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Holly

Mein Herz klopft und beruhigt sich nicht. Ich kann es hören. Überall um mich herum wie es pumpt und pumpt und klopft und dem Klopfen nie müde wird. Blut zirkuliert durch meinen Körper und es dröhnt in meinen Ohren. Ich kann es hören. Es wird nicht leiser.

Ich lehne mich gegen die Wand. Und stütze mich dort ab, denn ich habe Panik. Atem verlässt meinen Mund und wird durch meine Nase eingezogen. Es ist ein Kreislauf. Es ist ein Karussell. Doch jetzt dreht sich das Karussell schneller. Stimmen schreien, es soll langsamer werden, schreien mich an, ich solle es sich nicht so schnell drehen lassen, doch die Hebel sind mir aus der Hand gerutscht und da auf dem Pferd sitzt der Junge. Der kleine süße Junge. Seine Mum hat seinen Namen geschrien. Aaron hat sie ihn genannt. Und plötzlich ist wieder alles wie vor Jahr und Tag.

Ich sitze wieder in dem Auto und fahre, fahre diese Straße entlang, hab keine Sorgen. Damals hab ich mich noch frei gefühlt. Damals hab ich mein Leben noch verdient und damals war ich noch ein unbeflecktes Lämmlein im Universum. Musik klingt in meinen Ohren wieder. Die Beatles singen gerade, dass die Sonne rauskommen würde, als ein Schrei ertönt. Er ist so laut, ich höre ihn durch die Glasscheiben meines Autos. AARON! Ein verzweifelter Schrei und dann sehe ich den Jungen und irgendwie zieht mein Arm die Bremse zu langsam und irgendwie ist alles schnell, nur ich bleibe stehen. Und dann vergeht die Zeit wieder gleich, nur ohne Aaron. Ohne Aaron und ohne nich, denn mein Körper ist noch da, noch so heil wie zuvor, doch ich bin weg.

Ich reiße die Augen auf, aber eigentlich sind sie schon offen und waren es wohl die ganze Zeit. Jemand hält mich im Arm. Ein Geruch von Kiefernnadeln und Zimt umfängt mich. Es ist Noah. Es ist eindeutig Noah. Es muss Noah sein.Ich will mich umdrehen, doch da
schieben sich forsche blaue Augen in mein Sichtfeld. 《Marilyn?》frage ich schwach. Sie nickt. 《Da war mein Blut und plötzlich ein Karussell und dann der Autounfall. Was ist-》《Schon gut》unterbricht sie mich.《Du hattest eine Panikattacke.》Beruhigend streicht sie mir über den Kopf.《Das kommt vor.》

Ich nicke nur leicht.Es dreht sich immer noch alles und mein Kopf sitzt schwer auf meinem Hals. Doch ich kann mich selbst nicht mehr hören. Mein Herz ist wieder leise und mein Blut hat es ihm gleich getan. Und wo Rauschen war ist jetzt Ruhe. Grenzenlose Ruhe. Ich atme ein und wieder aus. 《Kann ich, kann ich ein Glas Wasser?》zögere ich nicht zu fragen. Noah steht auf und geht Richtung Küche, als Marilyn ihn zurückhält. 《Halt, du kannst nicht einfach da rein gehen. Die lassen nur dich als Patient in Begleitung einer Therapeutin oder eines Therapeuten durch.》 Sie zuckt seufzend mit den Schultern. 《In der Küche sind viele Messer.》Noah sieht aus wie als würde er gleich gegen die Wand treten, doch als er mich sieht, hält er in seiner Bewegung inne und geht mit hängenden Schultern zu mir zurück. Marilyn gibt ihren Platz an der Wand frei. Ihre Schritte verhallen leer auf dem Gang.

Nun sind wir alleine. Noah beugt sich zu mir. 《Alles okay, Santalein?》Ich zucke mit den Schultern.《Wenn du mich wieder Holly nennen würdest.》kommt dir Antwort schwach zu ihm zurück. 《Nagut Sanolly.》Ich grinse《Und was soll das jetzt wieder sein, Sanoah?》Er beugt sich noch näher an mich heran, jetzt kann ich seinen heißen Atem auf meinem Gesicht spüren. Mein Herz klopft schneller und plötzlich fühlt sich alles so wackelig an, aber schön wackelig. 《Wenn du mir verrätst was das mit Sanoah sein soll?》Er zieht sich wieder zurück. Ich beuge mich vor. 《Das wirst du nie-》ich sttauchele. Und falle, falle aus dem Sitzen heraus. Gleich müsste der Boden kommen, denke ich. Doch stattdessen lande ich weich. Arme umfassen mich, fangen mich auf. Es ist Noah.

《Vorsicht.》ertönt seine Stimme leise neben meinem Ohr. Er klingt jetzt ganz ernst und weich irgendwie. 《Nicht dass mein Santa mir noch auf den Kopf fällt und sich nicht mehr an die lieben und die bösen Kinder erinnern kann.》

Er lehnt mich behutsam gegen die Wand. Doch ich umschließe seinen Körper. 《Noah》er guckt auf mich hinab.《Ich hab Angst nochmal zu fallen.》Erschrocken starrt er mich an und seine Augen weiten sich und dann beginnt er zu zittern und seine Augen werden glasig. Und ich weiß nicht wieso das so ist, aber ich bin mir sicher, dass er gleich fallen wird und dass er nicht auf dem Boden landen darf. Darauf achtend meinen Kreislauf und somit auch meinen Körper nicht zu sehr anzustrengen, krabbele ich los. Erst langsam und dann, als sein Kopf sich neigt, als sein ganzer Körper sich nach links neigt, schneller. Ich muss schneller als er sein, denn er braucht jetzt Hilfe. Er hat mir immer nur gegeben und jetzt ist es Zeit auch mal etwas zurückzugeben. Und dann fällt Noah schließlich ganz. Wie als hätte man die Wurzeln eines Baumes gezogen. Und dann trifft mich etwas hartes. Es schlägt in meinen Händen ein und dann kommt der zweite Einschlag in meinem Schoß. Es ist Noah. Ich habe ihn aufgefangen.

《Du bist jetzt sicher hier Sanoah.》flüstere ich leise in sein Ohr. Er zittert immer noch. Ich kann es in meinen Händen spüren. Und dann atmet er plötzlich schneller und schneller und schließt seine Augen um sie gleich danach wieder aufzuschlagen und panisch meine streifen zu lassen. Ist er wieder hier oder immer noch woanders? Ist das hier eine Panikattacke? Ein Flashback? Soll ich etwas sagen? Kann er mich überhaupt hören?

Und dann kommt Marilyn besorgt um die Ecke. Das Wasser in dem Glas bewegt sich bedrohlich als sie die Situation erfasst und sich ein Bild von der Lage macht. Sie drückt mir noch mein Glas Wasser in die Hand und drückt dann auf einen Knopf an ihrem Gerät. Er leuchtet rot auf und dann eilt meine Therapeutin zu uns. 《Was um Himmels Willen ist passiert als ich einfach nur Wasser holen wollte?》
Ich will gerade ansetzen, doch da atmet Noah keuchend auf. 《NELA, NELA!》schreit er aus vollem Halse.

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