»Es gibt eine Stille, in der man meint, man müsse die einzelnen Minuten hören, wie sie in den Ozean der Ewigkeit hinabtropfen«
- Adalbert StifterTrockene Luft trieb mir Staub in den Mund und ich musste Husten. Die Luft über der kargen Landschaft aus schwarzem Fels schwirrte in der unerträglichen Hitze. Vor mir ließ sich Amy im Schatten eines großen Steins zu Boden fallen.
»Ich hasse diese Hitze! Ich hasse diese ganze verfluchte Ebene! Und ich hasse euch! Wann sind wir endlich hier heraus?«
»Da war es in Pandämonium besser«, stimmte Daedalus ihr mit grimmiger Miene zu und setzte sich erschöpft neben sie. Fast hätte ich gelacht. Es war selten, dass die beiden einer Meinung waren. Aber ich brachte aufgrund des Wassermangels nur ein seltsames Krächzen heraus, woraufhin mich meine Begleiter mit hochgezogenen Augenbrauen musterten.
»Es ist nicht mehr weit. Und wenn wir uns nicht beeilen werden sie uns einholen«, bemerkte unser Führer mit genervter Stimme zum gefühlt tausendundeinsten Mal und strich sich eine Falte aus dem Anzug.
Amy war mir noch immer böse, weil ich dafür gestimmt hatte, Araziel mitzunehmen. Doch zu meinem Glück hatte sich ihr Zorn nun scheinbar auf unsere trostlose Umgebung verschoben. Und, als hätte irgendein Gott uns erhört, begann es milder zu werden. Ich seufzte, aber Erleichterung hielt nicht lange an: Der Schweiß, der heiß in meinen Augen brannte, wurde kalt. Die Haare auf meinen nackten Armen stellten sich auf und ein Zittern lief durch meinen Körper. Den anderen -unseren gefallenen Engel mal ausgenommen- erging es nicht anders. Wütend grummelte Daedalus etwas von »Das hätte sie nun von ihrem andauernden Gefluche« in Amys Richtung, während diese selbst abwechselnd mich und den Dämon mit Blicken niederstoch.
»Was ist das? Wieso wird es auf einmal so kalt?«, wandt ich mich an Araziel. Der gutaussehende Mann grinste mich nur spöttisch an und fächerte sich mit der Hand Luft zu, als wäre ihm immer noch zu warm.
»Antworte!«, knurrte Amy mit einem drohenden Unterton in der Stimme.
»Dachtet ihr hohe Mauern sind das einzige, was die Menschen daran hindert, die Hölle zu verlassen? Alles im Umkreis von einigen Meilen um Pandämonium herum wird versuchen euch zu töten. Sogar das Wetter und das Land selbst spürt, dass ihr nicht hier sein solltet. Deswegen hat es den Herbst scheinbar übersprungen« Er zuckte mit den Schultern. »Doch diese Kälte ist etwas ganz natürliches. Man nennt sie Winter«
Mit einem Lächeln lehnte er sich an den Stein, während sich vor unseren Augen Raureif bildete und unnatürlich schnell begann die Felsen zu überziehen. Die Sonne stand im Zenit und ihre Strahlen ließen die Ebene funkeln, als bestände sie aus purem Diamant.
»Was überall ein Jahr braucht, geschieht hier an einem einzigen Tag. Doch es wird Meinesgleichen nicht aufhalten, denn wir fühlen weder Hitze noch Kälte. Also sollten wir schauen, dass wir weiterkommen«
Mit diesen Worten wand sich Araziel zum Gehen und uns blieb nichts anderes übrig als ihm zu folgen. Während die anderen Beiden -die eine trotzig, der andere mit seinen Kräften am Ende- noch kurz sitzen blieben, begann es zu schneien. Brennend kalt legten sich die Schneeflocken auf meine Haut und schmolzen dahin. Ich schlüpfte in die Fetzen, die die Bezeichnung Mantel schon lange nicht mehr verdienten und hielt Amy meine Hand hin. Ein Grinsen stahl sich in ihr Gesicht und der düstere Ausdruck in ihren Augen verschwand für einen Moment. Doch noch bevor sie meine Hilfe wie immer ausschlagen konnte, packte Daedalus ein »Danke« nuschelnd meinen Arm und zog sich schwer atmend an ihm hoch. Damit hatte ich selbstverständlich nicht gerechnet und strauchelte. Und -wie hätte es auch anders kommen können- fiel ich direkt auf Amy, die mich mit einem überraschen Aufschrei von sich stieß. Mit funkelnden Augen fixierte sie mich, rappelte sich auf und lief hinein in das Schneegestöber, in dem der gefallene Engel verschwunden war.
DU LIEST GERADE
Paradise Lost - Das verlorene Paradies
Fantasía∆ Warm und schwer fällt der Regen auf mich nieder. Auf seinem Weg gen Boden reißt er Blut wie Tränen gleichermaßen mit sich, spült sie mit dicken Tropfen hinfort von meinem schmerzenden Körper. Nicht aber die Schuld, die ich auf mich geladen habe. U...