Kurz schließe ich die Augen und wünsche mir für einen Moment, der Boden würde sich auftun. Ich will jetzt nicht reden. Schon gar nicht mit einem Typen, den ich kaum kenne und der mich bestimmt jetzt schon extrem seltsam findet. Nico, der Hadessohn, der gleich nach dem ersten Gespräch mit jemanden kotzen muss. Wie würdevoll. Vor allem brauche ich mich nicht wundern, warum alle glauben, dass ich soziale Interaktion hasse. Adam drückt die Kabinentür auf. Es quietscht unangenehm. Ich blicke widerwillig in seine grünen Augen, die mich besorgt anfunkeln. „Was ist los?", fragt er. Ich wünschte, es wäre Will, der mich gerade so anschaut. „Anscheinend habe ich etwas Falsches gegessen", meine ich ausweichend. Zu meinem Glück reicht Adam diese Erklärung. „Soll ich dich zu deiner Hütte begleiten, damit du dich ausruhen kannst?", fragt er. Das klingt gerade himmlisch. Einfach Ruhe haben. Scheiß doch auf das Lagerfeuer. Ich habe heute genug mit Menschen interagiert. Also nicke ich bestätigend. Adam streckt mir seine Hand hin, um mich hochzuziehen. Gerade, als ich wieder eine stehende Position eingenommen habe, höre ich das vertraute Schnalzen von Flipflops näherkommen. Kurz darauf stürmt auch schon Will in die Toilette. „Nico, was ist passiert? War es wieder – oh...", er stoppt mitten im Satz, als sein Blick auf unsere immer noch verschränkten Hände fällt. Ups. Verlegen lasse ich schnell los. „Es ist alles okay, Will", bringe ich hervor. Er wirft mir einen bösen Blick zu. „Das werde ICH beurteilen. Krankenstation. Jetzt. Adam, bitte geh jetzt", seine Stimme klingt abgehakt und mühsam beherrscht. Als Adam schulterzuckend und leicht überfordert mit der Situation einfach ergeben nickt und den Raum verlässt, kommt Will mir näher und blickt mir in die Augen. Darin erkenne ich Sorge und Wut und ...Traurigkeit? Seltsam.
Als wir die Krankenstation betreten, schauen Wills Geschwister, die Dienst haben, nur kurz auf und gehen dann weiter ihrer Arbeit nach. Offenbar sind sie gewöhnt, ihren Bruder ständig außerhalb seiner Arbeitszeiten hier zu sehen. Meine Güte, Will braucht dringend ein Leben. Und das kommt von MIR. Dem Hadessohn, der selbst absolut keine Hobbies hat. Apropos Will. Er wirkt immer noch sehr aufgebracht. Er öffnet die Tür zum Untersuchungszimmer 1 und winkt mich hinein, bevor er selbst den Raum betritt und mit einem tiefen Seufzer die Tür schließt. "Erzähl mir, was passiert ist. Hast du dich angefangen aufzulösen und bist deswegen so schnell weggerannt?", durchbricht er schließlich die Stille zwischen uns. Ich schüttle den Kopf. "Mir ist schlecht geworden beim Essen. Adam hat mir seinen letzten Kartoffel angeboten und das war dann zu viel", erkläre ich hastig. Nicht, dass seine Fantasie mit ihm durchgeht und er glaubt, dass ich fast unfreiwillig meinen Dad besucht hätte. "Achso. Warum hast du ihn denn gegessen? Du hast doch letztens gemeint, du merkst selbst, ab wann es zu viel wird." Hm, jetzt kommt wohl der unangenehme Teil. Ist ja nicht so, als hätte ich vor Will irgendwas zu verlieren. Trotzdem möchte ein Teil von mir es nicht aussprechen, weil es so lächerlich klingt. Also nuschle ich leise meine Antwort, fast in der Hoffnung, er würde sie nicht verstehen: "Ich wollte doch nur normal wirken..." Mein Blick wandert zu meinen Schuhspitzen. Als Will mir nach ein paar Sekunden Stille antwortet, hebt er mit zwei Fingern mein Kinn an, damit ich ihm in die Augen schauen muss. Die Stelle, wo er mich berührt, prickelt und meine Verlegenheit nimmt zu. "Vor Adam?", fragt er forschend. Hä? Was hat denn das Ganze mit ihm zu tun? Verwirrt runzle ich die Stirn. "Naja, in dem Fall schon, wahrscheinlich. Aber das Problem ist allgemein, dass ich mich immer so unsicher fühle, wenn ich mit jemanden kommuniziere. Besonders in größeren Menschengruppen. Ich wollte mal nichts falsch machen und gleich von den Neuen als Freak abgestempelt werden, verstehst du?", sprudelt es schließlich aus mir heraus. Wills blaue Augen verengen sich ein bisschen. "Du bist kein Freak, Nico! Sowas darfst du nicht sagen. Worte haben Macht über uns. Wenn du so etwas über dich selbst sagst, glaubst du es dir auch." Will blickt mich verzweifelt an, während er spricht. "Ich weiß, du kannst es gerade selbst nicht sehen, aber du bist wunderbar, so wie du bist. Jason sieht es. Piper, Hazel, Percy sehen es. ICH sehe es!" Bei seinen Worten kommen mir die Tränen. "Ich verstehe einfach nicht, WAS ihr seht, Will. Ich fühle mich so schrecklich. In mir ist so viel Dunkelheit, die ich nicht vertreiben kann. Manchmal habe ich das Gefühl, in mir lebt ein Monster, dass Tag zu Tag mehr von meinem Inneren zerfrisst." Mittlerweile weine ich so richtig. Noch nie habe ich jemanden davon erzählt. Aber jetzt weiß Will, wie machtlos ich bin. Gegen meine eigenen Schatten. Und was tut er? Er sieht mich einfach nur an, streicht mir über die Wangen und nimmt mich fest in den Arm, so wie er es in der Nacht von meinem Zusammenbruch nach meinem Traum auch gemacht hat. Er hält mich so fest und es fühlt sich in dem Moment an, als würde er mich zusammendrücken, damit ich nicht zerbreche. "Ich weiß, dass es sich so anfühlt, Nico. Aber ich weiß auch, dass es wieder besser werden wird", sagt er, während er über meinen Rücken streicht. Und irgendwie glaube ich ihm. "Nächstes Mal lasse ich dich beim Essen nicht allein", fügt er nach einer Weile hinzu. "Strenggenommen war ich nicht allein", meine ich schulterzuckend. "Ach ja. Da war ja Adam", brummt Will. Er klingt etwas mürrisch dabei. "Magst du ihn nicht?", frage ich überrascht und rücke ein Stück von ihm ab, damit ich sein Gesicht sehen kann. Will wird ein bisschen rot und murmelt etwas in seine nicht-vorhandenen Bart. "Wie bitte?", frage ich grinsend nach. Er sieht süß aus, wenn er rot wird. "Ich wollte gerne Zeit mit dir verbringen und dann hat er dich einfach gleich in ein Gespräch verwickelt", bekomme ich schließlich als Antwort. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Bestimmt ist mein Gesicht genauso rot wie seines. "Ich wollte auch Zeit mit dir verbringen", bekomme ich schließlich herausgestottert und vergrabe meinen Kopf dann wieder an seiner Schulter. Wir bleiben noch eine Weile in der Position, bis wir plötzlich durch Gesang von Draußen unterbrochen werden. Als Will sich von mir löst, lächelt er schief, bevor er fragt: "Kommst du mit mir zum Lagerfeuer?"
DU LIEST GERADE
Bleib.
FanficSolangelo Story. After BOO. "„Will", erkläre ich langsam, um sicherzugehen, dass er es versteht. Warum fühlt es sich so schön an, seinen Namen auszusprechen? Will. Er klingt so meldodisch, so perfekt. Nico, konzentrier dich! Du willst hier was rübe...