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Und die Kommentare unter dem Post waren ja doch wie erwartet. Ich wurde auf allerlei Weise beleidigt, einige dieser Kommentare werden mir wohl noch eine Zeit lang in den Ohren hängen.

"PHAHAHA, ist ja lächerlich. Von dem bisschen Getanze einfach ohnmächtig zu werden. Jämmerlich."

"Was für ein Waschlappen."

"Heulsuse, so schlimm ist Schulter auskugeln jetzt auch nicht."

"Endlich mal ein gutes Konzert ohne den nutzlosen Anhang."

"Besser so, hättest gleich sterben sollen du hässlicher Nichtsnutz."

"Fettsack, wie schwächlich der doch ist."

Was mache ich denn nur falsch, ist es jetzt etwas so schwächlich einen Zusammenbruch zu haben? Ist es jämmerlich sich bei einem Unfall die Schulter auszukugeln? Ich habe verdammt noch mal trainiert um nicht so eine Enttäuschung zu sein und jetzt machen sie sich sogar darüber lustig!? Und sie sind auch noch froh, dass ich morgen nicht da bin?

Und sie reiten sogar immer noch auf meinem Gewicht rum, dabei bin ich ja anscheinend sogar schon untergewichtig. Ich muss wirklich noch mehr abnehmen. Wie viel wiege ich jetzt überhaupt, ich war lange nicht mehr auf der Waage. Steht hier nicht sogar eine im Bad?

Ich setze mich auf und schlüpfe in meine Pantoffeln, daraufhin mache ich mich auf den Weg in das kleine private Bad hier. Tatsächlich, unter dem Badschrank steht eine Waage, ich ziehe sie hervor und entledige mich meiner Schuhe. Doch als ich mich darauf stelle stockte mir der Atem.

59kg

Ich habe tatsächlich einen Kilo zugenommen, dabei bin ich doch erst zwei Tage hier. So schaffe ich es ja nie auf 55kg, was mache ich jetzt nur? Ich merke wie sich langsam meine Tränendrüsen mit Flüssigkeit füllen, schon tropfen die ersten Tränen auf den Boden vor meinen Füßen. Die Stimmen werden immer lauter.

"Fettsack"

"Nimm ab"

"Wehe du isst nochmal irgendwas"

"Hässliches Stück scheiße"

"Schau dich doch an, wie kann man nur so rumlaufen"

"Alle hassen dich"

"Bring dich um!"

"Verlass die Band, alle wären froh!"

"Alle Menschen mit klarem Verstand wären froh, wenn du draufgehst du elendes Stück Dreck!"

"Bring dich um!"

"Bring. Dich. Um."

"Bring! Dich! Um!"

"BRING DICH UM!"

"LASS MICH DOCH IN RUHE, VERDAMMTE SCHEIßE" Ich beginne zu schreien und raufe mir verzweifelt die Haare, wie hört das nur auf!? Doch sie stoppen nicht.

"Wieso sollten wir aufhören, wir haben doch Recht."

"Du bist so widerlich!"

"Nimm ab!"

"Stirb!"

"AAAARRRRGGHHHH!!!!!!!!" Mit voller Wucht schlage ich mit meiner Hand gegen die Wand neben dem Spiegel, vor dem ich schon die ganze Zeit stehe. Ich hinterlasse einen blutigen Fleck, jedoch mache ich keine Anstalten damit aufzuhören, immerhin sind die Stimmen zumindest kurzzeitig ruhig.

Ich hasse das was ich hier vor mir sehe, mein Spiegelbild. Das bin doch nicht ich, bin ich wirklich so hässlich? Ich verabscheue das alles so sehr, ich kann nicht mehr. Dieses Gesicht kann doch nicht wirklich meins sein.

Diese Augenringe, diese bleiche Haut, die platten Haare, die leeren Augen. Die unförmige Nase, der nicht richtig zu sehende Kiefer, diese merkwürdig geformten Lippen. Und vor allem, dieses Fett. Dieses verdammte Fett, damit hat alles angefangen. Hätte ich doch in letzter Zeit nicht so viel gegessen, dann wäre das alles nicht passiert. Mich würden nicht alle hassen, diese beschissenen Stimmen hätten sich nie gebildet und ich würde nicht so denken. Dieses verdammte Spiegelbild!

Aus Wut schlage ich bei meinem letzten Schlag mit voller Kraft dagegen, der Spiegel zerbricht in Tausend Teile und sie bohren sich in meine Hand, doch das ist mir momentan vollkommen egal. Ich ertrage dieses Spiegelbild einfach nicht mehr.

Nachdem der Spiegel zerschlagen ist lasse ich mich nach hinten fallen und umklammere mein Handgelenk mit der anderen Hand, alles ist voll mit Blut und die Stimmen schreien gnadenlos weiter. Wieso? Wieso hören sie nicht auf, was muss ich denn noch machen?! Ich greife nach einer der Glasscherben und halte sie direkt über meiner Hand. Ich war schon bereit, damit zuzustechen als mich auf einmal jemand am Arm greift. Die Person zieht mir die Scherbe weg und eine weitere fasst mir unter die Achseln um mich aus dem Bad zu ziehen, sie verriegeln die Tür von innen, vermutlich damit ich nicht an die Scherben komme. Ein weiterer Arzt kommt herein und spritzt mir irgendwas, ab da wird meine Sicht verschwommen. Ich kenne dieses Gefühl, vermutlich ein Beruhigungs- oder ein Schlafmittel. Ich drifte noch auf dem Boden vor der Badezimmertür in eine Art Schlaf ab...

-

Ich wache in meinem Bett wieder auf, der eine Ärmel meiner Krankenhauskleidung ist voll mit Blut und um meine Hand ist ein Verband gewickelt. Sie tut ein wenig weh, wenn ich sie bewege. Verdammte scheiße, ich erinnere mich. Es waren die Stimmen. Ich glaube es war bisher noch nie so schlimm wie eben, was war denn da nur los?

"Guten Tag Hr. Park, wie geht es ihnen?" Ich habe den Arzt in seinem typischen weißen Kittel neben meinem Bett bisher gar nicht bemerkt.

"Ganz gut soweit denke ich, was war da los mit mir?" Ich glaube ich klinge verwirrt.

"Nun ja, sie hatten eine schlimme Panikattacke, sie haben mit ihrer Hand vermutlich mehrmals gegen die Wand und dann mitten in den Spiegel geschlagen. Sie hatten ein paar Splitter in der Hand und auch sonst einige kleine Platzwunden und Schürfungen, das ist also soweit nicht schlimm. Der Verband ist nur dafür da, dass da nichts ausreißt, aber vermutlich können sie den in ein paar Tagen, spätestens in einer Woche wieder ablegen."

"Okay, aber bitte sagen sie... meinen Freunden nichts davon, sie sollen sich keine Sorgen machen. Ich werde ihnen einfach sagen, dass ich einen Spaziergang gemacht und ausgerutscht bin. Ich kann ja sagen, dass ich mich nicht mir dem andern Arm abfangen konnte wegen der Schulter und dann blöd in Dornen gefallen bin. Also bitte, teilen sie das niemandem mit. Bitte!" Der Arzt schaut sich mit einem verständnisvollen Blick an und teilt mir nur noch mit, dass hier gleich ein neuer Spiegel aufgehängt wird. Sie hatten noch einen in einem der Abstellräume hier und wollen den dann so schnell wie möglich aufhängen, sodass niemand Verdacht schöpfen kann. Ein einziges mal bin ich den Menschen hier in dem Krankenhaus wirklich dankbar, das andere was sie mir hier so antun hat allerdings absolut keinen Dank verdient...

I'm not hungry° ~ Jimin FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt