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„Nico!", höre ich eshinter mir rufen. Ich bin gerade am Weg zu meiner Hütte. Will musste nachunserem Picknick in die Krankenstation. Etwas verwundert drehe ich mich um undsehe Piper auf mich zu laufen. Sie wirft mich mit ihrer Umarmung fast um.Innerlich verdrehe ich die Augen. Anscheinend hat Jason den Sieben von meinerTherapie erzählt. „Nicht Sieben. Dank dir nur noch Sechs", flüstert eine Stimmein mir. Ich versuche, mein schlechtes Gewissen abzuschütteln. Leo ist nichtmehr da. „Deine Schuld, deine Schuld, DEINE SCHULD", fängt die Stimme an zukreischen. „Nico?", fragt Piper verwirrt. Schnell versuche ich einen neutralenGesichtsausdruck aufzusetzen und die Stimme verstummt glücklicherweise. EinePanikattacke in der Öffentlichkeit reicht mir für heute auch. „Was ist los,Piper?", frage ich also, um mich abzulenken. „Also jetzt, wo der September naht...meinst du nicht es ist Zeit für...", an dieser Stelle macht sie eine dramatischePause und ich überlege, ob sie einen Trommelwirbel von mir erwartet. „einNico-Umstyling?", ruft sie schließlich begeistert. 

Und weil Piper nicht Piper wäre, wenn sie mir eine Wahl lassen würde, finde ich mich wenige Minuten später in der Aphrodite-Hütte wieder. Selten habe ich mich so seltsam in einer Umgebung gefühlt. Die ganze Hütte ist in einem zartrosa gehalten, überall steht Dekoration und das schlimmste: überall hängen Pärchenfotos. Für einen ewigen Single wie mich eher entbehrlich. Ich seufze innerlich. Verliebtsein ist echt nicht schön, wenn es immer unerwidert ist – das habe ich durch Percy gelernt. „Was hältst du von dem hier?", fragt Piper und wirft mir einen grünen Strickpulli zu. „Nicht ganz mein Farbspektrum", erkläre ich trocken. „Ach Nico!", seufzt Piper daraufhin. „Denkst du nicht, dass ein bisschen Farbe auch ein bisschen Freude in dein Leben bringen könnte?" Sie setzt sich auf ihr Bett und mustert mich. „Außerdem würde es Will bestimmt gefallen", fügt sie hinzu und wackelt mit den Augenbrauen. Augenblicklich spüre ich, wie mein Gesicht heiß wird. „W-W-Will? Wieso sollte ihn das interessieren? Wieso sollte es MICH interessieren, was er denkt?", stottere ich überfordert. Woher weiß sie überhaupt, dass ich s- nicht hetero bin? Ich kann es noch nicht einmal denken. Ich weiß, dass sich die Zeiten geändert haben und viele Menschen das jetzt mehr akzeptieren, aber es ist schwer. Ich spüre, wie mir Tränen in die Augen schießen. Was wird sie sagen, wenn ich es zugebe? Eigentlich möchte ich es gar nicht wissen. Ich möchte keine Ablehnung in ihren Augen sehen. Und dann würde sie es bestimmt Jason erzählen und dann ihren Geschwistern. O Gott. „Es ist sooo offensichtlich, dass du ihn magst, Nico", dringt Pipers Stimme zu mir. Wie komme ich da jetzt raus? „Was? Will? Ich? Nein", versuche ich mich rauszureden. „Ich bin nicht-" „Es ist okay, Neeks. Du kannst es ruhig zugeben", werde ich prompt unterbrochen. „Es ist völlig normal. Ich stehe auch auf Männer. Und bei Will verstehe ich dich – er ist echt attraktiv", meint Piper und lächelt mich an. Als sie mein Gesicht sieht, wandelt sich ihr Gesichtsausdruck aber sofort. „Oh nein, Nico! Warum weinst du denn jetzt? Was ist los?" Ich streiche mir über die Wangen, um die Tränen zu stoppen. Piper springt auf und umarmt mich. „Es t-t-ut mir leid", schluchze ich. In letzter Zeit heule ich zu viel rum. Dabei hat sie doch alles genau richtig gemacht. „Ich bin einfach nur so erleichtert, dass du es nicht schlimm findest." Ich vergrabe das Gesicht in ihrer Schulter. „Wie könnte ich? Mit dir ist alles in Ordnung, Neeks. Alles", murmelt Piper. Als sie sich von mir löst, glänzen ihre Augen. „Komm, probier diesen Pulli an!"

Als ich heute zum Abendessen gehe, trage ich tatsächlich den grünenPullover, weil Piper meinte, ich würde „heiß" darin aussehen. Ihre Worte, nichtmeine. Obwohl ich zugeben muss, dass das Kleidungsstück gut an mir aussieht.Wir haben auch noch allerhand anderes gefunden: Hemden, Pullis, Jeans, Jackenund T-Shirts. Piper hat alles sorgfältig in meinem Kleiderschrank in derHades-Hütte verstaut. Das meiste ist zwar immer noch schwarz oder zumindest mirTotenkopf-Motiven versehen, aber ein Sohn des Hades hat ja auch einen gewissen Rufzu vertreten. Kurz bevor ich den Pavillon betreten kann, spüre ich eine Handauf der Schulter. „Hey Todesknabe, rate mal was –", Will bricht mitten im Satzab, als ich mich zu ihm umdrehe. „Wow", keucht er und wird auf einmal einbisschen rot. „Du... du siehst gut aus", bringt er schließlich hervor. Sofort schaueich verlegen zu Boden und murmle ein leises Danke in meinen nicht-vorhandenenBart. Es herrscht eine unangenehme Stille. „Was wolltest du mir erzählen?",frage ich schließlich, woraufhin Will anfängt über einen Streit der Ares-Kindermit der Folge einer vollen Krankenstation zu schimpfen. Während er spricht,legt er einen Arm auf meinen oberen Rücken und bugsiert mich zum Apollo-Tisch.Anscheinend esse ich wieder mit ihm. Naja, das ist okay für mich. Wiedermal bestimmter, was wir essen. Heute ist es Eierspeise, grüne Bohnen und gebratener Feta miteinem kleinen Stück Brot. „Also mein Todesknabe, du weißt ja: nur so viel, wiedu verträgst und dann machst du ein paar Minuten Pause. Danach probierst du esganz langsam weiter", erklärt Will. Ich verdrehe die Augen. Das hat er mir schonerklärt. Ich bin nicht dumm. Eigentlich bin ich aber sowieso viel mehr damit beschäftigt,wie er gerade „mein Todesknabe" gesagt hat. Irgendwie sind die Worte schön ausseinem Mund. 


Hallo! Es ist lange nicht weitergegangen, ich weiß. Das nächste Kapitel kommt hoffentlich wieder früher. Alles Liebe!

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