•𝑬𝑰𝑵 𝑮𝑨𝑺𝑻•

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𝑀𝑎𝑟𝑖𝑏𝑒𝑙𝑙𝑒

Wie gebannt starre ich in zwei amüsante und kristallblaue Augen, während seine Arme sich um meinen zierlichen Körper schlingen und mir keineswegs die Möglichkeit überlassen, mich aus dem Fang mit großer Mühe befreien zu können. Wenn Blicke töten könnten, dann wäre mein gegenüberliegender hoch wahrscheinlich zum Staub zerfallen. »Verdammt noch mal! Die Kleine hat ordentlich was drauf, Bruderherz«, nehmen meine Ohren plötzlich eine weibliche Stimme im Hintergrund auf, die kurz daraufhin ein amüsantes Lachen betätigt, als mein Gegenüberstehender einen irritierenden Blick hinter meiner Gestalt wirft. Die Neugier überwältigt dich schlagartig. Ich schaue stirnrunzelnd über meine Schulter, als meine überraschenden Augen eine bildhübsche junge Frau begegnen, die zu meinem Erschrecken meinem Entführer gleichartig erscheint. Das darf doch jetzt nicht wahr sein? »So habe ich mir unsere erste Begegnung definitiv nicht vorgestellt«, schmunzelt die wildfremde Frau, dabei beäugen mich kristallblaue Augen, die ihres Bruders gleichen. Ein breites Lächeln umgibt ihr Gesicht, welches zu meiner Überraschung ziemlich natürlich wirkt. »Miran, du lässt das Mädchen auf der Stelle los!« Ich drehe zögernd mein Gesicht nach vorne und bemerke den genervten Gesichtsausdruck meines Entführers. Er lässt in der Tat auf die strenge Anordnung seiner Schwester meine beiden Arme los, wobei er genervt die Augen verdreht. Ich trete etliche Schritte zurück und sorge für einen gewaltigen Abstand zwischen mir und meinem gegenüberliegenden. Er überragt dich und nagelt dich mit einem intensiven Blick auf den Boden. Jedoch lässt mich das innerlich vollkommen kalt und unberührt. Ich balle kräftig die Fäuste, die ich leicht anhebe und bemühe mich, die Welle des Zorns zu bändigen, die um meinem Körper schwemmt. Sollte er eine falsche Bewegung tätigen, mache ich ihn ein für alle Mal kalt! Das ist mein völliger Ernst!

»Oh Gott, wie unhöflich. Ich habe mich dir gegenüber noch nicht bekannt gegeben. Ich bin Azra«, erklingt ihre Stimme in meinen Ohren, mit einem aufgesetzten Lächeln im Mundwinkel, welches ich keineswegs entgegne. Ich atme tief durch, während die Nervosität sich in meinem Magen ansammelt. Verdammte Scheiße! Jetzt stecke ich in riesengroßen Schwierigkeiten! Wieso zum Teufel musste ich ihr auch mit einer Nachttischlampe eine überziehen? Die große Angst nagelt sich an mir fest. Ich mutmaße abträgliche Folgen und Konsequenzen über meine handgreifliche Auseinandersetzung ihr gegenüber. »E-es... t-tut.. mir...S-schrecklich... L-leid« Sie ergreift plötzlich mein Handgelenk in ihrem vorsichtigen Griff und erstickt abrupt mein verzweifeltes Geschwafel. Sie neigt ihren Hals tief, um auf meine Augenhöhe zu kommen, und sucht meine Augen mit äußerster Aufrichtigkeit, dabei umgibt ihr ein Lächeln im Gesicht, was mir plötzlich ein sehr gutes Gefühl in meiner Magengrube bereitet. »Du hast dich im richtigen Moment verteidigt. Ich glaube, jeder in einer unangenehmen Lage hätte vermutlich gleichermaßen gehandelt. Du solltest dir also absolut kein schlechtes Gewissen einreden« Überraschend weiten sich meine Augen, die keinen einzigen Zentimeter von ihren abweichen, während ich regungslos ihr gegenüber stehe und vollkommen in Erstaunen versetzt werde, als ihre Worte langsam in mich eindringen. Mit dieser unerwarteten Reaktion von ihr habe ich keinesfalls gerechnet. Mit allem, aber mit solch einer Entgegnung war ich kaum vorbereitet. Für einen kurzen Augenblick starre ich Sie an und bemühe mich irgendwelche Auffälligkeit aufzudecken, welche sich eindeutig auf eine Lüge hindeuten lässt und von einem Schleier verbirgt wird, welche die Wahrheit vor der Offenbarung erschwert. Ihre kristallblauen Augen funkeln jedoch förmlich vor Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit, was meine Bedenken über Sie sofort fluktuiert. Kaum begreiflich, aber zum ersten Mal empfinde ich gegenüber einem dieser Menschen keinerlei Angst oder Schrecken. Ich habe nicht das starke Verlangen danach, mich vor ihr in großer Sicherheit zu begeben. Sie wirkt voller Zuversicht, was mir ein gutes Gefühl in meinem Magen bereitet.

»Du musst mit großer Sicherheit einen Riesenhunger haben. Na los! Das Essen müsste jeden Moment fertig sein«, ehe Sie mir die Wahl überlässt, darauf einzugehen, ergreift Sie meinen rechten Arm und hackt sich mühelos an mich ran, während Sie mir ein Lächeln von der Seite schenkt. Gemeinsam laufen wir durch den hell erleuchteten Flur, welchen uns ihr Soziopathen-Bruder ohne große Eile hinterherläuft. »Offenbar passt dir das Kleid, wie angegossen«, daraufhin blicke ich überrascht auf mich herab und bemerke tatsächlich ein rosa Kleid. Es schmiegt sich an mir, wie eine zweite Haut, und umschließt meine Figur an allen richtigen Stellen. Oh Gott. Na, hoffentlich war nicht Miran derjenige, der mich in dieses wunderschöne Kleid hineingesteckt hat. Andernfalls werde ich ihn mit meinen bloßen Händen erwürgen müssen! »Keine Sorge. Ich selbst hatte das große Vergnügen« zwinkert Sie grinsend von der Seite, als Sie meinen irritierten Blick bemerkt. Beschämend darüber nicke ich nur unbeholfen, als plötzlich ein leises Kichern hinter uns erklingt. Ich schaue über meine Schulter und unsere Blicke kreuzen sich miteinander. Für einen kurzen Moment fixiere ich ihn mit zornigen Augen, bevor ich mich von ihm abwende und Azra von der Seite mustere. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund fühle ich mich von dieser Frau behütet, als wäre ich in diesem Augenblick aus jeder kommenden Gefahr entrissen. Offenbar hat Sie in diesem Haus das große Sagen aller Familienmitglieder beansprucht. Das könnte ich als Vorteil betrachten. Ich sollte mir schleunigst Gedanken darüber machen, wie ich schnellstmöglich die Kurve abkratzen kann. Ich ertrage die aktuelle Situation nicht mehr. Ich muss aus dieser Irrenanstalt raus, komme, was wolle.

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