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Klonk. Unsere Schwerter prallen aufeinander. Ich sehe Jason leicht grinsen. Er hat sehr viel Spaß an unserem gemeinsamen Training. Ich normalerweise auch, aber heute ist es irgendwie noch anstrengender als sonst. Die Sonne brennt gnadenlos auf uns herab, die Arena bietet kaum Schatten. Der Schweiß rinnt in Strömen über mein Gesicht. Als Jason herumwirbelt und unsere Schwerter ein weiteres Mal Bekanntschaft machen, fühle ich meine Muskeln zittern. Komisch. Ich achte aber nicht weiter darauf und kämpfe verbissen weiter. Jason darf mich nicht besiegen. Bis jetzt haben wir immer ein "Unentschieden" geschafft. Ich senke mein Schwert, um es dann in einem Überraschungsmanöver hochzureißen, aber da verlässt plötzlich die Kraft meine Arme. Eine Sekunde lang bin ich schockiert. Das Schwert entkommt meinem Griff und fällt zu Boden. Jason hat gerade ausgeholt und er bemerkt zu spät, was passiert ist. Das Holzschwert trifft mich so hart am Oberkörper, dass mir die Luft wegbleibt. Ich falle auf die Knie. Meine Arme zittern und ich kann sie nicht heben. Meine Finger sind leicht durchsichtig. "Oh Zeus! Nico! Alles in Ordnung? Es tut mir so leid! Aber was ist passiert?", dringt Jasons panische Stimme zu mir durch. Ich richte mich auf und atme ein paar Mal tief durch, um den Schwindel zu vertreiben. "Nichts passiert. Zum Glück hat Chiron verboten seit dem Krieg mit echten Schwertern zu trainieren", stottere ich. Sonst würde ich nämlich vermutlich in zwei Hälften daliegen. Irgendwie ist mir schwummrig. Meine Stimme zittert. Was ist gerade geschehen? "Ich muss zu Will, Jason", füge ich noch hinzu. Er ist der Einzige, der mir vielleicht helfen kann. Jason runzelt die Stirn über meine Bitte. "Meinst du Will Solace? Den sonnigen Typen aus der Apollohütte?", fragt er ungläubig. "Ja", stoße ich hervor. Ich spüre, wie mir langsam schwarz vor Augen wird. "Aber wieso-", höre ich Jason fragen, bevor ich ohnmächtig werde.

"Was ist passiert?", höre ich eine melodische Stimme fragen. Sie klingt geschockt. Will. "Keine Ahnung. Das Letzte, was er sagte, war, dass er zu dir muss. Dann ist er umgekippt. Also habe ich ihn hergebracht", sagt eine andere Stimme. Das muss Jason sein. Langsam blinzle ich. "Will", krächze ich. "Will, hilf mir". Eine unerklärliche Panik hat von mir Besitz ergriffen. Ich kann meine Arme immer noch nicht bewegen. Ich schlage nun gänzlich die Augen auf. "Will?", krächze ich noch einmal. "Ja, Todesknabe. Hier bin ich. Ich werde dich jetzt untersuchen, okay? Ich versuche, dir zu helfen." Seine leise Stimme dämpft meine Panik ein bisschen. Meine dunklen Augen treffen auf seine Blauen und ich kann Angst darin sehen, aber auch eine Art ruhige Gefasstheit und Konzentration. "Ich werde dir jetzt dein T-Shirt ausziehen, ja? Ich muss dich abhören", gibt er mir Bescheid. Sofort kommt wieder Panik in mir auf. "Nein!", rufe ich. "Das geht nicht!" Ich will nicht, dass er meinen Bauch sieht. Ich bin abgemagert und blass und die Werwolfkratzer auf meinem Oberkörper verheilen nicht und haben sich vor etwa zwei Tagen wieder entzündet. Es ist hässlich und neben Will und Jason, die so offensichtlich gut aussehen, fühle ich mich schlecht. Sogar bei den drei Tagen, die ich in der Krankenstation rasten musste, habe ich Will davon abhalten können, indem ich ihm versichert habe, dass ich keine Wunden unter dem T-Shirt habe. "Nico, was soll das?", fragt Jason. "Er muss dich doch untersuchen!" Doch in Wills Augen blitzt plötzlich Erkenntnis auf. "Jason? Kannst du bitte kurz rausgehen? Ich würde gerne mit Nico allein reden", sagt er bestimmt. "Ich hole dich rein, wenn wir fertig sind", fügt er noch hinzu und schiebt Jason dann hinaus, bevor er protestieren kann. Nachdem er die Tür geschlossen hat, kommt er zu mir und sagt leise: "Todesknabe, ich muss dir das T-Shirt ausziehen. Kein Grund, sich zu schämen, ja? Ich will dich nur untersuchen". Er sieht mich an, wartet auf eine Reaktion von mir. Ich schließe die Augen und nicke schließlich. "Aber Will, ich kann die Arme nicht heben", krächze ich und versuche mir meine Angst nicht anmerken zu lassen. Anscheinend bemerkt er sie aber, denn er streicht mir beruhigend über die Haare, bevor er zu einer Schere auf dem Kästchen neben mir greift. "Das ist kein Problem", sagt er und beginnt mein T-Shirt aufzuschneiden. Als er das, was einmal mein T-Shirt war, schließlich von meinem Körper entfernt, sehe ich ihn scharf die Luft einziehen. Beschämt schaue ich woanders hin. Will hingegen geht jetzt in seinen Doktor-Modus über. Er beginnt mich abzuhören. Dann schiebt er mir ein Stück Ambrosia in den Mund und fordert mich zum Schlucken auf. Ich mache, was er sagt. Er reinigt die Wunden, die der Werwolf hinterlassen hat und verbindet sie. Dann sieht er mich an und sagt: "Ich werde jetzt mit meinen Händen über deinen Körper fahren und versuchen mit meinen Kräften zu erspüren, was los ist, okay? Ich weiß, du magst Berührung nicht besonders, aber bitte bleib entspannt. Sonst kann ich nicht herausfinden, was dir fehlt. Die Wunden bieten keine Erklärung für die Taubheit in den Armen und deine Ohnmacht." Ich nicke schwach und spüre, wie er seine Hände auf meine Brust legt. Er fährt über meine Schultern zu meinen Armen und wieder zurück zu meinem Bauch. Wo er mich berührt, bildet sich eine Gänsehaut. Er hat die Augen geschlossen und summt leicht. Nach ein paar Minuten öffnet er die Augen. Er sieht erschöpft aus. Die Suche durch meinen Körper muss ihn einiges an Kraft gekostet haben. Sofort bekomme ich ein schlechtes Gewissen. "Keine Sorge, Nico. Mir geht's gut", schmunzelt er leicht, als er meinen Gesichtsausdruck sieht. Kann er meine Gedanken lesen oder was? Dann steht er leicht schwankend auf und legt eine Decke über mich. "Schlaf jetzt erstmal. Ich muss schnell mit Chiron reden". Er fährt mir einmal durch die Haare und befühlt dann meine Stirn. "Der Ambrosia müsste bald wirken, dann kannst du deine Arme wieder bewegen. Und über die Ursache reden wir, wenn du aufwachst". Irgendwie geht es mir ein bisschen besser. Ich frage mich, ob er mich wirklich nur untersucht hat, oder ob er auch etwas von seiner Heiler-Energie verwendet hat, um mir zu helfen. Es würde die Wärme erklären die sich in meinem Körper ausgebreitet hat und außerdem den Umstand, dass meine unerklärliche Panik weg ist.

Er ruft eins seiner Geschwister herein und redet leise auf sie ein. Währenddessen schließe ich die Augen und schlafe ein.

"Warum?", schreit Hades. "Warum bist du nur so eine Enttäuschung? Bianca hätte das nie getan! Manchmal wünschte ich, dich würde es gar nicht geben". Tränen strömen meine Wangen hinab. Ich wäre so gerne anders. So gerne wäre ich jemand anders. Ich laufe aus dem Thronsaal. Das Einzige, was ich denke ist, dass ich hier weg muss. So schnell wie möglich. Einfach laufen. Alles hinter mir lassen. Einfach nicht mehr denken müssen. Nicht mehr fühlen.

Ich schlage die Augen auf. Kurz bin ich verwirrt, wo ich bin. Dann fällt es mir ein. Krankenstation. Schnell wische ich mir einmal über die Wangen. Danach sind meine Hände feucht. Ich hasse diese Träume, die sich so real anfühlen und beim Aufwachen ein Gefühl der Leere in einem hinterlassen. Aber immerhin besser, als vom Tartarus zu träumen. Gerade setze ich mich auf, da geht die Tür auf und ein Blondschopf kommt herein.

"Wie geht's dir, Nico?", fragt Jason. "Besser", meine ich gähnend. "Keine Ahnung, was das vorher war." "Okay, das freut mich. Ich hoffe, Solace findet heraus, was dir fehlt", antwortet er mir. Er kommt zu mir und setzt sich aufs Bett. "Mir ist in letzter Zeit öfter aufgefallen, dass du körperliche Anstrengung nicht so gut aushältst. Meinst du, das sind noch Nachwirkungen vom Schattenreisen? Und wie geht es dir mit dem Essen?" "Wieso beobachtet mich nur jeder beim Essen?", frage ich genervt. "Naja, ich dachte nur, dass du in deiner Gefangenschaft nicht viel zu essen hattest und ich habe schon öfters gesehen, dass sich der Magen bei Halbgöttern das angewöhnt. Und du isst eben extrem wenig in letzter Zeit. Aber wer sagt das denn sonst noch?" "Will", murmle ich in meinen nicht vorhandenen Bart. "Ach?", Jason grinst mich aus irgendeinem Grund an. Ein leichter Rotschimmer macht sich auf meinen Wangen breit. 

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