•𝑨𝑼𝑺 𝑫𝑬𝑹 𝑵𝑶𝑻 𝑯𝑬𝑹𝑨𝑼𝑺•

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                                      𝑀𝑎𝑟𝑖𝑏𝑒𝑙𝑙𝑒

Mit anhaltender Atmung in meiner Luftröhre halte ich verstärkt beide Augen geschlossen und lasse das Geschehen für einen kurzen Augenblick Revue passieren. Jegliche Erinnerungen an den heutigen Tag vor mein inneres Auge noch einmal bildlich vorbeiziehen lassen, bevor mein Gedächtnis im nächsten Moment begreift, dass ich mit festem Halt auf sicherem Boden stehe, was mir schleunigst zur Kenntnis setzt, dass der furchtbare Knall, welcher mir einen gewaltigen Schreck in alle Glieder versetzt, keineswegs für mich bestimmt war. Ich reiße beachtlich weit die Augen auf. Spüre mein Puls bis in die Halsschlagader. Mein rasantes Herzklopfen zerspringt mir beinah in Sekundentakt aus der Brust. Bittere Tränen strömen über mein gesamtes Gesicht, erschweren mir vollkommen die Sicht, von den aufkommenden Tränen. Das Blut weicht mir aus dem Gesicht. Ein eiskalter Schauer läuft mir vereinzelt den Rücken entlang. Erstarrt lege ich meine zittrige Hand auf mein Brustkorb hin und befolge meinen rasanten Herzschlag, um jedes meiner Muskelfaser zu entspannen, dabei versuche ich meine Atmung unter Kontrolle zu bringen, was schwerer als vermutet ist. Meine Haut glüht regelrecht, als plötzlich ein einsetzendes Hitzegefühl in mein Inneres entsteht. Ich habe das Gefühl, mein gesamter Körper lodert in Flammen aufzugehen. Alles in mir bebt erheblich, überdies spüre ich, wie jedes meiner Körperteile innerlich, wie verrückt zittert. Ich spüre es deutlich! Der Knall ging mir durch Mark und Knochen. Der große Schock sitzt mir in den Knochen fest. Es nagt sich an mir fest und lässt mich keinen klaren Kopf bewahren. Für einen kurzen Augenblick habe ich geglaubt, dass es tatsächlich aus und vorbei wäre. Endgültig aber! Von dem Moment, in dem mein Leben am seidenen Faden hing und ich dem Tod damit ziemlich nahe gekommen war, wurde mir mit einem Schlag bewusst, wie schnell das Leben dem Ende zu gehen kann. Und ich konnte es keineswegs verhindern. Diese furchtbare Erkenntnis, dass er mich nur knapp dem Tod entkommen ließ, jagt mir einen eiskalten Schauer über meinem gesamten Körper. Es darf jedoch keinesfalls so enden! Ich habe mir selbst das Wort gegeben, bis zum Ende stark zu bleiben. Aufgeben darf nicht infrage kommen! Keineswegs! Von diesem Augenblick an werde ich für meine Freiheit und das Leben meiner Schwester kämpfen! Komme was wolle!

Ich wage meinen Blick zu senken und gerate augenblicklich ins Erschreckende. Meine glasigen Augen starren auf zwei aufgerissene leblose Augen, welche mir mit einer Leere entgegenblicken. »Oh Gott! Was habe ich getan?«, rufe ich erschüttert vor mich hin, während ich starr auf den leblosen Körper vor mich hinstarre und keineswegs meinen Blick davon abreißen kann. Geschockt halte ich mir mit beiden Händen den Mund zu, als ich mit zittrigen Beinen etliche Schritte zurücktrete. »D-das... w-wollte... wollte ich.. n-nicht! I-ich... habe... ihn... U-umgebracht«, stottere ich völlig verstörend, dabei lasse ich vereinzelte Tränen über meine glühenden Wangen überlaufen. Ich habe einem Menschen das Leben entnommen. Dieser Mensch wird mir auf ewig auf der Seele liegen und mich für den Rest meines Lebens begleiten. Die Schuldgefühle plagen mich jetzt schon Stück für Stück und zerreißen mich innerlich. Es zerfrisst mich komplett. Es ist die Höllenqualen, die mich völlig wahnsinnig machen. Ich weiß nicht, ob ich in diesem Augenblick weinen oder schreien soll. Ich erkenne mich kaum noch selbst, denn in diesem Moment empfinde ich mich vollkommen fremd. Ich spüre mich selbst nicht, als würde ich nur eine große Leere in mir tragen. Ich fühle mich erstarrt, mehr als verzweifelt. Kaum noch handlungsfähig. Ich habe das Gefühl, dass meine eigenen Emotionen außer Kontrolle geraten. Vollkommen! Ich versinke in einem Gefühlschaos und befürchte in ein tiefes Loch zu stürzen. Ich habe mich aus der Not heraus zur Wehr gesetzt! In dem Moment habe ich plötzlich nur noch schwarz vor den Augen gesehen! Die Angst und die Panik haben komplett die Oberhand ergriffen und bevor ich über meinen eigenen Handel im gewiss war, war es bereits zu spät gewesen. Mit beiden Händen halte mich verstärkt an meinem Kopf fest, während ich wie verrückt, herumschreie und meine Worte mehrmals hintereinander wiederhole, als meine Knie mich plötzlich zu Boden fallen lassen. Ich habe kaum noch die nötige Kraft, mich auf den Beinen halten zu können, da ich keinen Halt mehr erlange. Es fällt mir so unglaublich schwer. Ich wollte stark bleiben und mich dadurch kämpfen, egal, wie schwer der Weg für mich aussehen würde, jedoch habe ich das Gefühl, dass jedes fürchterliche Ereignis meinem Körper abträgliche Spuren hinterlässt. Mit einem Schlag fühle ich mich wieder vollkommen machtlos und so unglaublich unbeholfen.

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