Kapitel 15

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Das einzige Licht, das die Dunkelheit durchbricht, ist die grün leuchtende Temperaturanzeige des Kühlschranks. Sie erhellt die Küche nicht wirklich, aber sie gibt meinen Augen einen Punkt, den sie fixieren können. Ich liege auf der Matratze und starre vor mich her, hin und wieder bewege ich den Fuß, um dessen Knöchel der Ring der Kette liegt, weil sich der Stahl heute besonders unangenehm anfühlt. Er erinnert mich daran, dass mein Schlafplatz jetzt dort ist, wo Mutter immer geschlafen hat. Und er erinnert mich daran, dass Emma die letzten Nächte bei ihm im Bett lag, nur heute nicht. Aber ich habe jede Sekunde Angst, dass er es sich anders überlegen könnte und sie doch noch zu sich holt, weswegen ich auf jedes Geräusch lausche, dass aus seinem Zimmer kommt.

Zuerst habe ich Vaters Murmeln gehört, dann habe ich ihn wimmern gehört und jetzt ist es absolut still. Alles, was ich höre, ist mein eigener Atem, auf den ich mich konzentriere, um nicht an die vergangene Nacht denken zu müssen. Auch wenn Emma sagt, es wäre Vaters Schuld gewesen, Mutters Blut hat an meinen Händen geklebt. Diesen Anblick werde ich niemals vergessen, auch nicht das rot verfärbte Wasser in der Badewanne heute Morgen, oder wie lange ich meine Nägel mit der Handbürste schrubben musste, bis auch der letzte Beweis für das, was ich getan habe, verschwunden war. Und danach hat Vater uns den Tag wie jeden anderen verbringen lassen. Emma hat Mutters Aufgaben im Haus übernehmen müssen und ich habe die Ställe ausgemistet und mit Vater den Transporter mit Obst und Gemüse beladen, damit wir morgen in die Stadt fahren können, um Besorgungen zu machen. Er hat einfach weitergemacht, als wäre nichts passiert. Dafür hasse ich ihn am allermeisten.

Eine Diele knarzt leise, als jemand den Flur betritt und sich langsam der Küche nähert. Wenn es Vater wäre, würden die Dielen unter seinem Gewicht stärker protestieren, daher weiß ich, dass Emma sich mir vorsichtig nähert. »Du solltest wieder in dein Bett gehen«, flüstere ich, als sie sich neben mich auf die Matratze schiebt.

»Ich kann nicht schlafen«, antwortet sie und drängt sich an meine Seite. Sie legt einen Arm über meine Brust und schmiegt ihre Stirn an meine Wange. Was sie hier tut, ist sehr gefährlich, denn wenn Dad uns so findet, wird ihm das gar nicht gefallen, er hat uns nicht umsonst voneinander getrennt. Sie in unserem alten Zimmer, ich allein auf der Matratze. Ich frage mich schon die ganze Nacht, ob Mutter deswegen sterben musste, damit Emma und ich uns nicht mehr so nah sein können.

Ich drehe mich zu ihr um und lege meinen Arm um sie, damit ich sie an mich ziehen kann. Obwohl ich weiß, wie gefährlich es ist, brauche ich ihre Nähe jetzt so dringend. Einfach, weil ich wieder was anderes fühlen muss, als den brüllenden Schmerz in meiner Brust. Ich schmiege meine Lippen an ihren Hals und küsse ihre weiche Haut. »Nur ein paar Minuten«, flüstere ich sanft und weiß nicht, ob ich meine Worte an sie oder mich gerichtet habe. Wahrscheinlich an uns beide.

»Ich bin froh, dass ich heute nicht bei ihm liegen muss«, sagt Emma und ihre Finger streichen über meinen Oberarm.

»Ich auch«, murmle ich und lege meine Stirn gegen ihre. »Hat er...?« Ich stocke, weil es mir schwerfällt, die Frage auszusprechen, die mir schon so lange durch den Kopf geht und vor deren Antwort ich große Angst habe. »Hat er dir wehgetan?«

Die Dunkelheit fühlt sich noch viel erdrückender an, als ich auf Emmas Antwort warte. Ich lausche auf ihren leisen Atem. »Hat er nicht.«

Ich atme erleichtert aus und streichle ihre Seite unter dem Stoff ihres Shirts. Sie fühlt sich so warm und weich an, dass ich leise seufze, weil ich so dankbar bin, dass sie bei mir ist. »Ich habe dich vermisst.«

Emma kichert leise. »Ich war doch die ganze Zeit hier.«

»Ja, aber nicht bei mir«, werfe ich lächelnd ein und küsse ihre Nasenspitze.

Weil mein Schatz ein Serienmörder istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt