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Etwa dreißig Minuten später schlendere ich zurück zu meiner Hütte. Ich fühle mich leer. Das Gespräch mit Charles war gut. Wir haben vereinbart, uns bis auf weiteres zwei mal die Woche für eine Art Therapiesitzung zu treffen. Er ist nett. Und professionell. Aber trotzdem bin ich traurig. Will möchte meine Behandlung nicht fortsetzen. Vielleicht auch, weil er keinen Sinn darin sieht. Er hat einfach jemand anderen als Ersatz gesucht. Ob er jetzt überhaupt noch etwas von mir wissen will?

"Hey, Nico!", werden meine Gedanken jäh von einer freundlichen Stimme unterbrochen. Verwundert hebe ich meinen Blick vom Boden und sehe Adam auf mich zukommen. "Ich hab in der Hermeshütte ein Videospiel gefunden, in dem man Zombies jagt. Hast du Lust, es mit mir auszuprobieren?" Dabei schwenkt er eine Plastikhülle auf und ab. Ich überlege. Eigentlich habe ich nichts besseres zu tun und vor meiner Kotzeinlage letztes Mal habe ich mich mit Adam ja recht gut verstanden. Deshalb nicke ich. "Hast du eine PS4?", fragt er. "Eine was?" "Ah ich seh schon. Du bist Anfänger", lacht Adam. "Keine Sorge, ich zeige es dir. Ich hole nur schnell meine zu dir rüber, wenn das okay ist. Du bist ja im Gegensatz zu mir allein in der Hütte. Bin gleich da." Er zwinkert und joggt davon. 

Keine fünf Minuten später ist er mit allerhand technischen Geräten bei mir und baut alles auf, bevor er zwei Kissen und eine Decke am Boden arrangiert. "Damit das hier ein bisschen gemütlicher wird", erklärt er, als er meine hochgezogenen Augenbrauen sieht. Ich muss ein bisschen lächeln. "Okay. Dann zeig mir mal, wie das funktioniert."

Es wird ein lustiger Nachmittag. Adam schafft es doch tatsächlich, mich etwas aufzumuntern. Nachdem ich aus der Krankenstation gekommen bin, hätte ich mich am liebsten einfach ins Bett gelegt und eine Runde geheult. Aber jetzt sitze ich gemütlich mit ihm vor dem Fernseher und werde ständig von Zombies getötet. Es hilft nämlich überhaupt nicht, der Sohn des Hades zu sein, wenn man Zombies mit einem Plastikteil, das sich Controller schimpft, plattmachen muss. Adam lacht auf, als ich zum wiederholten Male im Spiel gegen eine Wand laufe, weil ich die Steuerung einfach nicht draufhabe. Kurz darauf wird auch schon wieder mein Gehirn gegessen. "Na, wenn ich kein Naturtalent bin", schnaube ich sarkastisch und lege den Controller beiseite. Wir sind jetzt bestimmt schon ein paar Stunden beschäftigt. "Ach was. Dafür, dass du das noch nie gemacht hast, bist du echt nicht schlecht", widerspricht Adam und tötet die 2 letzten Zombies, bevor er die PS4 abschaltet. "Aber ich hab echt Hunger jetzt. Wollen wir schnell Abendessen gehen? Wenn du willst, können wir ja nachher noch weiterspielen." "Das klingt nach einem Plan", stimme ich zu, denn auch mein Magen knurrt langsam. Also schalten wir die Lichter ab und gehen zur Tür. Ich will sie gerade aufmachen, da erschrecke ich mich fast zu Tode. Denn Will steht keine 10cm davor und hatte die Hand offenbar gerade zum Klopfen erhoben. Sofort ist meine gute Stimmung wie weggeblasen. Was will er denn hier? Ich brauche sein Mitleid nicht. "Oh Neeks, hi", stammelt er überrascht. "Ich wollte gerade klopfen und dich fragen, ob du  mit mir zum Abendessen gehen willst." "Nein, danke", erwidere ich kühl. "Ich gehe heute mit Adam." Genau in dem Moment taucht dieser hinter mir auf. "Hi Will", ruft er fröhlich. Offenbar hat er nicht bemerkt, dass die Luft plötzlich zum Schneiden dick geworden ist. Zu meiner Überraschung antwortet Will nicht auf seinen fröhlichen Gruß, sondern sieht mit einem Mal traurig aus. "Ach so ist das", sagt er schließlich und dreht sich dann um, um alleine Richtung Apollohütte zu joggen. "Was war das denn?", wundert sich Adam. Ich zucke nur die Schultern. Gerade habe ich nicht die emotionale Kapazität mich damit zu befassen. Will hat mir heute deutlich gemacht, dass er mich nicht aushält. Der Gedanke daran sticht mir direkt ins Herz. Warum kommt er dann hierher? Es ergibt alles keinen Sinn. Meine Gedanken beginnen schon wieder zu rasen. Atmen. Tief ein und aus. Irgendwie schaffe ich es, die Gedanken mit meinem Atem vorerst zu vertreiben und mich auf Adam zu konzentrieren, der schon losgegangen ist. 

Vom Pavillon kommt mir der Geruch von Würstchen entgegen. Von Weitem sehe ich Piper und Jason an einem Tisch sitzen. Sie winken mir (und damit auch Adam) zu, deshalb setzen wir uns zu ihnen.  "Hey, Nico", grüßt Jason fröhlich. "Und wer bist du?", fragt er an Adam gewandt. Jason scheint überrascht, dass ich mit jemanden gemeinsam herkomme. Da ist er nicht der Einzige, ich kann es selbst auch nicht ganz glauben. "Hi, ich bin Adam. Ist es okay, wenn ich bei euch sitze?", stellt sich Adam vor. "Ah, du bist einer von den Neuen, oder? Ich bin Piper und das ist Jason", antwortet ihm Piper freundlich und auch Jason lächelt ihn an. Wir fangen an zu essen und Piper beginnt, Adam in ein Gespräch über seine Ankunft zu verwickeln. Jason hingegen wendet sich mir zu. "Na, wie war dein Tag?", fragt er und hebt die Augenbrauen. "Ich habe gesehen, dass Will wieder da ist", fügt er hinzu. Aha. Deswegen also die Augenbrauen. Sehr subtil, Jason. "Ach ganz okay. Ich habe mit Adam den ganzen Nachmittag PS4 gespielt. Ich bin echt schlecht, virtuelle Zombies zu töten", weiche ich gekonnt aus. "Oh ja. Ihr versteht euch gut, oder? Freut mich, dass du Freunde findest, Neeks." Jason gibt mir einen liebevollen Klaps auf die Schulter. Ich zucke nicht zurück. Aus irgendeinem Grund ist es in Ordnung bei ihm. ich vertraue Jason. "Aber hast du mit Will gesprochen? Ich habe ihn vorher gesehen und er hat ein bisschen durch den Wind gewirkt...", bleibt der Sohn des Jupiter hartnäckig. Ich seufze. Eigentlich hätte ich mir denken können, dass ich so einfach nicht aus der Situation rauskomme. "Nein, ich habe nicht mit ihm geredet. Er ist auch nicht mein Arzt oder sonst was", entgegne ich deshalb. Jason kneift überrascht die Augen zusammen und sieht dabei nicht gerade aus, wie die hellste Kerze am Adventkranz. Ein Teil von mir muss fast Schmunzeln über seinen Gesichtsausdruck. Aber das Thema ist zu ernst. "Hä? Seit wann denn das? Ihr wart doch bis vor Kurzem unzertrennlich?", fragt er. Ich schüttle den Kopf. "Nein. Und außerdem hat er mir einen neuen Arzt besorgt. Charles. Ich habe jetzt Therapie bei ihm gegen meine Depression", fasse ich die Geschehnisse kurz zusammen. Jason sieht geschockt aus. "Oh Nico... Es tut mir sehr leid, dass du Depressionen hast. Wenn ich dich unterstützen kann, gib mir jederzeit Bescheid. Es ist bestimmt gut, dass du Hilfe bekommst." Zu meiner Überraschung steht er auf und nimmt mich über den Tisch in die Arme. Zuerst will ich mich schnell lösen, aber dann merke ich, wie gut es tut, zu wissen, dass er hinter mir steht und ich drücke ihn an mich. "Hey, ich will auch mitkuscheln!", meldet sich da plötzlich Adam zu Wort und ich höre Piper lachen. "Das sind eben meine Privilegien als Schattenspender", gebe ich sarkastisch zurück und lockere unsere Umarmung. Bevor sich Jason löst, flüstert er mir noch ins Ohr: "Rede mit Will. Ich glaube nicht, dass er dich nicht mehr sehen will." Danach steigt er in Adams Lachen ein und unterhält sich weiter ungezwungen mit ihm und Piper. 

Ich jedoch sehe mich kurz um und komme nicht umhin zu bemerken, dass Will heute nicht zum Abendessen erscheint.


Hallo ihr Lieben! Wieder ein Kapitel. Das ging diesmal schnell :). Ich versuche, es bald wieder zu schaffen. Alles Liebe!

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