Nach der Ernte werden Hermes Patrons und ich von einer Schar Friedenswächter in das Gerichtsgebäude geführt. Ich halte Ausschau nach Maximus, doch obwohl er heute Dienst haben muss, kann ich ihn nirgends entdecken. Wir werden in unterschiedliche Zimmer geführt, und ich drehe meinen Kopf ein letztes Mal zu meinem Mittribut, dessen goldblondes Haar gerade hinter dem Türrahmen verschwindet, bevor die Tür meines Wartezimmers von einem Friedenswächter mit Schwung geschlossen wird.
Ich kenne Hermes Patrons nur flüchtig. Vor einigen Jahren haben wir einen Trainingskurs geteilt. Jedoch ist er mir nicht aufgrund seiner kämpferischen Fähigkeiten im Gedächtnis geblieben, denn diese sind für einen Tribut der Hungerspiele zwar durchaus akzeptabel, stellen aber keine große Bedrohung dar. Viel einprägsamer ist die Tatsache, dass sein Großvater, Cal Patrons, vor fünfundfünfzig Jahren die Hungerspiele gewann und damit der zweite Sieger aus Distrikt 1 ist. Es ist immer wieder ein Highlight, wenn die Verwandtschaft populärer Sieger an den Spielen teilnimmt, denn das passiert nicht gerade häufig. Die Menschen malen sich gedanklich die verschiedensten Gründe aus, warum Familienmitglieder aus dem Kreis der Sieger in die Hungerspiele ziehen. Ich schätze, es könnten Geldprobleme sein.
Das Wartezimmer ist in hellen, hauptsächlich weißen Tönen eingerichtet. Eine leise, entspannende Melodie wird aus Musikboxen an den Wänden gespielt. Ich gehe bis zum anderen Ende des Raumes und berühre die cremefarbenen, zarten Vorhänge. Sonnenlicht schimmert hindurch, also ziehe ich sie zur Seite und schaue auf die metallischen Fenstergitter, die den Weg nach draußen versperren. Wie im Gefängnis. Ich schüttele meine Gedanken schnell ab, denn die Hungerspiele sind keine Gefangenschaft. Sie sind mein Weg zur Freiheit.
Ich lasse mich auf dem lederartigen Sofa nieder. Auf dem kleinen Glastisch vor mir liegen eine Reihe an Broschüren und Magazinen, um einem die Wartezeit zu vertreiben. Nicht jeder Tribut hat das Glück, sich von seinen Verwandten und Freunden verabschieden zu können, und allem Anschein nach werde ich dazugehören. Also schnappe ich mir die aktuelle Ausgabe der Capitol Times und blättere darin herum. Neben zahlreichen Interviews mit Präsident Snow, einigen Moderatgebern und fünf Horoskopseiten, entdecke ich einen kurzen Artikel, der mein Interesse weckt:
Ein langersehntes Lebenszeichen!
Lange war es ruhig um Lyme Grandine (32): Nach einem unvergesslichen Sieg vor fünfzehn Jahren und einer erfolgreichen Zeit als Mentorin, zog sich die Gewinnerin der vierundfünfzigsten Hungerspiele aus dem Trubel der Öffentlichkeit zurück. In einer Mentorenkonferenz inmitten des Kapitols meldet sich Lyme Grandine nach sechs Jahren Stille nun erstmals wieder zu Wort.
»In Anbetracht der diesjährigen, neunundsechzigsten Hungerspiele, erkläre ich mich bereit, als Mentorin für Distrikt 2 zurückzukehren.« Gründe für die lange Abwesenheit nannte sie gegenüber den Capitol Times nicht.
Wir erinnern uns zurück: Die damals siebzehnjährige Lyme Grandine beeindruckte die Massen mit ihrer riesenhaften Körpergröße und ihrem respektablen Auftreten enorm. In dem letzten, alles entscheidenden Moment in der Arena setzte sie sich problemlos durch – und brach dem kräftigen Jungen aus Distrikt 8 mit einer Leichtigkeit das Genick.
Ich möchte umblättern, als ich ein Klappern höre. Ich schaue hinüber zum Türknopf, und ehe ich reagieren kann, öffnet sich die Tür und Maximus Pace betritt das Wartezimmer. Ich weiß nicht wieso, aber ich muss fast weinen, als ich aufspringe und auf ihn zugehe, während er die Tür vorsichtig hinter sich schließt.
»Ich habe nicht viel Zeit«, sagt er mit gedämpfter Stimme, als er mich in den Arm nimmt. »Aber ich musste dich noch einmal sehen, bevor du...«
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Die Tribute von Panem - Die Hungerspiele der Darling Valentine
FanficSie wurde geboren, um zu gewinnen - oder zu sterben. Darling ist achtzehn, als sie sich für die neunundsechzigsten Hungerspiele freiwillig meldet. Es ist die Chance, ganz Panem zu beweisen, was in ihr steckt. Zunächst ist sie von Stolz erfüllt - bis...