Es dauert einige Sekunden um festzustellen, dass sich meine Haut unter dem Regen auflöst und das rote Fleisch darunter auf eine beängstigende Größe anschwillt.
»Wir müssen hier weg!«, schreie ich heiser, als ich mich mit geweiteten Augen umdrehe. »Sofort!«
Nero und Lillith suchen sofort das Weite. Obwohl ich von all dem Wassermangel geschwächt bin, schaffe ich es, Hermes einzuholen, während der Regen hinter mir immer näher kommt. Ich wage es nicht, einen weiteren Blick auf meine Hand zu werfen, sondern versuche, den brennenden Schmerz zu ignorieren, der mir langsam den Arm empor wandert.
»Was zur Hölle ist das?«, fragt Hermes schnaufend, doch ich denke nicht einmal daran zu antworten, denn ich kenne die Antwort selbst nicht. Ein tödliches Labyrinth, kein Trinkwasser, und jetzt ätzender Regen? Die Spielmacher möchten ihren Sieger dieses Jahr wohl ziemlich schnell krönen, nicht wahr?
Sofort merke ich, dass ich bei jedem Schritt ins Straucheln gerate. Nie habe ich so einen quälenden Schmerz verspürt, wie in diesem Moment. Mir wird schwarz vor Augen, im nächsten Moment ist mein Sichtfeld wieder klar, doch jede meiner Bewegungen sorgt dafür, dass sich das Bild vor meinen Augen um einige Sekunden verzögert. Der Schwindel, der mich plagt, dreht mir den Magen um, und durch die aufkommende Übelkeit sehen meine Chancen schlecht aus, in Kürze noch weiterlaufen und dem tödlichen Regen entkommen zu können.
Ich drehe mich zu Troy und Alpina um, die wenige Meter hinter uns mühsam versuchen, Schritt zu halten. Troy steht die Panik ins Gesicht geschrieben, während er seine Partnerin weiterhin stützt. Bei jeder noch so kleinen Bewegung stöhnt sie vor Schmerzen erfüllt auf, und obwohl sie sich mit allen Mitteln dazu zwingt, sich Troys Tempo anzupassen, wiegt sie ihn und sich mit jeder verstrichenen Sekunde in sichere Lebensgefahr, denn sie ist zu langsam. Troy muss wissen, dass sie ihn nur aufhält. Er muss wissen, dass er nur eine Chance hat, wenn er sie zurücklässt.
Erst jetzt wo ich laufe spüre ich, wie uneben der Boden unter mir ist. Neben dem Schmerz und dem Schwindel bringen mich die Wölbungen der rötlichen Erde ganz aus dem Gleichgewicht. Ich weiß nicht, wie lange mich meine Beine noch halten können, denn meine Muskeln zittern und meine Knie drohen, nachzugeben. Der saure Dampf, der sich durch den Regen ausbreitet und mir in die Nase steigt, brennt so stark, dass sich meine Augen mit Tränen füllen. Bald schmerzt jeder Atemzug, doch wenn ich nicht atme, sterbe ich, also füllen sich meine Lungen immer wieder mit der ätzenden Luft, die meine Innereien langsam aber sicher zerfrisst.
Der Regen breitet sich schneller aus. Ich höre es an dem immer lauter werdenden Prasseln und an dem Zischen, wenn er den Boden berührt. Wir können wieder an Nero und Lillith anknüpfen, doch Troy und Alpina entfernen sich immer weiter von uns. Die Rauchschwaden werden dichter und rauben uns beinahe jegliche Sicht auf das, was vor uns liegt. Ich kann spüren, wie Hermes nach meiner Schulter greift, um mich inmitten des milchigen Rauches nicht zu verlieren, und auch ich möchte ihn nah bei mir behalten, während wir uns weiterhin einen Weg aus der Gefahrenzone bahnen.
Gefahrenzone... Als ich stolpere, mich aber instinktiv wieder aufrapple und von Hermes hektisch dazu gedrängt werde, weiterzulaufen, kommt mir ein Gedanke. Es kann unmöglich sein, dass die ganze Arena von Säureregen überflutet wird, oder? Was würde es den Spielmachern bringen, alle Tribute auf einmal auszulöschen? Sie brauchen einen Sieger, und den können sie nicht bekommen, wenn sie uns bis auf die Knochen zu einem Bad aus Blut und Gedärmen einschmelzen. Und das muss bedeuten, dass die Arena in Gebieten aufgeteilt ist, die sich voneinander unterscheiden. Eine Fläche aus roter Erde, in deren drückender Hitze ein Schwall aus ätzendem Regen lauert. Ein See aus Salzwasser. Und ein Labyrinth aus Bäumen, dessen Kronen sich im schlimmsten Fall ineinander verankern und dich vom Licht der Sonne abschirmen. Gut möglich, dass wir uns zwischen See und einem weiteren, unbekannten Sektor befinden. Dass beide Gebiete nicht exakt voneinander abgegrenzt sind. Und dass der Regen eine Reaktion ist, die nur dann auftritt, wenn zwei dieser Gebiete aufeinander treffen.
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Die Tribute von Panem - Die Hungerspiele der Darling Valentine
FanfictionSie wurde geboren, um zu gewinnen - oder zu sterben. Darling ist achtzehn, als sie sich für die neunundsechzigsten Hungerspiele freiwillig meldet. Es ist die Chance, ganz Panem zu beweisen, was in ihr steckt. Zunächst ist sie von Stolz erfüllt - bis...