Kapitel 17

186 13 0
                                    



Schon wieder im Raum gefangen. Ich schließe die Augen, lege den Kopf in den Nacken und versuche, Kylies Schluchzer auszublenden, weil sie mich viel zu sehr an die Geräusche erinnern, die Mutter von sich gegeben hat, als sie hier im Sterben lag. Aber egal, wie sehr ich mich auch anstrenge, ich kann nicht verhindern, dass die Erinnerungen an diese Nacht mich überrennen. Sie zertrampeln mich regelrecht, als wären sie die schweren Stiefel von tausend Soldaten. Ich balle die Hände zu Fäusten und kämpfe gegen die hereinbrechende Panik an, die meinen Körper zittern lässt und mir die Tränen in die Augen treibt. Ich kann nicht schon wieder hier sein.

»Du hast das Mädchen entführt, du wirst sie auch töten«, hat er trocken gesagt und mir das Messer gegeben, das ich schon benutzt habe, um Mom zu töten. Es liegt neben mir und jagt mir kalte Schauer über den Rücken. Ich spüre es körperlich. Es fühlt sich an, wie ein gespenstiges Kribbeln auf meiner Haut, das nicht nachlassen will.

»Ich werde es nicht tun, wenn du willst, dass sie tot ist, dann musst du es selbst tun«, habe ich ihn angebrüllt. In letzter Zeit bin ich mutiger als früher, ich wage mir öfters, ihm zu widersprechen, obwohl ich weiß, dass es nichts bringt, denn Dad bekommt immer was er will. Auf die eine oder andere Art.

»Sie oder deine hübsche Schlampe oben in der Küche«, war seine knappe Antwort, bevor er den Raum verlassen hat.

»Du wirst mich doch nicht töten, oder?« Kylies Stimme zittert, als sie mich das fragt. »Meine Eltern werden schon nach mir suchen. Lass mich gehen. Bitte.«

Ich antworte ihr nicht, stattdessen senke ich beschämt den Kopf und vermeide es, sie anzusehen. Mein schlechtes Gewissen, ist so schwer wie Dads Traktor. Ich kann nicht in ihr verweintes Gesicht sehen, das bedeckt von verschmiertem Make-up ist, das in schwarzen Schlieren über ihre Wange gelaufen ist. Ich habe so viele Frauen hier unten gesehen, alle waren blutverschmiert, aber sie hat Dad nicht angefasst, weil ich es für ihn tun soll. Ich balle die Hände zu Fäusten und möchte schreien vor Wut. Erst vor so kurzer Zeit habe ich hier in diesem Raum meine Mutter getötet, weil er es so wollte. Und jetzt soll ich dieses Mädchen töten, auch weil er es so will. Mein ganzes Leben lang habe ich immer tun müssen, was er wollte.

»Du könntest mich gehen lassen, ich sage auch niemanden etwas«, verspricht sie, dass sie sich an einem freundlichen Lächeln versucht, weiß ich nur, weil ich es in ihrer Stimme höre. Die Frauen versuchen immer zu verhandeln, nur hört ihnen niemand zu, ich auch nicht. Aber bei ihr höre ich zu. Ich höre ihre Angst und ihre Verzweiflung. Und weil ich hier unten mit ihr eingesperrt bin, kann ich dem nicht wie sonst entfliehen.

Ich winkle meine Beine an, lehne mich mit dem Rücken gegen die Wand und schließe die Augen, in der Hoffnung, sie und mein schlechtes Gewissen so ausschließen zu können.

»Liam, bitte«, wimmert sie und bringt mich dazu, zusammenzuzucken, als sie meinen Namen ausspricht. Ganz anders als Dads andere Opfer, ist sie nicht namenlos. Ich habe mich mit ihr unterhalten und weiß wo sie zur Schule geht. Ich habe gehört, wie eine Gruppe Jungs sich über sie lustig gemacht hat und habe gesehen, wie traurig sie das für einen Moment gemacht hat. Es fühlt sich an, als wäre das Wenige, was ich über sie weiß, schon viel zu viel.

»Sei still«, knurre ich wütend, weil jedes Wort, das über ihre Lippen kommt, sich wie ein Pfeil in meine Seele bohrt und mein Entsetzen vor dem, was Dad von mir verlangt, nährt. »Ich kann nichts für dich tun. Ich habe dir gesagt, du sollst weglaufen.«

»Was? Du glaubst, ich hätte deine geflüsterten Worte ernst genommen? Ich dachte, du flirtest mit mir«, schnauzt sie mich an.

Ich drehe den Kopf zu ihr und lache bitter. »Ich weiß nicht mal, wie man flirtet.«

Weil mein Schatz ein Serienmörder istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt