Kapitel 13

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Tausend Schauer schütteln meinen Körper, als ich dem Mann dabei zusehe, wie er Liam die Kette anlegt und ihn für die Nacht dort festkettet, wo normalerweise unsere Mutter schläft. Ich stehe wie angewurzelt in der Küche und weiß nicht, was all das zu bedeuten hat. Aber in meinem Körper tobt ein Orkan, der so gewaltig ist wie der, den ich an meinem ersten Tag hier im Haus erlebt habe. Ich empfinde die gleiche alles verschlingende Panik bei dem Gedanken, dass weder Mutter noch Liam mir helfen werden können, wenn ich die Nacht im Schlafzimmer des Mannes verbringen muss. Was wird dort geschehen? Was wird er von mir verlangen?

Ich schlucke hart gegen den Kloß in meiner Kehle an, denn egal wie schlimm die Lage ist, ich werde meinen Schwur nicht brechen. Ich werde nicht weinen. Was auch immer er mir antun wird, niemals wieder werde ich auch nur eine einzige Träne wegen des Mannes vergießen. Ich balle die Hände an meinen Seiten zu Fäusten, um das Zittern meines Körpers zu unterdrücken, das ihm meine Gefühle verraten könnte.

Liam sieht mich panisch an. Aus seinem Mundwinkel tropft Blut, seine Unterlippe ist dick und sein rechtes Auge zugeschwollen. Weil er versucht hat, seiner Mutter und mir zu helfen. Aber der Mann ist so viel stärker als wir es sind. Das war er schon immer. Weil die Liebe zueinander uns schwach macht, das hat er vorhin lachend gesagt, als er halb wahnsinnig auf Liam eingeprügelt hat. Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt verstehe, was er damit meint. Liams Blick brennt sich noch immer in meinen, weswegen ich wegsehe, weil ich den Schmerz darin nicht ertragen kann. Er gibt mir das Gefühl, ihm unbedingt helfen zu müssen, aber was kann ich schon tun? Ich kann mir nicht einmal selbst helfen.

Der Mann kommt mit starrem Gesicht auf mich zu, packt meinen Oberarm und zerrt mich grob hinter sich her.

»Wenn du sie anfasst, töte ich dich«, brüllt Liam uns hinterher. Die Kette klirrt, wahrscheinlich zerrt er an ihr und versucht, hinter uns her zu kommen. Ich stolpere, fange mich mit hämmerndem Herzen sofort wieder, bevor ich mit den Knien auf dem Boden aufschlagen kann und er meine Ungeschicklichkeit als Ausrede dafür nutzt, mich schlagen zu können. Über die Schulter zurück sehe ich nach Liam, aber mehr als seinen Schatten kann ich nicht erkennen, denn der Mann hat das Licht in der Küche in dem Augenblick gelöscht, in dem er nach mir gegriffen hat.

»Das wirst du nicht tun«, knurrt der Mann neben mir. »Wenn du könntest, hättest du es schon längst getan. Also brüll ruhig weiter. Deine kleine Freundin gehört ab sofort mir.« Die Art, wie der Mann das sagt, klingt nicht, als wolle er sich über Liam lustig machen, es klingt eher, als wolle er ihn provozieren.

»Lass sie sofort los! Lass sie los!«, brüllt Liam lauter als ich ihn je gehört habe. Seine Angst springt auf mich über und ich reiße mit aller Kraft an meinem Arm, aber der Mann greift nur noch fester zu.

Als wir an Liams und meinem Zimmer vorbeikommen, werfe ich einen sehnsüchtigen Blick auf die Tür und frage mich, ob ich jemals wieder dort mit Liam zusammen schlafen darf. Ich hoffe so sehr, dass das hier nur eine Ausnahme ist und morgen schon alles wieder so ist, wie wir es gewohnt sind. Aber ich spüre mit jeder Faser meines verschreckten Herzens, dass meine Hoffnung mich enttäuschen wird.

Der Mann öffnet die Tür, knipst das Licht an und schaltet das im Flur aus, dann stößt er mich in das kalte Schlafzimmer, der einzige Raum im Haus, in dem es noch ein Fenster gibt, das nicht zugemauert ist, weil es nur ein kleines rundes Loch ist, kaum größer als Liams Ball. Weit oben unter der Decke und vergittert. Bisher war ich nur ein einziges Mal in diesem Raum, damals als Mutter krank war und ich sie mit Tee versorgt habe. Der Mann hat ihr einen Tag gegeben, um mit dem Fieber klarzukommen, das sie sich geholt hat, weil er sie ohne Decke der nächtlichen Kälte ausgesetzt hat. Ich sehe zum offenen Fenster und mir kommt der Gedanke, wie kalt es wohl sein muss, damit ein Mensch erfriert. Nicht einmal im Keller ist es so kalt, weil dort unten der Ofen steht, der die Heizungen im Haus mit warmem Wasser versorgt.

Weil mein Schatz ein Serienmörder istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt