Kapitel 18

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Der Mann wird ganz bestimmt wütend werden, aber mir ist so eiskalt, dass ich nicht widerstehen kann. Ich öffne seinen Schrank und nehme mir einen dicken Pullover, der einsam neben einem Anzug im Schrank hängt. Seit gestern durfte ich nichts mehr außer Moms dünnes Hemd tragen, weil er den Anblick meines Rückens genießen wollte, wann immer ihm danach war. Und ihm war fast den ganzen Tag über danach gewesen. Er hat mich beobachtet, während ich das Essen gemacht habe, hat mich beobachtet, als ich völlig erstarrt vor ihm auf dem Boden im Wohnzimmer sitzen musste und er hat sein Werk mit den Fingern erkundet, als er mich gebadet hat.

Er hat mich gebadet! Nach dem, was er mir angetan hat, hat er mich am Morgen von der Matratze gehoben und mich in die Badewanne gesetzt. Wieder von ihm berührt zu werden, war wie noch einmal die Hölle erleben zu müssen, die er mir aufgezwungen hat. Seine Finger haben jeden Schnitt untersucht, ihn regelrecht liebkost und er hat dabei gelächelt, als hätte er nie etwas Schöneres gesehen.

»Du gehörst mir. Ganz und gar nur noch mir«, hat er gesagt und mich weiter berührt. Ich habe das Wimmern, das über meine Lippen wollte, heruntergekämpft. Aber ich habe es nicht geschafft, die Magensäure in meinem Körper zu behalten, die mein protestierender Magen nach oben gezwungen hat.

Ich schlüpfe angewidert in den Pullover und mustere das Bett. Mir ist noch immer eiskalt, aber das Bett riecht nach ihm. Die Decke riecht nach ihm. Ich war schon immer angeekelt von allem, was er berührt hat, aber jetzt bin ich es noch mehr. Und doch, wenn ich nicht erfrieren will, muss ich mich in dieses Bett legen. Er hat mich vor Stunden hier eingesperrt, zusammen mit einem Eimer und etwas zu Essen und zu Trinken.

Ich setze mich vorsichtig auf das Bett und atme zischend ein, weil der Schmerz in meinem Unterleib nicht weniger schlimm ist, als der auf meinem Rücken. Er hat das Andenken an das, was Liam und ich auf der Weide getan haben, beschmutzt. Wenn ich an Liam denke, dann denke ich daran, und wenn ich daran denke, dann denke ich an das, was der Mann getan hat und jeder Muskel in meinem Körper erstarrt zu Eis. Vielleicht sollte ich besser doch erfrieren? Dann wäre ich frei, so wie Mutter. Aber dann wäre Liam allein. Und ich kann ihn nicht einfach allein zurücklassen.

Ich lege mich auf die Seite und ziehe die Decke über mich, aber weil die Erinnerungen mich überrollen, sobald ich die Augen schließe, lasse ich sie offen und singe leise. Singen hilft mir, nicht wieder und wieder seine Berührungen spüren zu müssen. Es hilft aber nicht gegen die Kälte, die meinen Körper gefangen hält und meine Zähne klappern lässt. Es liegt nicht einmal nur am offenen Fenster. Selbst im warmen Badewasser war mir keine Sekunde warm. Die Kälte kommt auch von Innen und ich frage mich, ob ich jemals wieder Wärme spüren werde.

Liam

Ich weiß nicht, will Dad mich noch immer quälen und bestrafen, oder muss ich in Mutters Garten arbeiten, weil es niemand anderes mehr tun kann. Ich nehme gerade die letzten Tomaten ab und werfe sie in eine Kiste, weil sie noch grün sind. Mom hat immer gesagt, auch wenn sie noch grün sind, wenn der Herbst da ist, brauchen wir sie nicht wegwerfen, weil Tomaten nachreifen. Mom war immer gerne im Garten. Sie hat es geliebt, allem beim Wachsen zuzusehen. Ich war nur gern hier, wenn wir zusammen sein durften. Was fast nie passiert ist.

Dad hat mich nicht einmal meine Hände waschen lassen. Ich befürchte, er wird jetzt noch besser aufpassen, uns noch mehr Regeln aufzwängen und uns keine Möglichkeit mehr geben, einander zu sehen. Alles wird noch viel schlimmer werden, weil er weiß, dass ich ihn töten werde, wenn ich die Möglichkeit bekomme.

Ich betrachte meine blutigen Hände und schnaube abfällig. Ich habe vorhin erst einen Menschen getötet und denke jetzt über einen weiteren Mord nach, als würde es nichts bedeuten. Als wäre es egal, einen Menschen zu töten. Was würde Mom denken? Wütend reiße ich die Tomatenpflanzen aus dem Boden und werfe sie von mir. Er hält Emma gefangen und ich kann nichts dagegen tun.

Weil mein Schatz ein Serienmörder istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt