10. ZEHN

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„Julia, kommst du mal eben?", rief mein Vater und winkte mich zu sich.

Ich umrundete den Tresen der Rezeption und schaute ihm über die Schulter auf den PC-Bildschirm mit dem geöffneten Buchungsprogramm.

„Wir haben vorhin eine Buchung rein bekommen von einem Herrn aus Italien und der schreibt: ‚Would it be possible to have Miss Giulia Engel being responsible for my stay?' Meint er dich? Kennst du einen David Damiano?"

Ich stockte. „Wann... also ich meine... welchen Zeitraum hat er denn gebucht?", stotterte ich. Das brachte mich nun wirklich aus dem Konzept.

„Von 25. – also heute – bis 28., 3 Nächte, Einzelzimmer Superior", gab er mir nach einem weiteren Blick auf die Buchung Auskunft. „Also kennt ihr euch? Hat er dir gar nichts von seinem Besuch erzählt?"

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, das kam jetzt tatsächlich überraschend. Wir haben uns im Frühjahr in Berlin kennengelernt, als ich Oma und Opa besucht habe."

„In Berlin? Ein Italiener und du? Das muss man auch erst mal schaffen", mein Dad lachte.

Ich legte meine Hand kurz auf seine Schulter, bevor ich mich wieder aufrichtete. „Tja Papa, so klein ist manchmal die-"

„Good evening."

Ich wurde unterbrochen von einer mir nur allzu bekannten Stimme. Als ich meinen Blick über die Theke hob, stand dort schon Damiano und lächelte freundlich. Und – oh mein Gott – er sah so gut aus. Er trug ein helles Hemd mit kleinen Blümchen darauf, die Knöpfe waren soweit geschlossen, dass es sein Tattoo über der Brust versteckte und nur die Tattoos an seinen Armen waren aufgrund der bis zum Ellenbogen hochgekrempelten Hemdsärmel sichtbar. Seine Haare waren leicht nach hinten gegelt, er trug weder Schminke noch Nagellack und auch beim Schmuck war er sehr zurückhaltend. Ich konnte nur ein dünnes Goldkettchen um seinen Hals erahnen. Selbst mit diesem braven Look war er unwiderstehlich.

„Oh, das ging jetzt aber schnell", murmelte ich eher für mich selbst. Damiano schaute mich fragend an.

Ehe ich das Wort an ihn richten konnte, stand mein Vater auf und strich sich aufgeregt über das Gesicht. „Ist er das schon? Oh je, und ich habe doch noch gar nichts vorbereitet, die Unterlagen und die Zimmerkarte und..."

„Papa", unterbrach ich ihn, „Alles gut, ich mach das schon. Exklusivbetreuung, hast du doch gerade selbst vorgelesen..." Ich schob ihn mit meinem Arm leicht zur Seite, als Zeichen, dass er gehen kann. Glücklicherweise verstand er sofort.

„Ja, ja, schon gut", er hob beschwichtigend die Hände, verließ die Rezeption und wandte sich dann an Damiano, der unseren Dialog, von dem er vermutlich kein Wort verstand, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen verfolgte, „Sorry, my daughter will take care of you and do the Check-In now. Have a good stay, Mister Damiano."

„Oh, thank you so much!", Damiano lächelte und bedankte sich mit einem freundlichen Kopfnicken, bevor mein Vater in Richtung des Restaurants verschwand.

Ich nutzte die Zeit, um mich an diese wirklich unerwartete Situation zu gewöhnen und strich meine Weste glatt, bevor ich mein freundliches Gäste-Lächeln aufsetzte. Ich wusste nicht, was Damiano im Schilde führte, aber rein vorsorglich wollte ich schon mal mit einer Professionalität kontern, die er sicher nicht erwartete.

Als er sich wieder mir zuwandte, sprach ich ihn auf Englisch an.

„Herzlich Willkommen im Schlosshotel Engel, Mister Damiano", den Seitenhieb konnte ich mir nicht verkneifen, hatte er doch eben so höflich reagiert und nichts gesagt, als mein Vater seinen Vor- und Nachnamen vertauscht hatte, „Lassen Sie mich eben Ihre Buchung aufrufen..." Mit ein paar gezielten Klicks öffnete ich die Buchung im PC-Programm und teilte ein passendes freies Zimmer zu. Dann druckte ich das Formular aus und legte es ihm zusammen mit einem Stift hin. Er schien zunächst nicht zu wissen, wie er auf mein Verhalten reagieren sollte, und hielt sich sehr zurück. Ich lächelte in mich hinein, ein wenig stolz, dass ich ihn anscheinend erfolgreich verwirren konnte.

Ich las ihm die relevanten Eckdaten auf dem Formular vor, bevor ich um seine Unterschrift bat. Anschließend machte ich seine Zimmerkarte fertig und legte sie ihm hin, bevor ich noch die üblichen Sätze abspulte.

„Zimmer 407, dort vorn ist der Aufzug, in der 4. Etage befindet sich das Zimmer dann links am Ende des Flurs. Frühstück gibt es im Restaurant von 07:00 bis 11:00 Uhr, an der Bar erhalten Sie rund um die Uhr Getränke und kleine Snacks. Darf ich Sie noch zum Zimmer begleiten?"

Damiano lächelte dankbar. „Sehr gerne."

Ich umrundete die Theke der Rezeption und deutete ihm per Handzeichen den Weg zum Aufzug. Damiano nahm seinen kleinen Rollkoffer, auf dem noch eine Ledertasche festgemacht war, und lief neben mir her. Zu seinem Hemd trug er eine helle Stoffhose und Slipper aus braunem Leder. Irgendwie sehr... italienisch.

Ich drückte den Knopf neben dem Aufzug und die Türen öffneten sich sofort. In der Kabine wählte ich die 4. Etage und blieb nahe der Tür stehen, während Damiano einen Schritt weiter hinein ging und sein Gepäck abstellte. Die Türen schlossen sich und der Aufzug setzte sich in Bewegung.

„Du siehst sexy aus im Business-Outfit", sein Kommentar traf mich völlig unvermittelt und ich drehte mich zu ihm. Sein Blick ruhte auf meinem Gesicht und seine Mundwinkel zuckten leicht nach oben, da ihm im hellen Licht der Aufzugkabine vermutlich nicht entging, dass sich meine Wangen leicht rosa färbten.

Ehe ich mir eine Antwort überlegen konnte, waren wir schon im richtigen Stockwerk angekommen und die Türen öffneten sich. Schweigend liefen wir nebeneinander den Flur entlang. An seinem Zimmer angekommen öffnete ich die Tür und ließ ihn eintreten. Etwas unschlüssig blieb ich in der Tür stehen. Ich fühlte mich gerade nicht in der Lage, weiter Professionalität zu wahren. Der Satz im Aufzug brachte mir sofort wieder unsere nächtlichen Gespräche und Chats der letzten Wochen, die nicht immer ganz jugendfrei waren, ins Gedächtnis.

„Wie lange musst du denn noch arbeiten? Hast du Lust, mir anschließend noch die Gegend zu zeigen? Das, was ich bisher gesehen habe, war wirklich schön", Damiano kam einen Schritt auf mich zu und schaute mich freundlich auffordernd an.

Er schien gemerkt zu haben, dass ich gerade kurz davor war, die Fassung zu verlieren, und lenkte die Stimmung zwischen uns gekonnt in eine unverfänglichere Richtung. Er war so aufmerksam...

Ich atmete kurz durch, bevor ich antwortete. „Ich bin in ca. einer Stunde fertig, dann kommt der Kollege für die Nachtschicht. Holst du mich in 1,5 Stunden ab? Zimmer 510."

„Nichts lieber als das. Bis später, ich freue mich."

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So, da isser wieder. Was, meint ihr, hat Damiano vor? Und was hält Julia davon?
Morgen gibts die Auflösung! :)

FOR YOUR LOVE - Eine Damiano David FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt