Kapitel 2

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Adrian

Ich nehme mir stumm eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank der Thompsons. Als ich mich wieder umdrehe und die Küche verlassen will, steht Will noch lachend in der Tür. Der Junge kann sich gar nicht mehr einkriegen vor Lachen. „Will, krieg dich wieder ein!", gebe ich von mir. Ich verstehe gar nicht, warum er überhaupt lacht. Ich habe gerade mehr oder weniger seine Schwester beleidigt. Warum lacht er darüber? Ich wäre eher wütend. Ein schlechtes Gewissen breitet sich in mir aus, aber ich versuche dieses Gefühl zu unterdrücken. Kann mir doch eigentlich egal sein, ich kenne dieses Mädchen sowieso nicht und sie sah mit ihren zerzausten Haaren sowie den lockeren Klamotten eher wie ein Hausmädchen aus. Das Mädchen war mir total suspekt, sie hat sich wie ein Freak aufgeführt. Wills lautes Lachen reißt mich aus meinen Gedanken. „Ich kann nicht mehr, Alter! Du hast gerade meine Schwester als Hausmädchen bezeichnet.", er lacht wieder und haut mir mit seiner Hand spielend auf den Rücken. „Bist du denn gar nicht wütend auf mich? Ich meine, ich habe sie ja schon irgendwie beleidigt.", erwidere ich Will. Er hält inne, schaut zu mir rüber und antwortet: „Ach, Pucey. Das war doch witzig! Josi wird dir das bestimmt nicht übel nehmen". „Josi?", frage ich. „Meine Schwester, du Blitzbirne!", antwortet Will und lacht wieder. Wir verlassen lachend die Küche.
Will und ich gehen wieder in den Salon, wo die anderen schon auf uns warten. Flint, Higgs, Bletchley und Warrington sitzen am Tisch und unterhalten sich lautstark, bis Will die Jungs unterbricht: „Jungs! Ihr glaubt nicht, was gerade in der Küche passiert ist. Pucey hat meine Schwester für unser Hausmädchen gehalten!". Er muss laut lachen und auch ich kann mir mein Grinsen nicht verkneifen. Ich nehme lachend neben Bletchley Platz, welcher daraufhin grinsend sagt: „Echt jetzt?". Ich zucke nur grinsend mit den Schulter. Die Jungs lachen laut mit Will mit. Um die Jungs auf ein anderes Thema zu bringen, unterbreche ich ihr lachen: „Worüber habt ihr gerade geredet?". Flint schaut hoch und antwortet verschmitzt: „Eleanor Smith!". Ich verdrehe die Augen. Eleanor ist eine Mitschülerin von uns aus Hogwarts, sie gehört wie wir dem Hause Slytherin an. Sofort meldet sich Will zu Wort: „Themenwechsel". Eleanor und Will hatten mehrere Male etwas miteinander und seitdem ist sie sozusagen besessen von ihm. Sie verfolgt ihn regelrecht und er ist total genervt von ihr. Ich muss gestehen, dass ich fast ein bisschen Angst vor ihr habe. Es macht mir etwas Angst, wie besessen sie von ihm ist. „Die Story wird nie langweilig.", meldet sich Warrington zu Wort. „Wie sieht es denn bei euch an der Mädels-Front aus?", will Will jetzt von uns wissen. Wahrscheinlich versucht er so das Thema zu wechseln, doch Higgs macht ihm dort wohl einen kleinen Strich durch die Rechnung, indem er gegen Will stichelt: „Ungelogen finde ich Josi ganz heiß.". Auf Higgs Gesicht breitet sich ein großes Grinsen aus. „Sie ist auf ihre ganz eigene Art und Weise ziemlich scharf.", fügt er hinzu. Ich schaue zu Will, er drückt seine Kiefer zusammen, aber erspart sich dann sichtlich. „Wenn ich nicht genau wüsste, dass sie so gar nicht dein Typ ist, würde ich dir jetzt deinen Mund verbieten.", erwidert er gelassen. Fragend schaue ich zwischen Higgs und Will hin und her. „Außerdem hättest du im Leben keine Chance bei ihr. Sie würde wahrscheinlich nicht mal mit dir reden.", kommt es erneut von Will. „So richtig gesprächig ist sie auf jeden Fall nicht.", stimme ich Will zu. „Weck nicht meinen Kampfgeist, Willi.", antwortet Higgs schelmisch. Wills Gesichtszüge verdunkeln sich wieder, er knirscht mit seinem Kiefer und erwidert. „Lass es einfach, Higgs.". Für Will scheint dies ein sehr ernstes Thema zu sein. Sonst ist er eher ein gelassener Typ und auch bei meinem Aufeinandertreffen mit seiner Schwester hat er cool reagiert, obwohl ich sie indirekt beleidigt habe. Higgs scheint wohl irgendwie einen wunden Punkt zu treffen und anhand von seinem Blick lässt sich deuten, dass Higgs das auch ganz genau weiß.

Ich betrete unseren Flur und schon strömt mir der Geruch von Feuerwhiskey entgegen. Angeekelt verziehe ich das Gesicht, ich hasse diesen Geruch, er brennt sich immer tief in meine Nase ein. Ich gehe direkt in Richtung des Salons und erkenne sofort meine Mutter, wie sie schlafend im Sessel liegt. Ihre Haare sind zerzaust, ihr Kleid ist verrutscht und mit Flecken übersäht. Ich muss nicht daran riechen, um zu wissen, dass es sich um Whiskeyflecken handelt. „Mum?", spreche ich sie vorsichtig an. Sie zuckt nur und gibt einen leises Keuchen von sich. „Mum, komm. Ich bring dich ins Bett.", rede ich auf sie an und nehme ihre Hände, um ihr aufzuhelfen. Langsam öffnet sie ihre Augen, welche rot unterlaufen sind. Ihr Blick ist vernebelt, sie schaut durch mich durch. „Adrian?", murmelt sie vor sich her. „Adrian Schatz. Ich glaub.. ich glaub ich muss ins Bett.", höre ich sie sagen, während ich sie aufstemme. Ich hänge mir ihren Arm um den Hals, halte sie mit der anderen Hand an der Hüfte fest und schleife sie in ihr Schlafzimmer. Vorsichtig helfe ich ihr aufs Bett, indem sie seit dem Tod meines Vaters allein schläft. Bevor ich das Zimmer verlasse, drehe ich mich nochmal um und flüstere: „Gute Nacht, Mum.". Dann öffne ich die Tür und schließe sie leise hinter mir. Erleichtert atme ich aus, mir war schon bewusst, dass ich Mum nach den Besuch bei Will so auffinden würde. Ich werfe einen Blick auf meine Uhr und erkenne, dass es gerade mal 18 Uhr ist. Es ist 18 Uhr und meine Mutter liegt volltrunken in ihrem Bett. Na super. In solchen Momenten kocht Wut und Hass in mir auf. Auch wenn ich ihren Schmerz nachvollziehen kann und auch wenn ich das Loch, was der Tod meines Vaters hinter lassen hat, selbst spüre, verabscheue ich ihr Verhalten und ihre Sucht. Sie nimmt damit nicht nur Einfluss auf mein Leben, sondern, was noch viel schlimmer ist, beeinflusst sie auch das Leben meiner kleinen Schwester. „Adrian?", höre ich eine Stimme sagen. Ich drehe mich um und blicke sofort in strahlende Augen. „Liv!", erwidere ich erfreut und hebe meine kleine Schwester hoch. Sie fällt mir direkt um den Hals. „Ich hab dich vermisst.", sagt sie schmollend. „Ich war doch nur wenige Stunden weg.", entgegne ich ihr. „Wie war es denn bei Großmutter?", füge ich hinzu. „Klasse!", sagt sie mit einem riesigen Grinsen auf ihrem Gesicht. „Ich zeig dir, was Oma und ich gebastelt haben.", drängelt sie. Ich werfe sie einmal kurz in die Luft und setze sie dann wieder auf dem Boden ab. Sie greift direkt nach meiner Hand und zieht mich in die Stube, wo ich ihre gebastelten Werke bestaunen soll.

Sternenklar * Adrian Pucey ff *Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt