14. ~When Darkness came again~

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Sofort schrillten in mir alle Alarmglocken und ich sprang auf. Wäre dies ein Film gewesen, dann wäre das wahrscheinlich eine Szene in Zeitlupe gewesen, hinterlegt mit dramatischer Musik um das ganze zu untermauern. Ganz das Gegenteil von Zeitlupe war allerdings meine Reaktion. Ich riss die Tür auf und stürmte ins Zimmer. Der Anblick raubte mir für eine Sekunde den Atem, bis mein Gehirn zu realisieren begann. Die Decke hing halb noch auf dem Bett, halb auf dem Boden. Der Nachttisch war ein gutes Stück weggeschoben worden und die Tasse mit Tee war zu Boden gefallen. Ihr Inhalt hatte sich in einer rosé-farbenen Pfütze daneben ergossen. Christian saß kerzengerade im Bett, brüllte wie am Spieß, schlug wild um sich und versuchte gegen etwas Unsichtbares anzukämpfen. Mit weit aufgerissenen Augen duckte er sich zurück und danach durchfuhren seine Arme die Luft. Der eine knallte mit einem unangenehmen Geräusch gegen die Bettkante. Sein Zimmerkamerad saß völlig verwirrt in seinem Bett und starrte Chris an. Ein angsterfüllter Schrei nach dem nächsten durchbrach die Stille des nächtlichen Krankenhauses. Aus vollstem Leib schrie er, als könnte alles Böse dadurch von sich fernhalten. Von dem Tropf, der ihn mit einer Nährstofflösung versorgte, hatte er sich losgerissen. Stoßartig atmete er aus, um als nächstes hektisch die Luft einzusaugen. Blitzschnell war meine erste instinktive Reaktion, mich hinter ihn zu legen. Und so sprintete ich zum Bett, drückte ihn zurück in Richtung Kissen und legte mich so hin, dass er zwischen meinen Beinen lag. Mit einem Arm umklammerte ich seinen Oberkörper, mit dem anderen drückte ich noch schnell den Knopf um die Schwester zu holen, bevor ich meine Hand an seine Stirn legte. So konnte ich wenigstens seinen Kopf etwas ruhig halten. "Hey Christian es ist alles gut", versuchte ich ihn zu beruhigen. "Ich bin da, alles gut. Dir passiert nichts." Ich versuchte seine Arme etwas festzuhalten, während er versuchte sich irgendwie zusammen zu kauern, sich aber kurz darauf krampfhaft und mit einem erneuten Aufschrei wieder streckte und die Vorderseite des Bettes zu treten begann. Mit jedem Schrei schienen mehr und mehr Teile der tiefsten inneren Erschütterungen und Ängste zu Tage zu treten und mit panischen unkontrollierten Bewegungen kämpfte er mit aller Kraft gegen was auch immer da war. Es machte mir Angst, ihn so zu sehen. Für einen kurzen Moment hatte ich tatsächlich geglaubt, ich wäre eingeschlafen und es wäre nur ein Traum, doch es war erschrecken real. "Christian shhh, es ist okay, es ist okay", versuchte ich weiter auf ihn einzureden. Seine Finger krallten sich in meinen Arm und ihm entfuhr ein weiterer Schrei. Ich drückte seinen Kopf ganz leicht nach hinten, sodass er auf meiner Schulter lag. "Ganz ruhig", sagte ich sanft. In diesem Moment kam eine Schwester ins Zimmer und blickte mich geschockt an. "Was ist hier denn los?", fragte sie aufgebracht während sie näher kam. "Warten Sie", sagte ich bevor sie etwas tun konnte. Sie kam näher zum Bett, wollte Chris festhalten, doch ich hielt sie zurück. "Bitte nicht. Lassen Sie ihn kurz." Ein letzter Schrei war zu hören, bevor es sich in ein jämmerliches Schluchzen verwandelte. Sein vorher verkrampfter Körper entspannte sich zumindest ein kleines bisschen und seine Atmung wurde ruhiger. Weinend lag er nun in meinen Armen und drehte sich etwas zur Seite. Ich löste meine Arme aus ihrer vorherigen Position und legte nun den einen um seinen Körper, den anderen nutzte ich, um vorsichtig durch seine dunklen Haare zu streichen. "I...Ich rufe mal den Arzt an", stammelte die Schwester, die mit der Situation etwas überfordert schien. Verübeln konnte ich ihr es nicht. Ich nickte und beugte meinen Kopf etwas mach unten, um sachte in Christians Haare zu flüstern: "Es ist vorbei. Alles gut." Im nächsten Moment hörte ich schnelle Schritte und nur Sekunden später kam Sebastian ins Zimmer gelaufen. "Was ist passiert?", fragte er sofort. Sorge und Ratlosigkeit standen ihm ins Gesicht geschrieben. "Angstattacke oder sowas in der Art", gab ich schnell zurück. "Wir reden dann", fügte ich direkt dazu. Der Brünette nickte. Die Schwester steckte indessen das Telefon zurück in ihre Tasche. "Der Arzt ist gleich hier. Dann beraten wir was wir machen." Ich nickte nur und merkte plötzlich, wie Christians Körper in meinen Armen schlaff wurde. Er hatte aufgehört zu weinen und war wahrscheinlich gerade bewusstlos geworden. Sein Kopf kippte zur Seite und sein ganzes Gewicht lag nun auf mir. Ich zog ihn etwas hoch, krabbelte dann hinter ihm hervor und vom Bett herunter und legte ihn vorsichtig auf seinem Kissen ab. "Ist er okay?" Unsicher sah Sep erst in meine Augen, dann schweifte sein Blick zu dem zusammengesunkenen Körper auf dem Bett. "Ich hoffe es", gab ich knapp zurück, während ich dem Ingenieur in die Augen sah. Mehr brachte ich in diesem Moment nicht raus. Ich spürte wie mein Adrenalinspiegel langsam zu sinken begann und die Ruhe kehrte zurück. Einige Minuten standen Sep und ich einfach nur stumm vor dem Bett. Schließlich wurde die Tür geöffnet und der Arzt betrat den Raum. Ein großer, schlanker Mann mit elegant nach hinten gelegten, silber-grauen Haaren. Er mochte Anfang Sechzig sein und kam mit ruhigen Schritten auf uns zu. Seine ganze Gestalt strahlte irgendwie Ruhe aus, aber in gewisser Weise auch Überlegenheit. Er trat ans Bett und ließ sich zuerst detailliert erklären, was passiert war. Danach führte er einige standardmäßige Untersuchungen durch. Blutdruck und Puls messen, Pupillenreflexe testen, Atmung und Temperatur überprüfen, Brustkorb abhören. Während er dies tat und somit das Krankenhaushemd nach oben schieben musste, fiel einem sofort die tiefe Rotfärbung der Verbände ins Auge. Durch die Bewegung musste die Wunde wieder angefangen haben zu bluten und nun zog sich ein blutroter Streifen über Christians Oberkörper. Wie in diesem Käfig dachte ich und sofort schossen die Bilder von vor ein paar Stunden wie tausend kleine spitze Nadeln in meinen Kopf und ließen auf meinen Armen eine Gänsehaut entstehen.

Guardian - She came to save us all [Pietsmiet Fanfiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt