one - auf ins Chaos

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JULIET

,,Jetzt komm schon, Teddy!" Ich wuschelte meinem besten Freund durch die Haare.
,,Juls!!! Du weißt, dass ich es hasse, wenn du mich so nennst.''
,,Schon klar, du liebst diesen niedlichen Namen, Remus... Jetzt lass den Kopf nicht hängen, wir schaffen das schon! Wie immer!'' Ich grinste ihn an und blickte wie schon so oft aus dem Abteil auf den Bahnsteig.

,,Wieso bist immer so positiv? Wie kannst du so unermüdlich fröhlich sein, bei all dem, das dir schon passiert ist?" Er sah mich verständnislos an.
,,Du kennst mich schon lange genug, um dir diese Frage selbst beantworten zu können. Das ist einfach meine Art, mit allem umzugehen. Dass meine Eltern tot sind, sollte mich nicht davon abhalten, mein Leben zu leben. Ich bin mir sicher, das hätten sie genauso gesehen."
,,Natürlich solltest du dein Leben genießen! Ich wundere mich nur immer wieder. Vor allem, da du mit diesem Thema ja betont locker umgehst, frage ich mich auch jedes Mal, warum ich der Einzige bin, der von deinen Verlusten weiß. Vielleicht solltest du auch mit den anderen mal darüber reden. James, Sirius und Peter... Sie wissen kaum etwas über dich. Und Lily hast du auch nie etwas erzählt." Remus' Worte waren keine Kritik, das wusste ich. Vielmehr wollte er mir helfen.

Und doch hasste ich es, über dieses Thema zu reden.
Ich hasste es generell, über schwierige Themen zu reden.
Deshalb zuckte ich auch nur mit den Schultern. ,,Du weißt, dass ich nicht darüber sprechen, geschweige denn, daran denken möchte..."
Ich hörte Remus seufzen.

Mein Blick glitt wieder auf den Bahnsteig, wo sich all die Mütter und Väter von ihren Kindern verabschieden.
Meine Eltern hatten mich nie umarmen können, hatten mir nie ein schönes Jahr gewünscht, hatten mir nie versprochen, mir zu schreiben, hatten mich nie für die Ferien nach Hause eingeladen.
Zu früh waren sie von mir gegangen, hatten mich verlassen.

Und doch war ich nun hier.
Ich hatte es fünf Jahre geschafft, oder?
Ich würde es auch noch die nächsten Zwei Jahre schaffen.
Außerdem war ich nicht alleine.
Ich hatte Remus, der für mich wie ein Bruder war, seine Eltern, die mich nach dem Tod meiner eigenen umsorgt hatten, als wäre auch ich ihre Tochter, all meine Freunde.
Sie waren jetzt meine Familie.

Remus, der meinen leicht sehnsüchtigen Blick bemerkt hatte, ergriff meine Hände und drückte sie fest.
,,Du bist nicht allein, das weißt du. Wir alle stehen dir immer zur Seite."
Ich lächelte ihn dankbar an.
,,Natürlich weiß ich das.
Und jetzt zurück zum Ausgangsthema!
Wir rocken das morgen mit dem Scheiß-Vollmond, du wirst schon sehen und jetzt möchte ich ein Lächeln auf dem Gesicht von Remus John Lupin, aber zackig!''
Er lächelte, als ich, trotz meines belustigten Tonfalls, auch seine Hand ermutigend drückte.
,,Juls, du bist mir echt ein Rätsel...''
,,Tja, verstehe einer mal die Frauen...''

,,Ah... wenn das nicht der Held von Hogwarts ist, der kühne und unerschrockene Sirius Black!'' Ich grinste ihm zu und er trat in das Abteil.

,,Wie läuft es in der Frauenwelt?"
Auf meine Frage hin lachte er bellend. ,,Reizend wie immer!", antwortete er mir dann bereitwillig. ,,Anders als bei James, was? Der ist vorhin bei Evans hängen geblieben, keine Ahnung, wo er jetzt ist, vielleicht heult er sich gerade auf der Toilette die Seele aus dem Leib." Er zuckte mit den Schultern und schaute dann zu uns.
,,Und bei euch so?" Sein Blick blieb an unseren ineinander verschränkten Händen hängen.
Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht und er runzelte die Stirn, noch immer unsere Hände fixierend. ,,Ihr seid doch nicht etwa jetzt...? Hab ich irgendwas verpasst?", fragte er schließlich und hob seinen Blick wieder.

,,Merlin, nein!" Ich lachte auf.
,,Man kann auch einfach nur befreundet sein, ohne irgendwelche sexuellen Hintergedanken, weißt du, Sirius?" Auch Remus hatte die Stirn gerunzelt und musterte Sirius konzentriert.

,,So, kann man das?" Sirius zwinkerte mir zu.
Das immerzu glänzende Funkeln war wieder in seinen sturmgrauen Augen.
Jenes Funkeln, das ich schon einige Male aus der Nähe betrachten konnte.
Ja, in unseren fünf gemeinsamen Hogwartsjahren hatten wir beide schon einige Male etwas miteinander.
Nie etwas Ernstes und zu unserem Glück hatte auch niemand je etwas bemerkt. Meist waren es sowieso nur Knutschreien auf einer Party.

Remus wusste davon aber nichts, und das war wirklich besser so.
Auch wenn dies wirklich das einzige Geheimnis war, das ich vor ihm hatte.
Remus war viel zu vernünftig für solch "ungezogene" Dinge.
Er würde niemals etwas mit seiner besten Freundin anfangen. Erst recht nicht so etwas lockeres wie einen One-Night-Stand.

Remus sah Sirius und mich etwas irritiert an, doch wurde er von der Abteiltür unterbrochen, welche mit einem Krachen aufgerissen wurde 
Ein großer Junge mit strubbeligem, schwarzem Haar und Brille streckte seinen Kopf hinein und gefolgt von einem etwas kleineren stürmte er das Abteil.

James Potter, wie er leibte und lebte.

,,Hey Leute! Juls, Remus, Sirius!", begrüßte James uns gut gelaunt.
,,Hey, James. Hallo Peter.", erwiderte Remus freundlich. Ich nickte ihnen zu.
,,Evans, sie hat fast ja gesagt!" James grinste wie ein kleines Kind, das einen Lolli bekommen hatte.
Ich zog eine Augenbraue hoch. ,,Fast?"
,,Naja, sie hat auf jeden Fall nicht 'nein' gesagt.", erklärte er stolz.
,,Sie hat dich also ignoriert?" Ich war überrascht, dass ihn das so freut.
,,Nein, sie hat mir in die Augen gesehen und ich dachte schon sie sagt ja, aber dann kam Peter und..." Er warf dem Genannten einen bösen Blick zu.
,,Ok..." Ich verlor mein Interesse wieder.
,,Morgen schmeißen wir eine 'Back to Hogwarts- Party' mit allen, die kommen wollen. Was meint ihr?"

James war sofort Feuer und Flamme, was Sirius' Vorschlag anging.
Ich blickte zu Remus, welcher etwas blasser geworden war. Ihm setzte es zu, seinen Freunden gegenüber immer eine Ausrede erfinden zu müssen, wann immer er an Vollmond zum Wolf wurde, aber er wollte es ihnen trotzdem nicht sagen.
Ich begleitete ihn immer in meiner nicht registrierten Animagus-Form als Wölfin.

Dass 'die Gestalten unserer Seelen', also unsere Patronie, und in meinem Fall auch die Animagus-Form beide Wölfe waren, war nur ein weiterer Beweis dafür, dass wir sowas wie Seelenverwandte waren.
Jedenfalls hatte ich das immer so empfunden.

Ich kannte mein Teddylein schon mein ganzes Leben lang und auch sein Geheimnis, denn wir waren schon immer Nachbarn.

Ein Animagus war ich schon seit ich klein war. Bloß wusste ich nicht mehr, wie wir es damals gemacht hatten, denn eigentlich überstieg es die Fähigkeiten eines kleinen Mädchens weit, sich in ein Tier zu verwandeln.
Aber die Einzigen, die darauf eine Antwort hatten, waren meine Eltern und die waren tot und das schon seit ich zehn Jahre alt war. Doch ich hatte mit meiner Vergangenheit abgeschlossen. So mehr oder weniger...

,,Juls?" Remus' Stimme riss mich aus meiner Vergangenheit, verdammt, ich wollte doch nicht wieder daran denken müssen.
,,Äh, ja...?" antwortete ich etwas verspätet. Er sah mich wissend an, aber die Jungs verstanden offenbar nur Bahnhof. War auch besser so.

,,Ich habe dich gerade gefragt, ob wir morgen schon etwas vor haben.", erklärte Remus mir erneut.
,,Äh,..." Es war ein weiter Weg von meinen Gedanken zurück in das Abteil. ,,Nein..."
Er sah mich verwirrt an. Normalerweise war nämlich ich es, die sich bessere Ausreden und Lügen einfallen lassen konnte.
Deshalb war es auch meistens meine Aufgabe, den Jungs zu erklären, wohin Remus und ich einmal im Monat verschwanden.
Ich schüttelte kaum merklich meinen Kopf.

,,Dann steht der Party doch nichts mehr im Weg!" Fröhlich begannen James und Sirius über irgendwelche Getränke zu fachsimpeln.

,,Ah... Ich gehe mal Lily 'Hallo' sagen. Remus?" Auffordernd sah ich ihn an.
,,Ja, ich komme mit.", ging er darauf ein und folgte mir aus dem Abteil.

𝐌𝐀𝐘𝐁𝐄 𝐈 𝐋𝐎𝐕𝐄 𝐘𝐎𝐔 | s. black Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt