wehtun. Und vielleicht ist es an der Zeit, dass ich bezahlen muss für damals. Dafür, dass ich nicht bei ihr war und ihren letzten Wunsch nicht erfüllt habe, weil ich lieber besoffen auf einer Party war. Er kriegt was er will und ihr habt wieder Ruhe." Ich hielt seinem funkelnden Blick stand und er packte mich am Arm, um mich näher zu sich zu ziehen. "Es passiert genau das, was er will. Wir gehen uns gegenseitig an die Gurgel. Er zieht uns auseinander und das muss ein Ende haben", sagte er eindringlich. "Und was hast du vor? Willst du dich opfern? Gehst du einfach zu ihm und bittest ihn, dich zu töten?", fragte ich aufgebracht. "Ja, warum nicht", antwortete er trotzig. "Und was ist dann mit Nele, hm?" Sein Blick veränderte sich, als ich diese Frage aussprach. Er wurde trauriger, ließ meinen Arm los und wich etwas zurück. "Denkst du ich wüsste nicht, dass du Gefühle für sie hast?" "Na und, selbst wenn. Wir haben doch eh keine Zukunft." Seine Gesichtszüge verhärteten sich wieder. "Warum glaubst du das? Sie sieht dich genauso an. Warum willst du ihr das antun?" "Mein Gott Peter", schrie er plötzlich und wirbelte hastig zu mir herum," hast du mir nicht zugehört? Wir haben keine Zukunft!" "Warum Christian, nur weil du nicht mit deiner scheiß Vergangenheit klar kommst? Weil du immer noch labil bist, auch nach all den Jahren. Weil du vielleicht seit Jahren keine Freundin mehr hattest und weil du in deiner beschissenen Angst vielleicht gar nicht mehr weißt was Liebe ist?" Auch ich war laut geworden, aber in der Sekunde, in der ich den letzten Satz zu Ende sprach, bereute ich meine Worte bereits. Und nur Augenblicke später spürte ich meine Wange brennen und sah Chris aus dem Zimmer stürmen. Ich blieb stumm und regungslos stehen. Ich war zu weit gegangen. Hatte ihn da getroffen, wo es ihm am meisten weh tat. Ich sank zu Boden und schickte ein kurzes Stoßgebet zum Himmel, dass er jetzt nichts unüberlegtes tat. Gefühlte Stunden blieb ich in meiner knienden Position, bis ich eine Hand auf meiner Schulter spürte. Von fern drang eine Stimme an mein Ohr, die ich als Jay identifizierte. Er war auf meine Höhe gekommen und ich hörte wie er mich fragte, ob alles in Ordnung sei und was passiert wäre. "Ruf Nele an", war der einzige Satz, den ich in diesem Moment sagen konnte.
Es dauerte nicht lange bis sie da war. In der Zwischenzeit hatte ich mich in mein Zimmer verkrochen und lag ohne jegliche Bewegung auf meinem Bett, bis es klopfte.
"Mhh", brummte ich. "Peter? Jay hat mich reingelassen. Was ist denn passiert?", fragte sie und ließ sich neben mir auf dem Bett nieder. Ich richtete mich auf und sah sie an. "Hast du geweint?", fragte sie verwundert. Man sah es mir also doch an. Ich nickte kurz. Sie legte mir einen Arm um die Schulter und zog mich etwas zu sich, sodass ich an sie gelehnt da saß. "Was ist passiert?", wiederholte sie ihre anfängliche Frage. Und ich erzählte alles. Ich erzählte von Dennis und Jay und von dem Streit mit Chris. Dabei ließ ich den Part mit seinen Gefühlen für sie aber bewusst erst einmal weg. Je länger ich erzählte, umso mehr überkamen mich die Gefühle und Tränen liefen über mein Gesicht. Mein Körper kapitulierte und jetzt war ich froh, mich an sie lehnen zu können. Ganz vorsichtig legte sie ihre Hand an meine Wange und gab etwas Druck, damit sie ansah. "Du hast nichts falsch gemacht." Sie sprach ganz ruhig, aber auch in ihren Augen standen Tränen. "Doch hab ich. Ich bin zu weit gegangen und er ist durchgedreht. Er hat mich geschlagen." Meine Stimme war kaum mehr als ein schwaches Wimmern. "Ich hoffe er macht keine Dummheiten. Ich hätte ihn niemals gehen lassen dürfen", schluchzte ich. "Ist schon gut. Wollen wir ihn suchen?", fragte sie. "Das würdest du machen?", stellte ich verwundert meine Gegenfrage. Sie nickte und sagte darauf: "Ich mach das für dich, für die anderen und auch für ihn." Ich löste mich aus der bisherigen Position und setzte mich aufrechter ihr gegenüber. "Du magst ihn, nicht wahr? Mehr als du vielleicht zugeben willst", ein kleines Lächeln umspielte meinen Mund, als ich ihr diese Frage stellte. Sie wich meinem Blick aus und sah aus dem Fenster. "Ich bezweifle, dass er eine so junge Freundin haben möchte", sagte sie und ich hörte einen leichten Anflug von Trauer in ihrer Stimme. "Du bist weitaus reifer und mutiger als viele in deinem Alter", gab ich zurück. "Wir sollten keine Zeit mehr verlieren. Es ist fast dunkel", sagte sie ablenkend. Ich merkte, dass es ihr unangenehm war und ließ sie deshalb in Ruhe. Zusammen verließen wir mein Zimmer. Auf dem Weg nach unten fragte sie vorsichtig: "Was machen wir eigentlich wegen Sep?" Ich schüttelte den Kopf. "Ich weiß es nicht. Wir sollten zur Polizei gehen. Alleine finden wir ihn wahrscheinlich nie." Bestätigend nickte sie. "Aber wir können Christian finden", merkte sie an. "Hast du eine Ahnung, wo wir ihn suchen könnten?", fragte sie. "Ich weiß nicht genau. Vielleicht in seiner Lieblingsbar." "Sagen wir den anderen noch Bescheid?", fragte sie letztendlich noch nach. "Nein, besser nicht. Dennis hat sich gerade beruhigt und Jay will ich auch nicht unbedingt noch mal wecken", gab ich zurück. "Okay", antwortete sie nüchtern.PoV Nele
Bis zu der Bar, die Peter mir genannt hatte, waren wir schweigend nebeneinander her gegangen. Als wir Chris aber dort nicht auffinden konnten, war Peters nächste Idee das Rheinufer. "Er war schon früher immer gerne am Wasser", hatte er gesagt und hatte sich mit mir auf den Weg gemacht. An einer Stelle gingen wir näher an den breiten Fluss heran und suchten das steinige Ufer nun nach ihm ab. Wieder schwiegen wir, bis Peter mich plötzlich am Ärmel festhielt. "Da vorne ist jemand." Und tatsächlich konnte man in der Dämmerung eine verschwommene Gestalt erkennen, die in sich gekauert auf dem kalten Untergrund saß. Von weitem schien sich die Person nicht zu bewegen, aber je näher wir kamen, umso deutlicher wurde das starke Zittern und Hin- und Herschwanken. "Du oder ich?", fragte Peter leise. Ich verstand erst nicht ganz, aber als ich seinem Blick folgte, wurde mir klar, was er meinte. "Wir sollten warten", flüsterte ich. Fragend schaute mich Peter an. "Ich glaube er hat eine Panikattacke", wisperte ich, ohne den Blick von der geknickten Person abzuwenden. Geschockt sah Peter zu mir herüber. "Darf ich?", fragte ich nach einigen Sekunden. Er nickte und so lief ich vorsichtig und darauf bedacht, keine schnellen Bewegungen zu machen, zu ihm. Ich trat in sein Blickfeld und ließ mich vor ihm auf die Knie fallen. "Chris?", wagte ich einen Versuch mit ihm zu reden. Er atmete heftig und seine Hände zitterten stark. "Ruhig atmen. Sieh mich an und konzentrier' dich ganz auf mich." Er hob den Kopf und sah mir in die Augen. Ich erwiderte seinen Blick. Angst. Hoffnungslosigkeit. Das war es, was ich in seinen Augen sah. "Ich kann nicht-", stammelte er. "Es ist meine Schuld", flüsterte er. Er holte schwer Luft und keuchte. "Ich kann nicht...", wiederholte er, "ich kann nicht atmen." "Denk an was schönes, etwas was dich glücklich macht", versuchte ich ihn zu beruhigen. "Geht nicht", antwortete er gequält. Und dann folgte einer dieser Momente, in denen bei mir all die Rationalität aussetzte und die Emotionalität die Kontrolle übernahm. Die Zeit stand still und die Lichter der abendlichen Stadt verschwanden. Eine Blase um ihn und mich. Seine Augen glänzten als er mich ansah und dieser Blick ließ mich handeln. Ließ mich nicht mehr nachdenken. Und dann war zwischen unseren Gesichtern kein Zwischenraum mehr. Ich legte meine Lippen auf die seinen und für ein paar Sekunden war da nichts anderes, als das Gefühl des Kusses. Herz über Kopf. Jeder vernünftige Gedanke ausgestellt. Dann kam der Moment, in dem die Rationalität zurückkehrte und ich zog mich zurück und stellte den Abstand zwischen uns wieder her. Er schluckte und sah mich aus großen Augen an. "Was war das?", flüsterte er wie in Trance. "Ich hab mal gehört, dass es bei einer Panikattacke helfen soll, für einige Momente die Luft anzuhalten. Und als ich dich geküsst habe, naja da hast du die Luft angehalten", gab ich langsam zurück. Eine stille Pause entstand. "Wir sollten gehen. Es ist kalt hier draußen", sagte ich dann und wich seinem Blick aus. Ich half ihm auf die Beine und führte ihn zu Peter, der sich kaum von seiner Position weg bewegt hatte und mich nun mit offenem Mund anstarrte. "Es wäre nett, wenn davon erstmal niemand von den anderen erfahren würde", sagte ich eindringlich, während ich an ihm vorbei ging.
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Hallo an alle da draußen ^^
Bitte verzeiht mir die längere Pause. Ich hatte meine letzte Klausurenphase und habe alle Hände voll mit meiner Facharbeit zu tun. Aber ich lebe noch und bald sind Ferien, dann komme ich vielleicht ein wenig öfter zum Schreiben.Ansonsten hoffe ich, dass euch das Kapitel gefällt. Jetzt gibt es mal ein bisschen Action, was die Beziehungsebene angeht und eine Menge emotionaler Gespräche ;)
Und ja, die Idee für diese Szene am Rhein habe ich vielleicht von Teen Wolf etwas abgewandelt übernommen. Ich will es nur erwähnen, nicht dass ich hier dann geflamed werde, weil ich Sachen klaue.
-Raven♤
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Guardian - She came to save us all [Pietsmiet Fanfiction]
Fanfiction- "Nicht alle Engel haben Flügel", sagte er sanft zu mir, bevor er mir noch einmal die Hand auf die Schulter legte und dann das Zimmer verließ. Eine Träne lief mir die Wange herunter und plötzlich spürte ich eine unendliche Leere und Dunkelheit in m...