„Matt."
Ein komplexes Netz aus roten und schwarzen Türmen, Springern und Läufern erstreckt sich vor der jungen Frau auf den vierundsechzig Feldern, in dessen Mitte sich ihr König eingeschlossen sieht. Bedroht durch die feindliche Dame. Gefangen durch einen Turm. Zu Fall gebracht durch einen einfachen Bauern.
„Nein. Es gibt eine Lösung", zischt sie, ohne den Blick von dem Spielbrett zu heben. Es existiert immer eine. Wenn man danach sucht, findet man eine Schwachstelle, eine Möglichkeit, das Blatt zu wenden. So wie sie es so oft getan hat. Doch diesmal nicht. Aus diesem Gefängnis gibt es kein Entkommen, bloß einen erbärmlichen Versuch das Unabwendbare aufzuschieben. Sie hat verloren.
„Du hast nicht auf den Turm geachtet", diagnostiziert der Mann, der ihren König in diese missliche Lage gebracht hat, nüchtern ihre Niederlage. Mit einem bestimmten Griff umfasst er die schwarze Figur und legt sie behutsam auf das Brett. Verspielt. So einfach.
Sie atmet scharf ein. Enttäuschung füllt ihre Lungen. Wie hat sie es nur übersehen können?
„Du hast zu spät bemerkt, was ich vorhabe. Und als du es gesehen hast, warst du schon gefangen."Über den Tisch hinweg sieht sie der ältere Mann unverwandt an. Schlagartig fühlt sie sich wieder wie ein kleines Schulmädchen.
„Für dich bewegt sich das Spiel immer nur im sicheren Rahmen des Brettes. Aber um zu gewinnen", erklärt er, „musst du nicht nur die Positionen der Figuren analysieren, sondern auch den anderen Spieler. Ein gefährlicher Gegner hat dich schon längst durchschaut, während du noch versuchst, aus dem Schlachtfeld vor dir schlau zu werden. Du musst ihm zumindest einen Schritt voraus sein."
Ein schelmisches Grinsen schleicht sich in die Züge des Mannes. „Und dann gewinnst du."
Sie beugt sich über das Brett und richtet ihren König entschlossen wieder auf.
„Revanche."
Ziona Aschkenasy
[ˈziːɔna ɑːʃkəˈnɑːzi]
♜ ♜ ♜
Brandur Andersen
[ˈbrandʊr ˈɑnɐsn̩]
♜ ♜ ♜
A/N:
Wie schon im Vorwort angekündigt, handelt es sich hierbei mehr oder weniger um einen „Prolog" oder kurzen Einstieg für das erste richtige Kapitel, das auch bald folgen wird, weil das hier offensichtlich nur sehr kurz geraten ist. Dafür noch ein paar (unnötige) Moodboards an dieser Stelle.
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Verhör
Historical Fiction» Das Leben ist bloß ein grausames Spiel. Verlieren der Tod. « Wien, 1942. Ein Gestapo-Beamter, Meister des Verhörs, der die Geständnisse der Menschen wie Trophäen sammelt. Eine Widerstandskämpferin, meistgesuchte Person im Dritten Reich. Beide s...